Die statistische Wahrscheinlichkeit von Liebe auf den ersten Blick (Jennifer E. Smith)
Klappentext:
Hadley könnte sich wirklich etwas Schöneres vorstellen, als auf der Hochzeit ihres Vaters Brautjungfer zu spielen. Dass sie dann allerdings ihr Flugzeug verpasst und erst einmal auf dem überfüllten New Yorker Flughafen festsitzt, hat sie dann doch nicht gewollt. Und genauso wenig hatte sie vor, sich ausgerechnet hier unsterblich zu verlieben: in den Jungen mit den verwuschelten Haaren und dem Puderzucker auf dem Hemd, der wie sie nach London muss. Hadley bleibt genau eine Fluglänge Zeit, um sein Herz zu gewinnen.
Rezension:
Der Junge sieht aus, als wollte er noch etwas sagen, dreht sich dann aber um und zeigt auf die Speisekarte. „Weißt du schon, was du möchtest?“
Weiß ich, was ich möchte?, denkt Hadley.
Sie möchte nach Hause.
Sie möchte, dass ihr Zuhause wieder so ist wie früher.
Sie möchte überall hin, nur nicht auf die Hochzeit ihres Vaters.
Sie möchte überall sein, nur nicht auf diesem Flughafen.
Sie möchte wissen, wie er heißt.
Nach einem kurzen Moment schaut sie zu ihm auf.
„Noch nicht“, sagt sie. „Ich überlege noch.“
(Seite 32)
Hadley ist total bedient und richtig sauer. Nicht nur, dass ihr Vater seine Familie wegen seiner Assistentin Charlotte verlassen hat und auf die andere Seite des Ozeans gezogen ist, nein, jetzt hat er auch noch vor, diese neue Frau in seinem Leben zu heiraten und erwartet von Hadley, dass sie bei der Hochzeit dabei ist. Und das Schlimmste daran ist, dass ihre Mutter rein gar nichts dagegen zu haben scheint. Absichtlich trödelt sie am Morgen vor dem Abflug herum, um auf den letzten Drücker zum Flughafen zu fahren. Dass sie den Flieger jedoch tatsächlich verpasst, war eigentlich nicht geplant, und das wirft nicht nur ihren kompletten Zeitplan durcheinander, sondern setzt sie auch der beklemmenden Atmosphäre auf dem New York Airport aus. Trotzdem entschließt sie sich, die Wartezeit bis zum nächsten verfügbaren Flug nach London hier in der Wartezone zu verbringen.
Dabei lernt sie Oliver kennen, der genau wie sie nach London fliegen muss und einen Kleidersack mit einem schwarzen Anzug dabei hat, was die Vermutung nahelegt, dass auch er auf einer Hochzeit erwartet wird. Sie essen zusammen und unterhalten sich richtig gut, und wie der Zufall will, sitzen sie im Flugzeug sogar nebeneinander. Die Zeit vergeht im wahrsten Sinne des Wortes wie im Flug und kurz vor London fällt Hadley auf, dass sie keine Nummern ausgetauscht haben und sie keine Ahnung hat, wie sie Oliver danach fragen soll. Doch wie viele Hochzeiten kann es an einem Tag schon in London geben? Nach der Landung beschließt sie, das Schicksal herauszufordern, und macht sich auf die Suche nach dem Jungen, der ihr Herz während nur einer Fluglänge vollends erobert hat.
Eine wunderbar zarte Liebesgeschichte für Jugendliche (und auch Erwachsene) wird dem Leser beim Blick auf das fliederfarbene Cover suggeriert und genau diese darf auch erwartet werden, wenn man nach Die statistische Wahrscheinlichkeit von Liebe auf den ersten Blick greift. Anders als man beim Lesen vermuten würde, geht es jedoch nicht ausschließlich um den Flug von New York nach London, welcher nur ein Drittel der Geschichte ausmacht. Denn natürlich findet auch der Grund für Hadleys Londonreise, die Hochzeit ihres Vaters, Platz und spielt gar keine kleine Rolle in der Entwicklung der Geschichte. Doch das Hauptaugenmerk hat Jennifer E. Smith ganz deutlich auf Hadley und ihre Begegnung mit Oliver gelegt, was dem Leser überaus gut gefällt – die Autorin hat ein Gespür für besondere Augenblicke und der (wahrscheinlich überwiegend weibliche) Leser kann sich dadurch gut in die junge Erwachsene versetzen. Es ist aufregend, der Liebe an einem völlig unerwarteten Ort und in einer eigentlich unmöglichen Situation zu begegnen und nicht zu wissen, wie es weitergehen soll. In Die statistische Wahrscheinlichkeit von Liebe auf den ersten Blick passiert genau das Unmögliche, das sich jeder von uns irgendwie wünscht, und obwohl es einem unrealistisch vorkommt, will man trotzdem daran glauben, dass es passieren kann.
Dass die Geschichte um Hadley und Oliver auch einen leicht bitteren Beigeschmack hat, der sich erst im Laufe des Buches offenbart, tut dem Lesegenuss keinen Abbruch, sondern unterstützt ihn noch zusätzlich. Man fiebert richtig mit und kann Hadleys Gedanken sehr gut nachvollziehen – auch die beschlossene Abneigung gegenüber Charlotte, der zukünftigen Frau ihres Vaters. Dass ausgerechnet diese Frau für Hadley und ihre Suche nach Oliver eine wichtige Rolle übernimmt, ist für den erfahrenen Leser wenig überraschend, aber trotzdem eine schöne Sache, die einen lächeln lässt. Überhaupt entlockt Die statistische Wahrscheinlichkeit von Liebe auf den ersten Blick dem Leser öfter mal ein kleines Lächeln und möglicherweise auch einen sehnsüchtigen Seufzer. Und am Ende des Buches kommt man nicht umhin, sich zu wünschen, dass die Geschichte noch weitergeht und man Hadley auf ihrem weiteren Weg begleiten kann. Potential für eine Fortsetzung ist in jedem Fall gegeben, aber wirklich darauf hoffen möchte man nicht – schließlich gibt es Geschichten, deren weiterer Verlauf lieber unerzählt bleibt und nur in den Köpfen der LeserInnen stattfinden sollte.
Trotzdem: Solche (Jugend)Literatur darf gerne öfter in den Regalen zu finden sein, denn hier finden nicht nur junge Menschen, sondern auch Erwachsene definitiven Lesegenuss der leichten und unterhaltsamen Art.
Fazit:
Die statistische Wahrscheinlichkeit von Liebe auf den ersten Blick ist eines dieser klassischen Bücher, die während des Lesens zum Träumen einladen und bei denen man sich nach der Lektüre fragt, wie man selbst in einer solchen Situation handeln würde. Und obwohl der Zufall und das Schicksal in dieser Geschichte von Jennifer E. Smith teilweise ein bisschen zu dick auftragen, bleibt man als Leser gesättigt und befriedigt zurück – rundum zufrieden gestellt von Grundidee, Geschichte, Charakteren und Atmosphäre.
Zurück zu:
Escape (Jennifer Rush) Weiter mit:
Blinde Vögel (Ursula Poznanski)