In all seinen Farben (George Lester)
Klappentext:
In Robin Coopers Leben läuft gerade nichts, wie es sollte: Während sich alle anderen schon aufs College vorbereiten, häufen sich bei ihm die Absagen. Für Robin bricht eine Welt zusammen, als sein großer Traum von der Schauspielschule zerplatzt und er plötzlich ohne Plan für die Zukunft dasteht. Und dann ist da auch noch die Sache mit seinem Freund Connor, der sich nicht offen zu ihm bekennt. Alles ganz schön kompliziert! Doch als ihn seine Clique an seinem 18. Geburtstag in eine Drag Show schleppt, realisiert Robin, dass das Leben manchmal ganz eigene Pläne macht …
Rezension:
Seit Jahren steht Robin für sein Leben gern auf der Bühne und verwandelt sich in andere Personen. Als sein großer Traum, auf einer renommierten Schauspielschule lernen zu dürfen, durch eine Absage allerdings platzt, weiß er mit einem Mal nicht mehr, wohin mit sich. Trotz all des Zuspruchs seiner Mutter und seinen engsten Freunden hat er plötzlich kein Ziel mehr vor Augen. Zur Aufmunterung schleppen ihn seine Freunde anlässlich seines 18. Geburtstags in eine Dragshow, und inmitten all der bunten Farben und des schillernden Lichts wird Robin klar, dass es verschiedene Arten gibt, eine Bühne zu erobern. Während seine fast fanatisch anmutende Begeisterung und sein Wille, genau das auszuprobieren, anfänglich auf Schmunzeln in seinem Umfeld trifft, wendet sich das Blatt recht schnell, als Robin darüber vergisst, dass auch seine Freunde mit ihren Problemen zu tun haben. Und dann ist da auch noch Connor, mit dem es jedes Mal unglaublich aufregend ist, der aber nicht offen zu seiner Sexualität steht und zudem mit einer Clique rumhängt, die Robin das Leben jeden Tag schwer macht …
Auf seltsame Weise fühlt sich das wie eine Lebensmetapher an. Alles sieht total verkehrt aus und so, als würde es gleich auseinanderfallen, aber das stimmt nicht, denn eigentlich ist es nur noch nicht abgeschlossen. Es ist kein Chaos, sondern eine fortlaufende Entwicklung.
(Seite 289)
Queere Jugendbücher, noch dazu von Own Voice-Autor*innen, sind trotz der Aktualität immer noch rar gesät. Umso schöner ist es, wenn man dann als Leser zu einem Titel greift, der nicht nur durch sein Cover verzaubert, sondern auch mit dem Inhalt überzeugen kann. George Lester, der selbst als Dragqueen agiert, greift in seinem Debüt ein Thema auf, das direkt aus seinem Leben gegriffen wurde, und schafft es dabei, die fast ausschließlich diversen Charaktere auf eine Art zu zeichnen, dass man sich einfach in sie verlieben muss. Auf geschickte Weise bindet er nicht nur Homosexualität und Drag in seine Geschichte ein, sondern spielt auch mit anderen Komponenten der LGBTQ+-Szene, ohne dass ein Gefühl über Überladenheit oder Überkompensation aufkommt. Die Schwierigkeiten, die jeder einzelne Charakter durchlebt – oder auch durchkämpft – und dabei auf Unterstützung seines Umfelds zählen kann, sind authentisch dargestellt und machen die Persönlichkeiten noch greifbarer.
Gelungen sind auch Querverweise auf TV-Sendungen, die von der entsprechenden Szene und ihren Unterstützern gefeiert werden, sowie der Zwiespalt von außenstehenden, binären Menschen mit queeren Personen in ihrem Freundeskreis oder der Familie. Zu keiner Zeit wird der Zeigefinger erhoben und auf belehrende Art erzählt. Vielmehr gelingt es George Lester, seinen Protagonisten tatsächlich In all seinen Farben strahlen zulassen – mit allen Zweifeln, Hoffnungen und Rückschlägen. Obwohl man dank des Klappentextes von einer 0815-Story ausgehen könnte, erwartet den Leser in diesem Buch eine sehr vielseitige Welt und ein Feuerwerk aus zwischenmenschlichen Beziehungen, Emotionen und Lebensechtheit. Man leidet und freut sich mit Robin, kann seine Aufregung und Niedergeschlagenheit fast im eigenen Herz fühlen und ist mit jeder Seite gespannt, was als Nächstes passieren wird.
Trotz des ernsten Grundthemas ist In all seinen Farben ein Wohlfühlbuch, das den Leser von der ersten bis zur letzten Seite abholt und irgendwie auch einbezieht. Schockmomente, schwierige Situationen und Selbstfindung gehen hier Hand in Hand mit Freundschaft, Rückhalt und dem Mut, auf sein Herz zu hören und etwas Neues auszuprobieren. Es sollte viel mehr solcher Bücher geben – Coming of Age-Geschichten mitten aus dem queeren Leben mit all seinen Höhen und Tiefen, die den Blick von Außenstehenden schärfen und ein Gefühl von Verständnis wecken.
Fazit:
In all seinen Farben ist eines dieser Bücher, die man unbedingt auf der großen Leinwand sehen möchte – George Lester versteht es, sicherlich auch durch eigene Erfahrungen, seinen Charakteren authentisches Leben einzuhauchen und eine Geschichte zu erzählen, die aus dem echten Leben gegriffen ist und direkt um die Ecke des Lesers geschehen könnte. Eine klare Leseempfehlung für Fans von diverser Literatur und all jene, die sich langsam an das Thema herantasten möchten.
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