Der Sog der Schwerkraft (Gae Polisner)

Der Sog der Schwerkraft (Gae Polisner)

Klappentext:

Ein Road-Trip wie das Leben – durchgeknallt und wunderschön

Nicks Vater hat sich aus dem Staub gemacht, seine Familie droht zu zerbrechen und sein bester Freund Scoot, der Freak, liegt im Sterben. Da taucht Jaycee Amato in Nicks Leben auf, das durchgeknallte Mädchen mit den Husky-Augen. Sie verspricht Scoot, ihm einen letzten Wunsch zu erfüllen, und nötigt Nick, dabei zu helfen. Und so machen sich die beiden ausgerüstet mit der Weisheit Yodas und den Geschichten von John Steinbeck auf einen Road-Trip, um Scoots unbekannten Vater zu finden. Eine schwierige und gleichzeitig wunderschöne Reise beginnt, auf der Nick reifer, reicher und weiser wird. Am Ende hat er zwar nicht Scoots Vater gefunden, dafür aber eine über den Tod hinausgehende Freundschaft und … die große Liebe.


Rezension:

Von einem Tag auf den anderen beschließt Nicks Vater, seinen übergewichtigen Hintern von der Couch zu schälen und sich auf eine Pilgerreise zu begeben. Nick findet, dass sein Dad ihn und seine Mutter im Stich lässt, und nicht nur sie, sondern auch Nicks besten Freund Scoot, der mit einer schweren Krankheit zu kämpfen hat, die ihn mittlerweile jeden Tag aus dem Leben reißen könnte. Zwar versucht sein Vater, per Mail Kontakt mit Nick zu halten, doch für Nick reicht das nicht, zumal Scoot immer einen wichtigen Pfeiler in seinem Vater hatte – denn Scoots eigener Erzeuger hat sich schon früh aus dem Staub gemacht, als sich herausstellte, dass sein Sohn eher geringe Überlebenschancen hat. Als dann plötzlich Jaycee auftaucht und Scoot ausgerechnet verspricht, ihm seinen letzten Wunsch zu erfüllen und für ihn seinen leiblichen Vater zu finden, glaubt Nick, er sei im falschen Film. Doch Jaycee lässt nicht locker, sodass Nick irgendwann einwilligt, sich mit ihr auf die Suche zu machen. Dass er an dem überdrehten Mädchen durchaus auch großen Gefallen findet, ist bei dieser Entscheidungsfindung nicht ganz irrelevant. Also stürzt sich der 15-Jährige in ein Abenteuer, das nicht nur ihn an seine Grenzen bringt und so manche Überraschung – in positiver und negativer Hinsicht – bereithält.

Heutzutage hervorstechende Jugendromane zu schreiben, die dem Leser im Gedächtnis bleiben und gut unterhalten können, ist wirklich keine leichte Aufgabe. Gae Polisner versucht ihr Bestes und spricht in Der Sog der Schwerkraft zahlreiche Themen an, mit denen man sich als Heranwachsender mehr oder minder gezwungenermaßen beschäftigen muss. Da geht es nicht nur um Liebe, sondern auch um das Verlassenwerden, um das Kennenlernen des eigenen Körpers, um Verluste und Gewinne und darum, dass man eben manchmal nicht der Superheld ist, sondern sich im unteren Drittel der sozialen Nahrungskette befindet. Besonders die Tatsache, dass die Charaktere keine überragend strahlenden Persönlichkeiten sind, macht sie so sympathisch und authentisch – auch wenn sie im Großen und Ganzen recht blass bleiben. Vor allem Protagonist Nick bewegt sich hart an der Grenze, während Scoot und Jaycee immer wieder zwischendurch ihre Glanzmomente und können mit ihrer Liebeswürdigkeit überzeugen. Leider tröstet das nur bedingt über die eher handlungsarme Geschichte hinweg, denn Nick ist größtenteils mit sich selbst beschäftigt, obwohl sein bester Freund im Sterben liegt. Möglicherweise ist dies aber auch ein lebensnaher Verteidigungsmechanismus, um sich nicht mit dem bevorstehenden Verlust befassen zu müssen, der direkt auf das Weggehen seines Vaters zu folgen droht. Zwar begeben sich Jaycee und Nick auf eine Reise, die führt allerdings nicht – wie man bei einem Road-Trip vermuten würde – quer durch Amerika, sondern nur in einen nahegelegenen Ort. Und die Fahrt mit dem Bus kann man auch nicht unbedingt als Abenteuer bezeichnen, auch wenn sich auf dem Rückweg ein kleiner Schreckmoment ereignet – den beide jedoch quasi mit einem Schulterzucken abtun und dann seelenruhig weiterschlafen.

Gae Polisners Roman hat also durchaus einige Schwachstellen und ist als Gesamtwerk nicht wirklich rund. Trotzdem können Nick und Jaycee sicherlich den einen oder anderen Leser auf ihre Seite ziehen und ihnen auf den 256 Seiten ganz annehmbare Unterhaltung liefern. Für Erwachsene ist dieser Jugendroman wahrscheinlich eher nichts und eignet sich höchstens als nette Lektüre für zwischendurch. Einzig die angesprochenen Themen könnten möglicherweise für etwas Nachhall sorgen und zumindest die anzusprechende Zielgruppe kann bestimmt den einen oder anderen Rat fürs Leben daraus ziehen. Insgesamt ist dieses Debüt ein solides Stück Literatur, das ernste und spaßige Szenen miteinander verbindet, doch viel mehr als ein wenig Zeitvertreib bleibt am Ende leider nicht übrig. Trotzdem dürfte dieser Roman nicht der letzte sein, den Gae Polisner veröffentlicht, denn die Stimmen in Amerika waren durchweg positiv und lobpreisend – vielleicht klappt das auch mit dem nächsten Roman, der ins Deutsche übersetzt wird. Potential ist vorhanden und der Grundsatz kann sich ebenfalls lesen lassen. Es bedeutet womöglich einfach nur ein bisschen mehr Arbeit, um auch den deutschen Kritiker wirklich zu überzeugen.


Fazit:

In ihrem Debütroman Der Sog der Schwerkraft greift Gae Polisner viele Themen auf, mit denen sich Heranwachsende so auseinander setzen müssen. Die authentischen, wenn auch etwas blassen Charaktere bringen dem Leser das Leben als Jugendlicher nahe, auch wenn die Geschichte selbst nicht viel Handlung mit sich bringt. Ein wirkliches Road-Movie darf man hier nicht erwarten, aber doch ein Entdecken verschiedener Wahrheiten, des eigenen Körpers, der Liebe und den Eigenheiten des Lebens. Eine nette Lektüre für zwischendurch, die nicht unbedingt konstant unterhält, aber durchaus ihre Anhänger finden kann.



|



eine Kommentar
  1. Interessant sind ja auch die Ausführungen zu dem Hutchinson-Gilford-Progeria-Syndrom, das es leider wirklich gibt. Es ist sicher eine nette Lektüre für zwischendurch und sowohl für Jungen, als auch für Mädchen geeignet.

Leave a Reply