Brother Sister – Hört uns einfach zu (Sean Olin)

Brother Sister – Hört uns einfach zu (Sean Olin)

Klappentext:

Hört ihnen einfach zu.

Drei Tote. Ein Geschwisterpaar auf der Flucht. Jetzt werden Will und Asheley in einem mexikanischen Gefängnis verhört. Die Anklage: Dreifacher Mord. Aber wer war der Täter? Asheley liebt ihren Bruder, aber sie hat auch Angst vor ihm. Dabei möchte Will seine Schwester doch nur beschützen. Die Morde sind einfach passiert. Warum? Das können nur Will und Asheley erklären …


Rezension:

Will und Asheley sind ein Geschwisterpaar, das mit keinem leichten Leben gesegnet ist – die Mutter ist Alkoholikerin, der Vater irgendwann abgehauen, Mums neuer Freund ein ziemlicher Idiot. In der Schule gehören beide nicht unbedingt zu den Beliebtesten, sind aber auch keine Einzelgänger. Sie versuchen, nicht aufzufallen und ihre Familiengeschichten größtenteils vor der Außenwelt zu verstecken. Einfach hatten sie es jedenfalls noch nie, und irgendwie geraten sie plötzlich in Schwierigkeiten, deren Ausmaß sich erst am Ende wirklich bemerkbar macht. An deren Ende drei Leichen und eine überstürzte Flucht nach Mexiko stehen. In einem mexikanischen Gefängnis erzählen Will und Asheley getrennt voneinander ihre Geschichte – manche Aussagen decken sich, andere scheinen sehr konfus. Und schnell stellt sich heraus, dass die beiden Geschwister jedes eine ganz andere Sichtweise auf die Geschehnisse haben und es hier um weitaus mehr als nur Familiengeheimnisse ging. Der bis dahin so enge Zusammenhalt des Geschwisterpaares bröckelt. Doch kann die Polizei wirklich herausfinden, was tatsächlich passiert ist?

Als Jugendlicher hat man es grundsätzlich nicht einfach. Man befindet sich an der Schwelle vom Kind zum Erwachsenen und zu niemandem hat man noch einen richtigen Bezug. Man weiß nicht genau, wer man ist oder wer man sein will. Und wenn dann auch noch Probleme mit der Familie und dem persönlichen Umfeld dazu kommen, ist eine mittelschwere Krise vorprogrammiert. Sean Olin schafft es in seinem Roman Brother Sister – Hört uns einfach zu, viele jugendliche Probleme anzusprechen, was natürlich ein hohes Maß an Identifikationsmöglichkeiten für den Leser schafft. An diesem Punkt trifft der Autor ziemlich früh den Nerv seines Lesers, der auf diese Weise schnell in die Geschichte findet. Aber weil die Charaktere trotzdem verhältnismäßig oberflächlich bleiben und der Leser keine wirkliche Chance auf ein Kennenlernen hat, flacht dieses Gefühl recht schnell wieder ab. Die wirre Geschichte, die aus zwei Perspektiven quasi rückwärts erzählt wird, ist dabei nicht sehr hilfreich, da beide Charaktere sich immer wieder in Widersprüchen verstricken und zeitweilig alles sehr undurchsichtig ist. Obwohl die Idee der Erzählperspektive eine ziemlich gute ist, die auch mal etwas Neues anbietet, ist es Sean Olin nicht gelungen, einen wirklichen roten Faden durch dieses Buch zu ziehen. Durch die wechselnde Erzählperspektive kommt zusätzliche Unruhe rein, die leider nicht aufgefangen werden kann.

Der Zielgruppe angemessen hat Sean Olin eine eher jugendhafte Sprache verwendet, die es vor allem jugendlichen Lesern leichter macht, sich in die Geschichte einzufinden und eine Bindung zu den Charakteren aufzubauen. Für Erwachsene könnte diese einfache und sehr lebensnahe Sprache jedoch ein Problem darstellen, da sich der Autor hier leider nicht zu einigen Raffinessen hinreißen lassen hat. Ein paar mehr Feinheiten würden die Monologe, in denen sich Dialoge verstecken, möglicherweise unterhaltsamer und abwechslunsgreicher gestalten. So allerdings bleiben einige Kapitel untereinander sehr gleich, obwohl ein anderer Inhalt erzählt wird. Aber auch inhaltlich kann Brother Sister – Hört uns einfach zu nicht wirklich überzeugen. Zwar sind die Konfliktthemen gerade für Jugendliche sehr heikel und wichtig, allerdings lässt Sean Olin auch vieles unter den Tisch fallen oder einfach außen vor. Dazu kommt die stellenweise vorhandene Vorhersehbarkeit, die gemeinsam mit der zeitweiligen Unglaubwürdigkeit zu einem bunten Mix entwickelt, der einen immer bitterer werdenden Nachgeschmack hinterlässt.

Wenn man Sean Olins Roman als Gesamtwerk betrachtet, fällt es schwer, eine Empfehlung auszusprechen. Das Buch ist ein netter Zeitvertreib und spricht wichtige Themen an, die allerdings nur ungenügend ausgearbeitet werden. Der Leser wird in eine undurchsichtige Familiensache hineingezogen und muss vieles selbst interpretieren, was an sich nichts Schlimmes ist, sondern den lesenden Geist eher noch fordern und fördern kann. Allerdings sind viele Dinge genau deshalb auch sehr vorhersehbar, wodurch eine Menge von Spannung und Überraschungseffekt verloren geht. Man wird angenehm unterhalten, im Rückblick wirkt das Buch daher nicht besonders lange nach. Es sind 288 Seiten, die schnell gelesen, jedoch auch schnell vergessen sind. Nette Unterhaltungsliteratur für zwischendurch.


Fazit:

Blut ist dicker als Wasser – Sean Olin erzählt in Brother Sister – Hört uns einfach zu die Geschichte eines Geschwisterpaares, das kein leichtes Leben zu führen hat. Verschiedene Konfliktthemen des jugendlichen Alters werden in diesem Roman zur Sprache gebracht, auch wenn die Umsetzung nicht in jedem Punkt zu hundert Prozent gelungen ist. Teilweise ist die Geschichte vorhersehbar, teilweise unglaubwürdig – und doch schafft der Autor es irgendwie, den Leser bis zum Ende gefesselt zu halten. Nur um ihn dann wieder in Zweifel zu stürzen …



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