Dancing Jax – Auftakt (Robin Jarvis)

Dancing Jax – Auftakt (Robin Jarvis)

Über das Buch:

Einige Bücher sind schädlich, sogar gefährlich. Sie verdrehen einem den Kopf und geben den dunkelsten Seiten der menschlichen Seele Nahrung. Sie sollten verbannt oder vernichtet werden. Diese Geschichte handelt von solch einem Buch. Ich hoffe, es gibt noch genug von euch da draußen, die das hier lesen und mir glauben und sich zur Wehr setzen können – bevor es zu spät ist.

Ein altertümlich wirkendes und zunächst harmlos erscheinendes Buch taucht in einer englischen Kleinstadt auf und ergreift Besitz von seinen Lesern. Immer mehr Menschen werden von dem Buch befallen und zu willenlosen Charakteren der Geschichte. Der diabolische Plan des Autors scheint aufzugehen.


Rezension:

“Ich würde diesen Ort hier nicht unbedingt den Garten Eden nennen“, meinte Shiela.
“Und du bist sicher nicht Eva“, sagte Jezza geradeheraus, bevor er erneut das alte Haus betrachtete. “Und wie eine von den Ghostbusters siehst du auch nicht aus. In diesem Ding spukt’s also, ja?“
Sie zuckte mit den Schultern und schnippte etwas Asche auf den Boden.
“So was gibt es nicht“, erklärte er entschieden. “In diesem Leben sind nur echte Sachen von Bedeutung. Es gibt genug fiese reale Dinge, um die man sich Sorgen machen sollte und die einem Angst einjagen, man muss also bestimmt nicht noch mehr verrückten Kram erfinden! Die Dinge, vor denen man sich im Leben fürchten sollte, lauern hinter jeder Ecke und verstecken sich in deinem Frühstück. Denn dort gedeiht das wahre Böse am besten – direkt vor deiner Nase, wo es jeder sehen kann. […] Es ist überall. Das Böse floriert in der Keimzelle unserer Gesellschaft, nicht in leer stehenden Häusern wie dieser Schönheit hier vor uns.“
(Seite 21/22)

Es sollte nur ein ganz normaler Bruch sein, bei dem endlich einmal mehr als nur eine Handvoll Geld rausspringen sollte – als Jezza und seine Bande das ehemalige Haus von Austerly Fellows aufbrechen, um alles irgendwie Wertvolle rauszuholen und gewinnbringend zu verhökern, ahnen sie nicht, welche schlafenden Schrecken sie mit dieser Aktion wecken werden. Die Atmosphäre rund um das Haus inklusive wunderschönem und erstaunlich gut erhaltenem Gewächshaus hinterlässt einen dunklen Nachgeschmack auf der Zunge und im Haus selbst verstecken sich ungeahnte Abscheulichkeiten in wabernden Schatten. Im Keller findet die Bande mehrere Kartons, deren Inhalt harmlos erscheint: Es ist ein altes Märchenbuch für Kinder, das von den “Dancing Jacks“ erzählt. Doch Jezzas Geliebte Shiela spürt die Bedrohung, die vom Haus und auch vom Buch auszugehen scheint, und versucht, ihn davon zu überzeugen, das Grundstück schnellstmöglich zu verlassen und alles zu vergessen, was sie dort gesehen und gespürt haben. Jezza tut Shielas Argumente mit einem müden Winken ab und ist total fasziniert von diesem Buch – wie jeder andere, der später ein Exemplar zur Hand nimmt und darin blättert …

Wenn man Dancing Jax – Auftakt zum ersten Mal sieht, fällt vor allem die optische Aufmachung auf: Angelehnt an eine – für die Story eine wichtige Rolle spielende – Spielkarte ist das Cover nicht nur sehr kunstvoll gestaltet, sondern fällt auch direkt ins Auge. Der abgebildete Schädel mit der Narrenkappe zieht dem geneigten Leser jedoch auch ziemlich schnell den Zahn, dass es sich hierbei um ein harmloses und spielerisches Buch handelt. So richtig kann man nicht einschätzen, was den Leser wirklich erwarten wird, und auch nach dem Lesen ist kein eindeutiges Genre zu benennen. Mit Elementen aus allen möglichen Literaturbereichen bietet Dancing Jax – Auftakt eine unheimlich gute Mischung, die viele verschiedene Zielgruppen ansprechen dürfte. Allen voran natürlich die Fantasy-Anhänger, denn der Roman spielt zwar in der Gegenwart und in der echten Welt, bindet aber zu einem Großteil durchaus phantastische Elemente in die Geschichte ein. Mystery-Fans werden ebenfalls auf den Geschmack kommen, da vieles einfach nicht logisch zu erklären ist und seine Erklärung schließlich im Übersinnlichen finden muss – mal ganz abgesehen vom Gruselfaktor. Und nicht zuletzt werden auch die Thriller-Leser, die immer auf der Suche nach dem spannenden Kick sind, auf ihre Kosten kommen, denn auch diverse Spannungselemente finden hier ihren Platz. Verbunden mit einigen historischen Zügen, die das alte Kinderbuch mit sich bringt, und den verschiedenen Altersklassen der Charaktere ist Dancing Jax – Auftakt ein auf 544 Seiten verpacktes Zauberwerk, das von der ersten Seite an in seinen Bann ziehen kann und wohl kaum einen Leser unbefriedigt zurücklassen wird.

In rasantem Erzähltempo zieht Robin Jarvis seinen Leser schnell ins Geschehen und lässt durch unterschiedliche Perspektiven immer die Möglichkeit auf Abstand bestehen – Abstand, der vom Leser mit jeder gelesenen Zeile wieder verringert wird und letztlich sogar derart schrumpft, dass man fast das Gefühl hat, mitten im Geschehen gefangen zu sein. Sehr detailreich beschreibt der Autor viele Nebensächlichkeiten, ohne dass dies jedoch störend wirkt. Die Detailtreue gehört zur Geschichte und ohne diese Feinheiten wäre Dancing Jax sicher weniger faszinierend und fesselnd. Doch nicht nur bei der Geschichte, der Beschreibung von Orten und der Erschaffung einer unheimlich authentisch-düsteren Atmosphäre hat Jarvis sich offenkundig sehr viel Mühe gegeben, auch die Gestaltung der Charaktere muss ihn viel Zeit gekostet haben. Dass es ihm definitiv nicht an Ideen gemangelt hat, merkt man durch die Vielzahl der unterschiedlichen Personen, die jedoch jede für sich einzigartig sind. Anfänglich noch verwirrt, findet sich der Leser im Verlauf jedoch immer besser zurecht und kann bei den eingeschobenen Märchensequenzen – Auszüge aus dem alten Kinderbuch – so manches Mal schon Vermutungen darüber anstellen, welcher Charakter diese Rolle in “Dancing Jacks“ übernehmen wird. Und obwohl es hier keine klassische Aufgabe zu lösen gilt, fiebert der Leser mit – immer abwechselnd mit einem anderen Charakter, was ein schnelles Umdenken zwischen einzelnen Kapiteln erfordert und zusätzlich das Erzähltempo anstachelt.

Obwohl bei einem Verlag für junge Erwachsenen-Literatur erschienen, könnte Dancing Jax – Auftakt für Jugendliche teilweise zu umfangreich sein, leichte Unterhaltung ist dieses Buch trotz seines schnellen Erzählstils nicht. Durch die teilweise altmodische Sprache sind jugendliche Leser möglicherweise an mancher Stelle etwas überfordert, was durchaus den Lesespaß mindern kann. Erwachsene Leser hingegen werden mit diesem Buch eine innovative Unterhaltung erleben, die es in den Buchhandlungen lange nicht zu finden gab. Robin Jarvis schafft hier etwas wirklich Neues und wird, wenn er dieses Niveau in beiden Folgebänden halten kann, mit seiner Dancing Jax-Trilogie hoffentlich noch viele Leser begeistern.

Dieses Buch ist böse …
Du solltest dich ihm nicht nähern.
Du solltest nicht darüber sprechen.
Was auch immer du tust,
öffne es nicht!
(Klappentext)


Fazit:

Ein echtes, wenn auch etwas vollgepacktes Kunstwerk hat Robin Jarvis mit seinem Trilogiestart auf den Markt geworfen. Dancing Jax – Auftakt ist ein bunter Genre-Mix, der fesselt, berührt, nachdenklich macht und großartig unterhält. Sehr gut durchdachte Geschichtenstränge, eine düstere Atmosphäre, glaubwürdige Charaktere und eine angemessene, teilweise altmodisch anmutende Sprache bieten ein innovatives Gesamtpaket, das für ein spannendes Lesevergnügen sorgt. Ein unbedingtes Lesemuss für jeden Mystery-, Thriller- und Fantasy-Fan!




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3 Kommentare
  1. MacBaylie sagt:

    Hallo,

    ich war auch sehr angetan von diesem Buch. Anfangs dachte ich ja noch – oh, so viele Charaktere, ob man da nicht durcheinander kommt, aber diese Befürchtung konnte ich schnell beiseite legen, denn jede Figur erklärte sich praktisch von selbst und man wusste sofort um wen es sich handelte.

    Dass Dancing Jax ein Problem für jugendliche Leser sein könnte, denke ich nicht. Da werden die jungen Leute glaube ich öfters unterschätzt.

    Ich freue mich schon auf Teil zwei, der letzte Woche bei mir eingezogen ist, aber leider noch ein wenig warten muss.

    Liebe Grüße
    MacBaylie

    • Schattenkämpferin sagt:

      Hallo :)

      Ich bin auch sehr gespannt auf Teil 2, der nun schon seit Anfang des Jahres in der Warteschlange liegt. Vielleicht komme ich im Rahmen meiner März-Challenge endlich dazu, es zu lesen. Freue mich auf jeden Fall!

      Was die „jugendlichen Leser“ angeht, muss man wahrscheinlich sehr stark abgrenzen, weil die Altesspanne von Jugendlichen ja doch sehr groß ist. Das Buch würde ich frühstens ab 15 Jahren empfehlen, nur in Ausnahmefällen sind Leser in jüngeren Jahren im Stande, dieses umfassende Stück wirklich zu begreifen. Es ist einfach sehr komplex und erfordert viel Hineindenken, selbst für manchen Erwachsenen dürfte die eine oder andere Stelle schwierig sein.

      Grundsätzlich stimme ich Dir aber zu, dass junge Menschen in ihrer Auffassungsgabe unterschätzt oftmals werden. Wenn sie so könnten, wie sie wollen, würden sie uns wahrscheinlich alle in die Tasche stecken ;)

      Schön, dass Du hier warst, und danke für Deinen Kommentar,
      liebe Grüße,
      die Schattenkämpferin

  2. Dschuleila sagt:

    Hey!
    Schöne Rezension. Mir gings beim Lesen eigentlich auch so. Das Buch ist außergewöhnlich und ganz schön gruslig-spannend. Es hat zwar Längen (weil es eben auch anspruchsvoll ist), die aber komischerweise nicht langweilen und ich würde es keinem unter 15 in die Hand drücken. Galgenhumor und Zynismus will verstanden sein ^^.
    Ich freue mich auf jeden Fall auf Band 2!

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