Daisy Jones and The Six (Taylor Jenkins Reid)
Klappentext:
Jeder kennt Daisy Jones & The Six, aber niemand weiß, was der Grund für ihre Trennung auf dem Höhepunkt ihrer Karriere war … bis jetzt.
Daisy Jones, jung, schön, von ihren Eltern vernachlässigt, hat eine klare Stimme und einen starken Willen: Sie möchte mit ihren eigenen Songs auf der Bühne stehen. Als sie zum ersten Mal gemeinsam mit THE SIX auftritt, ist das Publikum elektrisiert von ihr und Billy, dem Leadsänger der Band. Die beiden zusammen sind nicht nur auf der Bühne explosiv und führen die Band zu ihrem größten Erfolg, auch Backstage sprühen die Funken …
Ein fesselnder Roman über den rasanten Erfolg einer 1970er Rockband, das Geheimnis ihrer Trennung und zugleich eine bittersüße Liebesgeschichte.
Rezension:
Als Einzelkind mit ziemlich uninteressierten Eltern findet Daisy Jones ihren Kick schnell im Nachtleben auf dem Sunset Strip von Los Angeles der Siebzigerjahre. Bereits im jungen Alter von 14 Jahren geht sie in den Clubs ein und aus, probiert die ersten Drogen und hat erste Kontakte zu sehr viel älteren Männern, welche ihr nicht immer wohlgesonnen sind. Sie verliert sich in der Musikszene und beginnt, ihre eigenen Songs zu schreiben – wie viele junge Menschen damals und heute träumt auch sie davon, auf der Bühne zu stehen und das Publikum mit ihrer Musik zu berühren und zu begeistern. Als sie auf die ehemalige Schülerband The Six trifft und sie eher spontan gemeinsam einen Song performen, rastet die Menge förmlich aus. Das Management und die Produktionsfirma sind sich daher schnell darüber einig, dass Daisy und The Six ein komplettes Album zusammen aufnehmen sollen. Das stößt nicht bei allen Bandmitgliedern auf Zuspruch und spitzt sich im Laufe der Zusammenarbeit immer weiter zu – bis es schließlich auf dem Höhepunkt ihrer Karriere zu einem Eklat kommt, der mitten während einer großen Tour zur Trennung der Band führt.
Daisy Jones and The Six wirbt damit, ein fesselnder Roman zu sein. Diese Werbung ist allerdings zumindest in der Hinsicht falsch, als dass es sich hierbei nicht um einen klassischen Roman handelt. Vielmehr blicken die einzelnen Bandmitglieder und einige Menschen aus ihrem jeweiligen Umfeld in Interviews zurück und erzählen den Werdegang aus ihrer persönlichen Perspektive. Dass es dabei nicht nur zu Überschneidungen, sondern auch zu völlig anderen Blickwinkeln kommt, ist einer der ausschlaggebenden Reize, die das Buch zu einer ganz besonderen Lektüre machen. In zeitliche Abschnitte eingeteilt lernt man Daisy, Billy und alle anderen nach und nach besser kennen und taucht in die glamouröse, aber auch schmutzige Atmosphäre des Rock’n’Roll der Siebzigerjahre ein – inklusiver aller sexuellen Eskapaden und Drogenexperimente. Daisy Jones hat dabei eine tragende Rolle, denn irgendwie drehen sich alle Erzählungen fast ausschließlich um sie. Aber auch persönliche Einblicke in die Leben der anderen Bandmitglieder, allen voran Billy Dunne und seiner Familie, werden dem Leser gewährt. Chronologisch berichten die Protagonisten von ihrem ersten Zusammentreffen, von der anfänglichen Skepsis, den anstrengenden Schreib- und Studiosessions, den Kleinkriegen innerhalb der Band und von den Eskapaden, die jeder Charakter anders wahrgenommen hat.
Obwohl es sich bei Daisy Jones and The Six um eine fiktive Band handelt, schafft Taylor Jenkins Reid es hervorragend, ihren Charakteren ein Gesicht und eine Stimme zu geben. Publikumslieblinge und klassische Anti-Helden leben quasi nebeneinander her und bieten dem Leser willkommene Abwechslung durch kleine und größere Meinungsverschiedenheiten. Was positiv hervorsticht, aber garantiert nicht nur auf Zuspruch stößt, ist Daisys starkes Einstehen für ihre Wünsche und Bedürfnisse, ungeachtet dessen, was andere von ihr erwarten. Das Thema Sexismus und Selbstbestimmung findet ebenfalls seinen Raum, wenn auch nur in kleinen Ansätzen. Es war eben eine andere Zeit, und das Frauenbild war in den Siebzigerjahren ein ganz anderes. Trotz all ihrer Probleme findet man recht schnell Zugang zu den Charakteren und zur Atmosphäre des damaligen Rock’n’Roll. Dass man sich öfter dabei erwischt, wie man zum Handy greifen und die nächste Suchmaschine im Internet aufrufen möchte, um nach Fotos und Liedern zu forsten, unterstreicht nur die Authentizität des Buches, das ohne Schwierigkeiten als (Auto)Biographie einer echten Band durchgehen könnte. Und auch wenn am Ende alles ein bisschen zu schnell geht, fährt Taylor Jenkins Reid auf den letzten Seiten mit einer letzten großen Überraschung auf, die die Sichtweise auf das komplette Buch noch einmal zu verändern weiß.
Nach der Lektüre bleibt man etwas hilflos zurück, da es weder Fotos noch Musik im Internet zu finden gibt. Hoffnung macht allerdings die Nachricht, dass bereits eine Mini-TV-Serie in Planung ist, bei der niemand Geringeres als Reese Witherspoon die Produktionsleitung inne hat. Man darf sich also nicht nur auf Gesichter zu den Charakteren freuen, sondern auch gespannt sein, wie die zitierten Songs des Albums, das den Aufstieg und Fall von Daisy Jones and The Six verursacht und begleitet hat, umgesetzt werden. Bis es so weit ist, liest man einfach das Buch noch mal. Und noch mal. Und dann noch ein Mal. Denn es ist eines dieser Bücher, die mit jeder weiteren Lektüre neue Blickwinkel eröffnen und weitere Details offenbaren.
Fazit:
Ein Buch wie ein Sog – von der ersten Seite an wird der Leser in die fiktionale Geschichte von Daisy Jones and The Six gezogen und schafft es nur mit Mühe, sich loszureißen. Taylor Jenkins Reid versteht es, den dreckigen Glamour der Siebzigerjahre einzufangen und ihren fiktiven Künstlern so viel Leben einzuhauchen, dass man während der Lektüre öfter zum Handy greift, um nach den beschriebenen Fotos oder den entsprechenden Songs zu suchen. Ein Highlight, das in jedes Regal von Musikliebhabern gehört – auch wenn es keine echte (Auto)Biographie ist.
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