Erebos (Ursula Poznanski)
Über das Buch:
In einer Londoner Schule wird ein Computerspiel herumgereicht – Erebos. Wer es startet, kommt nicht mehr davon los. Dabei sind die Regeln äußerst streng: Jeder hat nur eine Chance. Er darf mit niemandem darüber reden und muss immer allein spielen. Und wer gegen die Regeln verstößt oder seine Aufgaben nicht erfüllt, fliegt raus und kann Erebos auch nicht mehr starten.
Erebos lässt Fiktion und Wirklichkeit auf irritierende Weise verschwimmen: Die Aufgaben, die das Spiel stellt, müssen in der realen Welt ausgeführt werden.
Auch Nick ist süchtig nach Erebos – bis es ihm befiehlt, einen Menschen umzubringen …
Rezension:
Als an Nicks Schule geheimnisvolle CDs rumgereicht werden und sich so mancher Mitschüler von einem Tag auf den anderen völlig verändert, darunter auch sein bester Freund, wird Nicks Neugier geweckt. Unbedingt möchte er wissen, was es mit diesen Silberscheiben auf sich hat, was die anderen so in den Bann zieht und warum alle ein solches Geheimnis daraus machen. Und endlich ist es soweit, auch ihm wird im Vertrauen eine kleine Box in die Hand gedrückt, nachdem er sich ungeduldig und leichtfertig dazu bereit erklärt hat, die Regeln gewissenhaft zu befolgen. Noch ahnt er nicht, dass das Spiel sein Leben und das anderer Personen ändern wird. Von einem Moment auf den anderen ist er mittendrin – Erebos nimmt ihn genauso gefangen, wie er es vorher bei einigen Mitschülern gesehen hat. Das Spiel braucht zwar ewig zum Installieren und Laden, doch als es endlich los geht, blendet Nick alles andere aus. Level um Level peitscht er seinen Spielcharakter nach oben, erfüllt Aufgaben jeder Art, fechtet Kämpfe aus, versinkt völlig im Spiel – bis ihm ein Auftrag erteilt wird, der ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen könnte, und den er aus genau diesem Grund nicht so ausführen möchte, wie von ihm verlangt wird.
Der Versuch, das Spiel auszutricksen, scheitert und Nick findet sich quasi auf der Straße wieder – ein neuerliches Einloggen ins Spiel funktioniert nicht, auch eine Neuinstallation bringt nicht den gewünschten Erfolg. Nick ist verzweifelt, denn in wenigen Tagen steht ein wichtiger Spieltermin an, bei dem er unbedingt dabei sein muss. Doch alle Versuche nützen nichts, denn die Regeln besagen ganz klar: Wer einmal draußen ist, für den gibt es keinen Weg zurück ins Spiel. Über ihm nicht ganz unliebsame Umwege findet er schließlich zumindest eine Möglichkeit, dem Spiel weiterhin beizuwohnen, auch wenn sein eigener Charakter nicht mehr aktiv dabei sein kann. Doch aus der Leidenschaft für Erebos gerissen, wird ihm schnell klar, dass das Spiel mehr als gefährlich ist – gemeinsam mit neuen Freunden entschlüsselt er die Zusammenhänge der einzelnen Aufgaben verschiedener Spielteilnehmer und kommt einer unglaublichen Geschichte auf die Spur. Kann der große finale Auftrag durch ihn und seine Gruppe verhindert werden? Oder schafft Erebos das, wofür es erschaffen wurde?
Ein Computerspiel, das die wahre Welt aktiv beeinflusst und seine Spieler mit echten Aufgaben betraut, die in der realen Umgebung erfüllt werden müssen – mit Erebos hat Ursula Poznanski eine Welt geschaffen, die gleichermaßen mit realistischen und phantastischen Elementen auffahren und überzeugen kann. Die dargestellte Welt wird dem Leser langsam und ausführlich vorgeführt, die Spielsequenzen sind in passender Gegenwart beschrieben, während die Geschichte außerhalb des Spiels durch Erzählung in der Vergangenheitsform klar abgegrenzt wird. Zwar wirken die einzelnen Ausflüge ins Spiel immer irgendwie gleich, trotzdem fühlt es sich für den Leser fast so an, als würde er selbst Teil des Spiels sein. Mehr als einmal juckt es in den Fingern, das Buch beiseite zu legen, Nick vom Computerstuhl zu zerren und sich selbst vor der Tastatur zu platzieren und Erebos zu entdecken. Dass man sich als Außenstehender dabei immer der vorhandenen Gefahr bewusst ist, tut der Neugier keinen Abbruch – atmosphärisch dicht gelingt es der Autorin unheimlich gut, dem Leser ein Mittendrin-Gefühl zu geben. Da sieht man auch gern über teils recht langwierige Laufpassagen innerhalb des Spiels hinweg, die ihren Zweck als füllender Platzhalter ganz gut meistern, rein für den Spannungsbogen jedoch auch gern hätten weggelassen werden können.
Bezeichnend passend sind auch die authentischen Darstellungen der verschiedenen Charaktere. Während Nick anfangs noch völlig gegen das Spiel ist und nur langsam dem Sog folgt, werden andere sofort mitgerissen. Und wieder andere können ohne Probleme standhalten, da sie das „Böse“ des Spiels durchschauen und schicken sich an, gegen Erebos vorzugehen. Wie im echten Leben gestaltet Ursula Poznanski ihre Protagonisten vielseitig und dürfte damit noch jede Zielgruppe in irgendeiner Art und Weise ansprechen. Einzig die Auflösung und das konkrete Ende wollen nicht so recht ins Bild passen, hier geht es dann doch ein bisschen zu sehr in Richtung Realität, auch wenn die Idee hinter dem Spiel wirklich grandios ist. Mit einem leisen Gefühl der Unzufriedenheit bleibt man als Leser zurück, obwohl man sich bestens unterhalten fühlte, doch man kann auch nicht sagen, welches Ende ein wirklich gutes gewesen wäre – wahrscheinlich gar keines. Erebos hätte gerne immer und immer weiter gehen können. Sowohl das Spiel als auch das Buch.
Fazit:
Ein Jugendbuch, das nicht nur für Jugendliche genügend Nervenkitzel bereit hält: Erebos ist ein spannungsgeladener Thriller mit ausreichend Fantasy- und Science Fiction-Komponenten, um auch Anhänger dieser Genre genügend zu unterhalten. Selbst Fans von nicht überzogenen Liebesgeschichten kommen zumindest teilweise auf ihre Kosten. Ein Rundumpaket und ein wichtiges Buch, das ohne erhobenen Zeigefinger die Gefahren der neumodernen Technik aufzeigt.
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