Das Reich der Tränen (Janine Wilk)
Klappentext:
Immer wenn Mia Tränen in die Augen steigen, verlässt sie die Realität und findet sich im Reich der Tränen wieder – einer Welt mit blühenden Landschaften und Mias treuesten Freunden. Doch die Herrscherin dieses Reichs, Königin Zenoide, trachtet ihr nach dem Leben. Während Mia versucht, ihren Freund Goldiur aus dem Kerker der Königin zu befreien, findet sie heraus, dass das Reich der Tränen sehr eng mit ihrem wahren Leben verwoben ist – und sie sich in der Realität längst in den Fängen der bösen Königin befindet.
Eine bewegende Geschichte über die Macht der Fantasie.
Rezension:
Mia ist eine begeisterte Leserin – im Stillen ganz für sich allein. In der Schule hat sie jedoch Probleme damit, wenn sie etwas vorlesen soll, denn dann verschwimmen die Buchstaben vor ihren Augen und ihre Aufmerksamkeit auf das geschriebene Wort lässt deutlich nach. Ein ums andere Mal riskiert sie so einen Eintrag im Klassenbuch und eine Information an ihre Eltern. Das bedeutet dann auch, dass Zuhause wieder einmal Ärger auf sie wartet, denn ihre Mutter ist extrem streng und aufbrausend, obwohl es auch gute Zeiten gibt. Von ihrem Vater kann das junge Mädchen nicht mit Unterstützung rechnen, denn in seiner Firma läuft es seit Monaten schlecht, und so kommt es auch zwischen den Eheleuten immer wieder zu fiesen Auseinandersetzungen. Diese Momente sind es, in denen Mia in das Reich der Tränen flüchtet, wo sie alles Schlechte aus der Realität hinter sich lassen kann und immer wieder von ihren Freunden aufgefangen wird. Doch auch in ihrer Fantasie-Welt greift das Böse immer weiter um sich, und als ihr treuester Freund Goldiur in die Fänge der bösen Herrscherin des Königreiches gelangt, macht sich Mia auf den beschwerlichen Weg, ihn aus dem Kerker von Zenoide zu befreien. Dabei merkt sie, dass ihre Traumwelt fest mit der Realität verbunden ist und sie selbst hier nicht vor allen ihren Problemen davon laufen kann. Sie muss sich der Königen und damit auch ihren eigenen Ängsten stellen, um in beiden Welten endlich Frieden zu finden.
Wie schwierig Kinder es selbst in einem nach außen hin intakten Elternhaus haben können, wird in Das Reich der Tränen einfühlsam und unumwunden dargestellt. Auch macht Janine Wilk deutlich, dass es keine Seltenheit ist, dass Kinder sich dann in Fantasie-Welten flüchten, in welchen sie ihren Problemen der Realität entweder aus dem Weg gehen oder aber ihnen mit viel mehr Mut, als sie sich selbst zugestehen, entgegen treten. Es ist ein schwieriges Thema, das in diesem Buch zur Sprache kommt, und genauso schwierig ist auch zu sagen, für wen dieser Roman eigentlich geschrieben wurde. Als Zielgruppe wurden von Verlag Leser ab elf Jahren festgelegt, doch ist die Geschichte tatsächlich für eben diese wirklich geeignet? Schwer zu sagen, da man sich eigentlich wünscht, dass Kinder derartige Erfahrungen nicht machen müssen und dieses Gesicht der Welt nicht kennen lernen sollten. Trotzdem kann Mias Geschichte Betroffenen durchaus einen Weg aus dieser schmerzhaften Welt aufzeigen, wenn diejenigen mutig genug sind, die Geschichte auf ihr eigenes Leben zu übertragen und zu erkennen, dass sie auf Hilfe von außen angewiesen sind. Doch dann kommt wieder die Hürde, dass dort auch Hilfe bereitstehen muss, und gerade in diesen jungen Jahren des Erwachsenwerdens ist die kindliche Scheu oftmals noch zu groß, um einen Schritt in die richtige Richtung zu gehen. Erwachsenen Lesern könnten mit Mias Erfahrungen die Augen geöffnet werden, sodass sie ein wenig aufmerksamer durchs Leben gehen und vielleicht versteckte Hilferufe besser wahrnehmen können.
Janine Wilk hat sich mit ihrem Roman an ein schwieriges und heikles Thema gewagt und es in wunderschöne Worte gepackt. Welche Macht die kindliche Fantasie haben kann, beweist Mias Leben im Reich der Tränen und der Umgang ihrer dortigen Freunde mit dem jungen Mädchen. Denn dort erfährt sie eine Wertschätzung, die ihr im echten Leben leider nur viel zu wenig gegeben wird, und es wird deutlich, wie wichtig es für Heranwachsende ist, dass ihre Fähigkeiten erkannt werden. Dass nicht immer alles perfekt laufen kann, sollte wohl jedem bewusst sein, doch der Umgang mit kleinen Unzulänglichkeiten ist es oftmals, der den Ausschlag gibt, wie sich die weitere Entwicklung gestaltet. Für den Roman gibt es womöglich keine konkrete Zielgruppe, da die Thematik unter keinen Umständen eine einfache ist und man mitunter vorsichtig sein muss. Es könnte eine gute Schullektüre sein, um Schülern ein besseres Gefühl für ihre Mitschüler zu geben und ihnen Mut zu machen, eventuelle eigene Probleme im privaten Umfeld aus anderen Blickwinkeln zu betrachten. Denn was nützen all die schönen Worte und eine Mut machende Geschichte, wenn sie sich nicht auf die Realität übertragen lassen? Die Autorin zeigt Courage und vermittelt ein gutes Gespür, trotzdem muss der Roman durchaus differenziert betrachtet werden. Man kann nur hoffen, dass es für die meisten Leser nur eine schöne, wenngleich auch erschreckende Geschichte bleibt, und dass die im letzten Teil abgedruckten Rufnummern von allen anderen, möglicherweise Betroffenen genutzt werden, um aus der schlimmen Realität ausbrechen zu können, ohne sich dabei wieder in der eigenen Fantasie-Welt zu verlieren.
Fazit:
Hinter einer wunderschönen Aufmachung verbirgt sich eine einfühlsame und traurige Geschichte – in Das Reich der Tränen befasst sich Janine Wilk mit dem Kummer eines heranwachsenden Mädchens, das sich mit Schwierigkeiten im Elternhaus auseinandersetzen muss und sich immer wieder in eine Fantasy-Welt flüchtet, wenn es mal wieder Ärger gibt. Eine wunderschöne Umsetzung eines ernsten und viel zu häufigen Themas, das nicht unbedingt für die Zielgruppe ab elf Jahren geeignet ist, aber von vielen Menschen gelesen werden sollte.
Zurück zu:
Teardrop (Lauren Kate) Weiter mit:
Legend III – Berstende Sterne (Marie Lu)
eine Kommentar
Hallo :-)
eine wirklich tolle Rezi, die mir Lust auf das Buch gemacht hat :-)
Und schon wieder eins mehr auf der Wunschliste ;-)
Ich besuche deinen Blog gerne und folge dir auf facebook auch wenn ich nicht so oft kommentiere ;-)
Liebe Grüße
Claudi