Es wird keine Helden geben (Anna Seidl)

Es wird keine Helden geben (Anna Seidl)

Klappentext:

Berührend, fesselnd, unfassbar: Wenn nichts mehr ist, wie es war. Kurz, nachdem es zur Pause geläutet hat, hört Miriam einen Schuss. Zunächst versteht niemand, was eigentlich passiert ist, aber dann herrschen Chaos und nackte Angst. Matias, ein Schüler aus ihrer Parallelklasse, schießt um sich. Auch Miriams Freund Tobi wird tödlich getroffen. Miriam überlebt – aber sie fragt sich, ob das Leben ohne Tobi und mit den ständig wiederkehrenden Albträumen überhaupt noch einen Sinn hat. Waren sie und ihre Mitschüler Schuld an der Katastrophe?

Das großartige Debüt von Anna Seidl, die erst 16 Jahre alt war, als sie diese aufwühlende Geschichte geschrieben hat: eine intensive Auseinandersetzung mit den Folgen eines Amoklaufs für die Überlebenden, mit Schuld und Trauer, schonungslos erzählt.


Rezension:

Es ist seltsam. Man sollte meinen, dass er rennt, es eilig hat. So ist es nicht. Seelenruhig und in gleichmäßigen Abständen hört man seine Schuhe auf dem Boden hallen. Fast so, als würde er nur zum Physiksaal gehen. Und nicht verängstigten Menschen das Tor zum Himmel freischießen. Oder zur Hölle. Oder zum Nichts.
(Seite 10)

Miriam denkt sich an diesem Morgen nichts Schlimmes, als sie wie immer eher widerwillig aufsteht, sich für die Schule fertig macht und schließlich im Unterricht sitzt. Doch dann hört sie plötzlich einen Schuss und um sie herum bricht unglaubliche Panik aus – ein Mitschüler schießt scheinbar wahllos um sich. Gemeinsam mit ihrer besten Freundin macht sie sich auf die Suche nach einem geeigneten Versteck, wo der Schütze Matias sie nicht finden kann, und als endlich ein wenig Ruhe einzukehren scheint, wagt sie einen Blick nach draußen, wo sie jedoch auf einmal genau demjenigen gegenüber steht, vor dem sie fliehen wollte. In letzter Sekunde kommt sie mit dem Leben davon, doch von diesem Augenblick an ist nichts mehr, wie es vorher war. Ihr Freund stirbt, ihre besten Freundinnen verändern sich komplett und Miriam weiß nichts mehr mit sich anzufangen. Irgendwie zweifelt sie nach dieser Erfahrung an allem und vor allem daran, dass sie glücklich sein darf. In ihrem Kopf beginnt ein Kreislauf aus Angst, Alpträumen und Schuld, denn wie viel haben sie und ihre Freunde zu der Entwicklung dieser Situation beigetragen?

Das Amoklauf-Thema wird seit einiger Zeit oft als Grundlage für erzählende Romane genutzt, was auf Grund der immer häufiger in den Nachrichten auftauchenden Schlagzeilen über eben solche auch nachvollziehbar ist. Jedes Buch zu dieser Thematik ist sehr eigen, obwohl sich fast alle mit der gleichen Sicht befassen. Anna Seidl hat in Es wird keine Helden geben die Sicht einer beteiligten Person aufgegriffen, die sich nach dem Amoklauf mit verschiedenen aufgeworfenen Fragen beschäftigt – Schuld, Freundschaft, Liebe, Vertrauen, Familie, Angst und mit der Frage, ob man durch nur ein wenig abgewandeltes Verhalten vielleicht alles hätte verhindern können. Dadurch, dass die Geschichte sich vor allem mit der Zeit danach befasst, bekommt der Leser einen klaren Einblick in die verwirrten Gedanken, die ein solches Erlebnis auslösen kann. Gemeinsam mit Miriam versucht der Leser, die Frage nach der Schuld zu beantworten und einen Sinn darin zu finden, dass man selbst überlebt hat, der eigene Freund im Nachgang gestorben ist und dass man untätig dabei stand und nicht gehandelt hat. Leider dreht sich vieles immer wieder um dieselben Fragen, sodass es zeitweise ein wenig anstrengend wird, den Gedankengängen wieder und wieder zu folgen, da sich nichts an ihnen ändert und es nicht voran zu gehen scheint. Das ist etwas mühselig und wirkt manchmal fast so, als wolle die Autorin bewusst ein paar Seiten mehr befüllen, ohne dass das nochmalige Durchkauen einen Sinn ergibt.

Im Großen und Ganzen bleibt Es wird keine Helden geben allerdings eher mittelmäßig, da weder die Story noch die Sprache noch die Charaktere oder deren Entwicklung und Gedanken wirklich überzeugen können. Ob das dem Thema oder dem jungen Alter der Autorin geschuldet ist, kann nicht klar eingeschätzt werden. Hier bleibt wohl abzuwarten, ob und was man zukünftig noch aus ihrer Feder zu lesen bekommen wird. Anna Seidl ist trotz einiger Schwachstellen doch ein lesenswertes Buch gelungen, das tatsächlich auch an manchen Stellen mit wunderbaren Satzkonstruktionen verzaubern kann. Möglicherweise ist die Amoklauf-Thematik für einen Erstlingsroman doch ein wenig zu anspruchsvoll, obwohl die Gedanken der jugendlichen Protagonisten gut nachvollziehbar sind. Nur eben nicht allzu besonders oder individuell verpackt – die meisten Vielleser werden das Buch innerhalb von wenigen Stunden gelesen haben und trotz des Themas ohne viele weitere Gedanken beiseite legen. Einige wenige jedoch dürften mit dem Nachhall der Geschichte zu kämpfen haben, denn die eine oder andere versteckte Botschaft bleibt doch haften und regt vor allem nach Beendigung des Buches doch so manchen Gedankengang an.

Leben ist schwer. Weil du manchmal dabei stirbst. Und dann wirst du ein komplett neuer Mensch. Ein Mensch, der dir selbst völlig fremd ist. Ein Mensch, den du noch nicht mal selbst ausstehen kannst.
(Seite 32)


Fazit:

Es wird keine Helden geben ist ein Buch von vielen, das sich mit dem Amoklauf-Thema befasst. Anna Seidl greift hier vor allem die Gedanken einer Überlebenden auf, die sich anschließend viel mit dem Thema Schuld auseinander setzen und mit anschauen muss, wie sich in ihrem Umfeld alle verändern. So richtig überzeugen kann die junge Autorin mit ihrem Debüt zwar nicht, lesenswert ist dieser Roman trotzdem auf die eine oder andere Weise. Vor allem als Schullektüre sollte er ein wenig enger ins Auge gefasst werden.



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