Albträumer (Andy Strauß)
UBooks, 1. Auflage November 2010
Taschenbuch, 160 Seiten
€ 9,95 (D) | € 10,30 (A)
ISBN: 978-3-86608-137-6
Genre: Anti-Pop
Klappentext:
Ein Reporter liebt eine Frau. Kurz darauf zündet sie sich an. Dann passieren verschiedene Dinge.
Ein Bär räumt in einer Diskothek auf, ein echter Bär. Der Schützenverein rettet die Nacht. Irgendwie stecken alle unter einer Decke, sie ist kariert. Am Ende passiert noch etwas Unerwartetes.
Völlig absurd und dabei schrecklich realistisch entfesselt Andy Strauß in diesem Roman ein Feuer über einer längst abgehängten Region.
Rezension:
Ein Träumer unterscheidet sich nur durch das Leben seiner Träume vom Albträumer.
(Aus dem Vorspiel, Seite 4)
Mit den Protagonisten aus Andy Strauß’ zweitem Buch hat sich das Leben ganz offensichtlich einen wirklich üblen Scherz erlaubt: Des einen große Liebe fackelt sich vor seinen Augen ab, ein anderer trifft nach langer Suche endlich die perfekte Frau mit einem nicht übersehbaren „Haken“, ein weiterer träumt von einem besseren Leben, schafft aber den Ausbruch nicht, wieder ein anderer verliert an einer Pommesbude die Nerven, ein Mädchen bettelt mit extremen Mitteln um die Liebe der eigenen Eltern – doch neben der Gemeinsamkeit, vom Leben gebeutelt zu sein, schaffen sie noch etwas alle zusammen: Sie schockieren und erheitern den Leser aufs Höchste, ohne dabei den Unterhaltungswert außen vor zu lassen. Viele weitere Einzelschicksale verbinden sich zu einem Ganzen und reißen den Lesenden aus der Welt, um ihn gleich darauf mit einem etwas veränderten Blickwinkel wieder in selbige fallen zu lassen.
Eine Dichte an kritisierenden Wortspielen und bewusst auf die Spitze treibenden Sprachexperimenten lassen den Leser des Öfteren die Stirn runzeln und sich denken „Jetzt übertreibt der Strauß aber maßlos!“ – dabei jedoch im Hinterkopf immer wissend, wie nah der Autor an der Wahrheit schreibt. Einige Situationen scheinen auf den ersten Blick zum Schreien komisch zu sein, doch bei genauerem Hinschauen und späterem In-sich-gehen bleibt einem das Lachen schnell im Halse stecken. Strauß’ „Geschichten“ haben soviel Wahres in sich, dass zumindest vereinzelt auch nach dem Lesen noch viel nachgedacht wird. Während sich hartgesottene Leser das 160 Seiten starke Buch in einem Durchgang einverleiben, dürften zarter besaitete Fans des Genres mitunter ihre Probleme haben und das Buch gerne mal für einige Zeit zur Seite legen.
Obwohl oder gerade weil Andy Strauß seinen Ursprung im Poetry Slam hat, verbindet sich in Albträumer sehr viel Sprachgenialität mit trockener Berichterstattung. Dass der Autor mit Worten umgehen kann, merkt man schnell, doch im Gegensatz zum Vorgänger Establishmensch hat der Albträumer nicht so eindeutige Wurzeln aus dem Bereich des Poetry Slam. Man erkennt also eine eindeutige Entwicklung zwischen beiden Werken, die jedes für sich ein Gewinn für das Anti-Pop-Genre darstellt.
Fazit:
Ziemlich schräg, aber beängstigend nah an der Realität – auch mit Albträumer entlässt Andy Strauß ein wahres Anti-Pop-Stück in die Welt. In vierundzwanzig, voneinander scheinbar unabhängigen Kapiteln erzählt er eine Geschichte mit vielen Verwicklungen, die aufzeigt, wie klein und erbarmungslos die Welt ist. Für Neulinge erstmal schockierend, für Anhänger des Genres ein gefundenes Fressen.
Wertung:
Handlung: 3,5/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 3,5/5
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