Imago (Isabel Abedi)

Imago (Isabel Abedi)

Klappentext:

Wanja liebt sie – diese Minuten vor Mitternacht, kurz bevor auf ihrem Radiowecker alle vier Ziffern auf einmal wegkippen und eine ganz neue Zeit erscheint. Doch heute um Mitternacht verändert sich nicht nur das Datum für Wanja. Sie bekommt eine geheimnisvolle Einladung zu der Ausstellung Vaterbilder. Und damit einen Schlüssel, der die Tür zu einer anderen Welt öffnet: in das Land Imago.


Rezension:

Taro ließ sich im Schneidersitz nieder, Wanja und Mischa taten es ihm nach. Keiner sprach.
Stille kann peinlich sein, drückend, verbissen oder unheimlich. Stille kann Stillstand bedeuten, wie bei Menschen, die sich nichts mehr zu sagen haben, oder sie kann durch Einsamkeit entstehen, wie bei Menschen, die niemanden mehr haben, dem sie etwas sagen können. Die Stille, die Wanja hier umgab, hatte nichts von alledem. Es war die seltene Form der Stille, die groß und vollkommen ist und die noch reicher wird, wenn man sie mit Menschen teilt, die einem nahe sind.
(Seite 173)

Wanja kennt ihren Vater nicht; jegliche Versuche, von ihrer Mutter oder Großmutter irgendwelche Informationen über ihn zu erhalten, werden im Keim erstickt. Bisher hat sie das nicht wirklich gestört, doch die Einladung zur Ausstellung Vaterbilder weckt immer neue Fragen in ihr. Die Ausstellung ist nur für geladene Gäste, bei denen es sich ausschließlich um Jugendliche handelt. Das Besondere an den Vaterbildern ist, dass die Bilder immer nur auf einen Jugendlichen eine spezielle Wirkung haben – die Kinder fühlen sich angezogen und gelangen bei der Berührung „ihres“ Bildes in eine andere Welt, in der zumindest die Zeit anders tickt.

Beim ersten Besuch der Ausstellung lernt Wanja den Jungen Mischa kennen, der mit ihr auf dieselbe Schule geht, mit dem sie bisher aber nie ein Wort gewechselt hat. Da sich die beiden vom gleichen Bild angesprochen fühlen, finden sie sich in der Parallelwelt wieder. Es ist schnell klar, dass ihre Geschichte zwingend zusammenhängt, und aufmerksamen Lesern wird auch früh bewusst, in welcher Beziehung beide am Ende des Buches stehen werden.
In der Parallelwelt treffen sie auf den Zirkus Anima, der eine tolle Hintergrundkulisse für die erzählte Geschichte darstellt. Schausteller Taro wird zur Schlüsselfigur für die Suche nach Antworten in sich selbst; er weckt in beiden Jugendlichen eine Seite, die bisher noch keiner gesehen hat. Mit jedem Besuch vertieft sich die bereits anfangs intensive Beziehung zwischen den dreien, und man fürchtet sich schon vor dem großen Abschied, der sich natürlich nicht vermeiden lässt, wenn Wanja und Mischa am Ende gefunden haben, was sie in Imago suchten.

Isabel Abedi gestaltet ihre Charaktere sehr lebendig und detailgetreu. In Wanja erkennt man sich selbst wieder, wie man als junges Mädchen war; und Mischa verkörpert den Typ jungen Mann, von dem man sich damals naserümpfend weggedreht hat. Auch die anderen Charaktere, wie zum Beispiel Wanjas Mutter Jo und deren beste Freundin Flora, die drei verbleibenden Mädels der Mädchenclique Britta, Sue und Tina, und auch die Eltern der anderen Ausstellungsbesucher sind so lebensecht, dass sie glatt dem wahren Leben entstanden sein könnten.

Sprachlich hält sich die Autorin in einem für Jugendromane passenden Schreibstil auf, es gibt keine langen und komplizierten Sätze und die wörtliche Rede kommt der echten Jugendsprache unheimlich nahe. Auf Grund der relativ kleinen Schrift wird dem Leser mehr geboten, als die knapp 400 Seiten anfangs weismachen wollen. Einzig die Covergestaltung, die in ihrer Schlichte besticht, passt nicht ganz zum Inhalt – denn obwohl in der Story von einem roten Rahmen die Rede ist, ziert das Cover ein gelber Bilderrahmen.


Fazit:

Mit Imago hat Isabel Abedi ihre Stellung als erfolgreiche Kinderbuchautorin auf den Bereich des Jugendromans ausgeweitet. Wanjas und Mischas Suche nach ihrem Vater ist nicht nur eine Geschichte für Jugendliche, sondern zieht auch Erwachsene in ihren Bann.




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