Auf eine wie dich habe ich lange gewartet (Patrycja Spychalski)

Auf eine wie dich habe ich lange gewartet (Patrycja Spychalski)

Klappentext:

Ein Sommer voller Erdbeerküsse

Ab ans Ende der Welt, heißt es für Großstadtmädchen Laura – dort, wo sich höchstens die Wildgänse und Mamas neue Hühner gute Nacht sagen. Wie soll sie es da nur aushalten? Aber das piefige Kaff hat dann doch etwas zu bieten: Enzo, den süßen Neffen des Pizzeriabesitzers, und Irina, das hübsche, durchgeknallte Mädchen, mit dem Laura sich auf Anhieb versteht, Musik hört, am Bach herumliegt und … dann passiert es: Auf einer Party küsst Irina Laura – und Laura küsst Irina. Doch so unerwartet schön ihre Küsse sind, so schrecklich verwirrend sind sie auch. Denn da ist immer noch dieses irre Kribbeln, wenn sie Enzo sieht …


Rezension:

Ich erinnere mich ja auch noch genau, wie ich am ersten Tag am Marktplatz im Auto saß und sie zum ersten Mal gesehen habe, als sie aus der Bäckerei rauskam. Sie hatte sofort meine volle Aufmerksamkeit, und ich hab ihr hinterhergeguckt, bis sie um die Straßenecke verschwunden war. Und ich kann es jetzt nicht wirklich beschweren, aber sie war mir schon an diesem Tag nicht mehr egal. Es soll das ja geben, dass man einen Menschen sieht und sofort weiß, dass es da eine Verbindung gibt.
(Seite 197)

Laura gehört mit jeder Faser ihres Körpers in die Großstadt – davon ist sie überzeugt. Ihre Eltern sehen das allerdings etwas anders, reißen die Sechzehnjährige aus ihrem gewohnten Umfeld und Freundeskreis und ziehen mit ihr in eine Kleinstadt, die jedoch eher ein Dorf zu sein scheint. Obwohl Laura ansonsten sehr gut mit ihren unverheirateten Eltern klarkommt und ein enges und vertrauliches Verhältnis zu ihnen hat, ist sie in diesem Punkt entsprechend sauer und lässt ihre Erziehungsberechtigten dies auch bei jeder sich ergebenden Gelegenheit spüren. Für sie steht fest, dass sie dieses Kaff spätestens nach dem Abitur wieder verlassen und mit ihrer besten Freundin Marlene eine WG gründen wird – natürlich in einer Großstadt. Doch dann lernt sie Enzo und Irina kennen, die zum Glück auch mit ihr in eine Klasse gehen, und schon scheint der Alltag auf dem Land endlich seine positiven Seiten zu zeigen. Allerdings löst dieses Dreiergespann in Laura auch sehr unterschiedliche Gefühle aus, denn eigentlich fühlt sie sich zu Enzo hingezogen, doch auch Irina verursacht ein angenehm aufregendes Kribbeln. Da sie bisher noch keine wirklichen Erfahrungen mit derartigen Gefühlen gemacht hat, ist die ganze Situation natürlich sehr verwirrend für Laura. So richtig weiß sie daher nicht, wie sie mit dem Ganzen umgehen soll. Und als es auf einer Party schließlich zu einem ersten zaghaften Kuss von Irina kommt, wird alles nur noch verwirrender. Ist sie etwa lesbisch? Aber was empfindet sie dann für Enzo?

Von Patrycja Spychalski ist man es bereits gewöhnt, dass sie die perfekte Sommerlektüre für jugendliche Leser liefert – thematisch immer genau auf den Punkt der Zielgruppe gebracht, sprachlich entsprechend angepasst, aber doch so gestaltet, dass auch Erwachsene ihren Spaß an der Geschichte haben können. Auch in Auf eine wie dich habe ich lange gewartet greift die Berliner Autorin wieder ein Thema auf, mit dem sie auf die Interessen der Jugend eingeht – und dieses Mal bewegt sie sich dabei auch in einem polarisierenden Kreis. Denn es geht unter anderem um die Entdeckung der Sexualität, wobei die Protagonistin sich mit der Frage auseinander setzen muss, ob sie vielleicht homosexuell ist. Und das ist neben dem Rausgerissenwerden aus der gewohnten Umgebung und dem Eingewöhnen in einer neuen Stadt und einem neuen Freundeskreis das zentrale Thema dieses Romans. Vor allem in Bezug auf die Reaktionen von außen bietet die Geschichte verschiedene Ansichten, die allesamt direkt aus dem Leben gegriffen sein könnten. Sicherlich geht man mit dieser Thematik in der heutigen Zeit schon sehr viel lockerer um als noch vor ein paar Jahren, trotzdem ist es gerade in diesem Alter, in dem sich ohnehin so viele Dinge im Leben verändern, nicht die einfachste Aufgabe. Patrycja Spychalski schafft es, diese Schwierigkeit nachvollziehbar darzustellen, und gibt ihrer Protagonistin genügend Spielraum für Gedanken zu der Frage. Auch wenn Laura manchmal etwas naiv erscheint, hat sie doch eine angemessene Sicht auf sich selbst und kann dadurch ein gutes Band zum Leser knüpfen. Noch viel besser lernt man allerdings ihre Gegenspielerin Irina kennen, die offenbar nicht nur Laura, sondern auch die Autorin sehr zu faszinieren scheint. Neben ihr wirkt der Charakter von Enzo etwas blass, obwohl auch hier die Mühe bei der ansprechenden Gestaltung durchaus spürbar ist.

Leider wird die eigentliche Schlüsselszene des Buches schon im Klappentext verraten, sodass man während des Lesens im Grunde genau dieser Stelle entgegenfiebert und die ganze Vorarbeit teilweise als mühselig empfindet. Die Szene selbst ist daher nicht mehr überraschend, was schade ist – denn ohne diesen Spoiler im Klappentext könnte genau dieser Kuss, der alles verändert, einschlagen wie eine Bombe. Insgesamt wirkt das Vorspiel bis zur besagten Szene daher eher langgezogen und ein wenig ermüdend, als dass es wirklich unterhält, auch wenn Spychalskis Schreibstil auch in Auf eine wie dich habe ich lange gewartet wieder unheimlich ansprechend und leicht lesbar ist. Auch die Entwicklungen zum Ende der Geschichte können nicht in allen Punkten überzeugen, gerade bei dieser Thematik hätte sich mancher Leser bestimmt ein anderes Finale gewünscht. Ein Finale, das an der Kontroverse festhält, wodurch der Leser das Thema vielleicht auch nach der Lektüre weiter im Kopf behält, und das nicht so konstruiert wirkt, wie es nun der Fall ist. Dazu kommen leider auch nicht wenige Grammatik- und Zeichenfehler, die vom Lektorat und Korrektorat übersehen wurden und dem geübten Leserauge direkt auffallen. Auch das schmälert den Lesegenuss um einiges und hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack.

Trotz der Kritikpunkte bleibt im Gesamtpaket Auf eine wie dich habe ich lange gewartet genau das, was man von Patrycja Spychalski bereits kennt und gewöhnt ist: Eine sommerleichte Lektüre für die jugendliche Zielgruppe, die durchaus unterhalten kann und genau das Richtige für zwischendurch ist. Einmal mehr weiß die Autorin genau, welche Knöpfe sie bei ihren Lesern drücken muss, um sie zu erreichen und bei Laune zu halten. Und vielleicht achtet der Verlag beim nächsten Buch ein bisschen mehr auf die Details, die hier etwas untergegangen zu sein scheinen.


Fazit:

Endlich legt Patrycja Spychalski ihren bereits fünften Jugendroman vor – und auch dieser erzählt wieder eine zarte Liebesgeschichte, die sich dieses Mal jedoch um ein etwas kontroverses Thema dreht. Obwohl die Protagonistin manchmal ein wenig naiv erscheint, findet die Zielgruppe wahrscheinlich schnell Zugang zu ihr und kann sich gut mit den Gedanken identifizieren. Sieht man von den vom Korrektorat übersehenen leider zahlreichen Grammatik- und Zeichenfehlern ab, ist Auf eine wie dich habe ich lange gewartet ein netter Roman über die erste Liebe und das Entdecken der eigenen, wie auch immer gearteten Sexualität für angenehme Lesestunden zwischendurch.




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