Das Labyrinth der Träumenden Bücher (Walter Moers)
Knaus, 1. Auflage Oktober 2011
HC mit SU, 432 Seiten
über 100 Illustrationen
ISBN: 978-3-8135-0393-7
€ 24,99 [D] | € 25,70 [A] | CHF 35,50
Leseprobe
Genre: Fantasy
Über das Buch:
Hildegunst von Mythenmetz kehrt zurück in die »Stadt der Träumenden Bücher«
Über zweihundert Jahre ist es her, seit Buchhaim, die Stadt der Träumenden Bücher, von einem verheerenden Feuersturm zerstört worden ist. Der Augenzeuge dieser Katastrophe, Hildegunst von Mythenmetz, ist inzwischen zum größten Schriftsteller Zamoniens avanciert und erholt sich auf der Lindwurmfeste von seinem monumentalen Erfolg. Er gefällt sich im täglichen Belobhudeltwerden, als ihn eine verstörende Botschaft erreicht, die seinem Dasein endlich wieder einen Sinn gibt.
Verlockt durch einen rätselhaften Brief kehrt Hildegunst von Mythenmetz nach Buchhaim zurück. Die prächtig wiederaufgebaute Stadt ist erneut zur pulsierenden Metropole der Literatur und zum Mekka des Buchhandels geworden und wird durchströmt von Buchverrückten aller Art. Dem Rätsel auf der Spur gerät Mythenmetz, kaum hat er die Stadt betreten, in ihren abenteuerlichen Sog. Er begegnet alten Freunden wie der Schreckse Inazea Anazazi, den Buchlingen Ojahnn Golgo van Fontheweg, Dölerich Hirnfidler und Gofid Letterkerl, dem Eydeeten Hachmed Ben Kibitzer, aber auch neuen Bewohnern, Phänomenen und Wundern der Stadt, wie den mysteriösen Biblionauten, den obskuren Puppetisten und der jüngsten Attraktion Buchhaims, dem »Unsichtbaren Theater«. Dabei verirrt sich Mythenmetz immer tiefer im »Labyrinth der Träumenden Bücher«, das geheimnisvoll und unsichtbar die Geschicke Buchhaims zu bestimmen scheint. Bis er schließlich in einen unaufhaltsamen Strudel von Ereignissen gerät, der alle Abenteuer, die er je zu bestehen hatte, in jeder Hinsicht übertrifft.
Rezension:
Hildegunst von Mythenmetz hat es geschafft: Er ist gefeierter Schriftsteller und hat es zum größten Lyriker Zamoniens gebracht. Leider steigt ihm dieser Erfolg zu Kopf und er vergräbt sich in seiner Arroganz in der Lindwurmfeste vergräbt. Auf Kritiken reagiert er ziemlich allergisch, stopft sich nonstop mit Essen voll und befasst von Zeit zu Zeit sich mit seinen vielen Tonnen an Fanpost. Doch Mythenmetz selbst schreibt nicht mehr, denn ihm ist das Orm verloren gegangen. Und so verkümmert der ehemals vitale und lebensfrohe Dichter immer mehr, bis ihn schließlich ein zehnseitiger Brief aus der ledernen Grotte erreicht und erstaunliche Ähnlichkeiten mit seiner eigenen Schreibe aufweist. Schnell ist klar: Hildegunst von Mythenmetz muss herausfinden, was es mit diesem Brief auf sich hat und wer die Frechheit besitzt, seinen einzigartigen Schreibstil auf so grandiose Weise zu kopieren. Er macht sich auf den Weg zurück nach Buchhaim, um diesem Geheimnis auf die Spur zu kommen, dabei begegnet er alten Bekannten und neuen Gesichtern, erlebt neue Abenteuer und muss sich auch wieder einmal gefährlichen Situationen stellen …
Lange haben die Leser darauf gehofft und endlich, endlich war sie im Oktober 2011 da: Die Fortsetzung des vielgelesenen Meisterwerks Die Stadt der Träumenden Bücher! Der großartigen Vorgeschichte entsprechend hoch waren auch die Erwartungen, man freute sich auf neue Geschichten aus Buchhaim und die tollpatschige, aber liebeswerte Gesellschaft von Hildegunst, man sah neuen Wortspielen und beeindruckenden Zeichnungen entgegen, hoffte auf für Schmunzler sorgende Anekdoten und den Puls hochtreibende Abenteuer – kurz gesagt, man nahm das Buch in die Hand und wollte wieder eintauchen in die Welt, die einen im Vorgängerbuch so beeindruckt hatte. Und am Anfang, auf den allerersten Seiten sieht auch alles ganz danach aus, als könnte Walter Moers an diesen Erfolg anknüpfen. Einfach alles stimmt: Amüsante Charaktere, wunderschöne Zeichnungen, fast lebendige Beschreibungen. Dann die Ernüchterung. Moers vergeht sich in seitenlangen Ergüssen über Mythenmetz’ psychischen und physischen Zustand, bevor sich der Protagonist endlich bequemt, seinen Arsch aus dem Sessel zu heben und sich ein wenig zu bewegen. An dieser Stelle wird es dem Leser schon fast zu viel und mit Erschrecken stellt sich leises Unbehagen vor einem Weiterlesen ein. Doch man schließt sich Hildegunst schließlich an und kämpft sich durch die nächsten Seiten. Und kämpft. Und kämpft. Und kämpft.
Und der K(r)ampf hört nicht auf, ganz im Gegenteil – wenn es doch mal eine Szene gibt, die sich nicht über mehrere Seiten hinweg zieht und nur schleppend zu lesen ist, eine Szene, bei der man nicht sofort versucht ist, einfach weiterzublättern, dann ist diese Szene so kurz gehalten, dass man sich im Nachhinein fragt, ob diese eine gute Szene, diese wenigen wirklich unterhaltsamen und angenehm lesbaren Seiten vielleicht nur ein Produkt der eigenen, hoffnungsvollen Phantasie waren. Denn Fakt ist: Dieses Buch kommt nicht im Geringsten an den Zauber vom Vorgänger heran. Das Labyrinth der Träumenden Bücher ist zudem ein irreführender Titel, denn die gesamten 432 Seiten über ist Hildegunst von Mythenmetz lediglich auf dem Weg dorthin – das eigentliche Abenteuer soll dann in der weiteren Fortsetzung kommen, so steht’s jedenfalls im Nachwort geschrieben. Wann mit dieser zu rechnen ist, wird darin allerdings nicht erwähnt, und so kommt zu dem Unmut über das nicht sehr spannende Anfüttern auch noch ein leichtes Ärgern über noch mehr Wartezeit hinzu.
Aber Das Labyrinth der Träumenden Bücher ist nicht nur schlecht. Moers besticht wieder einmal mit seinen zauberhaften Zeichnungen, die das Buch in jedem Fall aufwerten. Auch sprachlich erkennt man eindeutig den Moers’chen Stil wieder und der ist trotz der langatmigen „Geschichte“ immer wieder ein Genuss. In seinen anderen zamonischen Büchern kennen und lieben gelernte Charaktere tauchen auf und erwärmen das Herz des Lesers ein weiteres Mal. Doch all diese Punkte können die Enttäuschung nicht aufwiegen, sodass das optisch wunderschön anzuschauende Buch am Ende mit einem schlechten Gefühl der Unbefriedigung weggelegt wird und man sich wieder anderen Büchern widmet.
Fazit:
Während namhafte Literaturmagazine und große Zeitungen scheinbar nur lobende Worte für Walter Moers’ Das Labyrinth der Träumenden Bücher finden, macht sich bei den meisten, bisher von seiner Literatur begeisterten Fans vor allem Ernüchterung und Enttäuschung breit. Seitenlanges, spannungsloses und mehr anstrengend zu lesendes als unterhaltsames Geplänkel wird schnell ermüdend, sodass man eher einschläft als vom wunderschönen Buchhaim träumt. Was genau sich Verlag und Autor bei dieser vorzeitigen und dadurch unvollständigen sowie unbefriedigenden Veröffentlichung der Fortsetzung gedacht haben, bleibt dem Leser trotz erklärendem Nachwort völlig unverständlich. Da helfen leider auch all die schönen Zeichnungen nichts – schade!
Wertung:
Handlung: 2/5
Charaktere: 3/5
Lesespaß: 1,5/5
Optische Aufmachung: 5/5
Preis/Leistung: 2/5
Zurück zu:
Alles muss versteckt sein (Wiebke Lorenz) Weiter mit:
Wir beide, irgendwann (Jay Asher & Carolyn Mackler)