Ein ganzes halbes Jahr (Jojo Moyes)

Ein ganzes halbes Jahr (Jojo Moyes)

Klappentext:

Louisa Clark weiß, dass nicht viele in ihrer Heimatstadt ihren etwas schrägen Modegeschmack teilen. Sie weiß, dass sie gerne in dem kleinen Café arbeitet und dass sie ihren Freund Patrick eigentlich nicht liebt.
Sie weiß nicht, dass sie schon bald ihren Job verlieren wird – und wie tief das Loch ist, in das sie dann fällt.

Will Traynor weiß, dass es nie wieder so sein wird wie vor dem Unfall. Und er weiß, dass er dieses neue Leben nicht führen will.
Er weiß nicht, dass er schon bald Lou begegnen wird.

Eine Frau und ein Mann.
Eine Liebesgeschichte, anders als alle anderen.
Die Liebesgeschichte von Lou und Will.


Rezension:

Ich hatte hundertsiebzehn Tage, um Will Traynor davon zu überzeugen, dass es sich lohnte weiterzuleben.
(Seite 198)

Als das kleine Café, in dem Lou den Großteil ihres Arbeitslebens verbracht hat, geschlossen wird, ist es für sie schwierig, eine neue Anstellung zu finden, mit der sie auch glücklich ist. Denn Lou ist eigen in ihrem Kleidungsstil und in ihrer Denkweise. Wegziehen kommt für sie nicht in Frage, denn auch wenn ihre Familie sie oft in den Wahnsinn treibt, kann sie sich nicht vorstellen, sie zu verlassen. Deshalb bemüht sie sich um Arbeit in der Gegend, was sich als enorm anstrengend erweist. Nach einigen gescheiterten Versuchen hat Lou schließlich ein Bewerbungsgespräch im Hause Traynor, wo sie sich als Pflegekraft vorstellt. Ihre Mutter steckt sie in ein viel zu enges Kostüm, sodass Lou sich völlig unwohl fühlt und eher ver- aus gut gekleidet vorkommt. Entgegen aller Erwartungen bekommt sie die Stelle und ahnt nicht, wie sehr dieser Job nicht nur ihr Leben verändern wird.
Denn sie soll den Sohn Will betreuen, der seit einem schweren Unfall an einen speziellen Rollstuhl gefesselt ist und als Tetraplegiker eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung benötigt. Doch Lou erfährt bei ihrer Einstellung nicht alle Hintergrundinformationen und als sie schließlich die Wahrheit herausfindet, ist es eigentlich längst zu spät, um noch auszusteigen. Also fasst Lou einen Entschluss und setzt alles daran, Wills stark eingeschränktes Leben schöner und lebenswerter zu gestalten – mit allen Mitteln, die ihr dafür zur Verfügung stehen, und über ihre eigenen Grenzen hinaus.

Jojo Moyes’ neuer Roman schlägt ein wie eine Bombe – in jedem Land, in dem Ein ganzes halbes Jahr erschienen ist, wurde das Buch in den höchsten Tönen gelobt. Auch die deutschen Kritiker sind sich einig, dass es sich bei diesem Roman um ein besonderes Stück der Gegenwartsliteratur handelt. Und tatsächlich verspricht die Geschichte, die sehr stark an Ziemlich beste Freunde erinnert und doch ganz anders ist, Unterhaltung auf einer besonderen Ebene. Der Leser bekommt hier ein Komplett-Paket geboten: Tiefe Emotionen, bodenlose Abgründe, guten Humor, liebeswerte Charaktere und ein Setting, das in einer wunderbaren Gegend angesiedelt ist. Die Geschichte von Lou und Will ist jedoch bei Weitem nicht nur eine Liebesgeschichte, sie erzählt auch von der Tristesse eingefahrener Leben, vom Mut zur Veränderung, von der Schwierigkeit des familiären Zusammenlebens, vom Festhalten und vom Loslassen und davon, dass es manchmal nur einen einzigen Menschen braucht, um uns wachzurütteln und zu einem anderen Menschen werden zu lassen. Die Geschichte von Lou und Will ist auch keines dieser klassisch-kitschigen Liebesdramen, sondern verbindet laute und leise Töne zu einer ganz eigenen Melodie, die den Leser mitreißt, aber nicht völlig einlullt. Als Leser hat man trotz der Tiefe und trotz der Erzählperspektive aus überwiegend Lous Sicht immer das Gefühl, tatsächlich nur eine Geschichte zu lesen – aber eben eine, die aus dem wahren Leben direkt in der Nachbarschaft tatsächlich passieren könnte. Und irgendwie ist man trotzdem mitten im Geschehen, leidet mit Lou, grübelt mit ihr über neuen Ideen und Möglichkeiten, versteht andererseits aber auch Wills Position und kann seinen Wunsch, seine Entscheidung nachvollziehen. Die Charaktere sind derart authentisch dargestellt in ihrem ganzen Wesen, dass es schwierig ist, sich ihrem Charme zu entziehen.

Was sicherlich auf sehr unterschiedliche Meinungen stoßen wird, ist in jedem Fall das Ende, welches Jojo Moyes erstaunlich gekonnt gestaltet hat. Denn möglicherweise ist es nicht unbedingt das Ende, das man erwarten würde, aber trotzdem eines, das akzeptiert werden kann, weil es – wie der Rest der Geschichte – unheimlich realitätsnah und nachvollziehbar ist. Man muss der Autorin hier hoch anrechnen, dass sie nicht auf Teufel komm raus mit ihren Möglichkeiten gespielt hat, sondern ihrem Stil und ihrer Story treu geblieben ist. Auch das ist ein Grund, warum sich Ein ganzes halbes Jahr im Kopf festsetzt und zu einer echten Leseempfehlung wird. Weil man als Leser einfach irgendwann die Nase voll davon hat, künstlich geschönte Geschichten zu lesen und völlig unpassende Enden vorgesetzt zu bekommen. Jojo Moyes schafft es, mit ihrem Roman ein Zeichen zu setzen, das auf viele Arten interpretiert werden kann und sollte.

Er lächelte. Es klingt vielleicht ein bisschen komisch, aber Will lächelte so selten, dass mir beinahe ein bisschen schwindelig wurde vor Stolz, weil ich ihn dazu gebracht hatte.
(Seite 143)


Fazit:

Ein ganzes halbes Jahr ist eine Liebesgeschichte der besonderen Art, die auf gleiche Weise berührt und unterhält. Mit ihren sehr eigenen und gerade dadurch authentischen Charakteren kann Jojo Moyes eine enge Bindung zum Leser herstellen, obwohl dieser trotz der verschiedenen Ich-Perspektiven doch einen gewissen Abstand halten kann. Dieser Roman zeigt, dass es immer einen Weg geben kann, aber auch, dass das Leben nach seinen ganz eigenen Regeln spielt. Eine klare Leseempfehlung, aber kein Lesemuss.



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6 Kommentare
  1. Nana sagt:

    Tolle Rezension :)
    Ich les es auch gerade.. :)

  2. ClauDia sagt:

    Danke für die tolle Rezi! ich will/muss es immer noch lesen und es steht ganz oben auf meiner WuLi:
    Schönen Restsonntag und liebe Grüße
    Claudia

  3. ClauDia sagt:

    wenn ich das jetzt so lese… es ist unbedingt ein Lese_MUSS. Finde ich jedenfalls, und ein Buch, das wiedergelesen werden wird, jedenfalls von mir, denn beim ersten Mal hab ich zu gierig gelesen, in einem Rutsch, an einem Nachmittag :)
    Aber gut, dass Geschmäcker verschieden sind :)
    LG Claudia

    • Schattenkämpferin sagt:

      Ich lese dann lieber ihr neues Buch ;) „Ein ganzes halbes Jahr“ habe ich nach dem Lesen verlost – so freut sich jemand anderes drüber :)

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