Kaleidra – Wer das Dunkel ruft (Kira Licht)

Kaleidra – Wer das Dunkel ruft (Kira Licht)

Klappentext:

Wenn die 17-jährige Emilia eines liebt, dann sind es Rätsel. Als sie bei einem Museumsbesuch das sagenumwobene Voynich-Manuskript lesen kann, spürt sie, dass sie einem unglaublichen Mysterium auf der Spur ist – denn das Dokument gilt als eines der größten, nie entschlüsselten Geheimnisse der Menschheit. Dann trifft sie auf den attraktiven, aber sehr verschlossenen Goldalchemisten Ben, und die Ereignisse überschlagen sich: Emilia ist eine Nachfahrin des uralten Silberordens! Schnell gerät sie ins Kreuzfeuer rivalisierender Geheimlogen, und ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt …


Rezension:

Wir waren zwei Naturgewalten, die aufeinander zurasten.
Wir waren zu groß für diesen Raum. Wir waren zu mächtig, um Feinde zu sein.
Wir waren dafür gemacht, Seite an Seite die Welt aus ihren Angeln zu reißen.
(Seite 349)

Bei einem Museumsbesuch während der letzten Tage als Abiturientin stellt die 17-jährige Emilia fest, dass sie in der Lage ist, das geheimnisvolle und raffiniert verschlüsselte Voynich-Manuskript zu lesen. Als großer Fan von naturwissenschaftlichen Rätseln kann sie ihre Neugier nicht zügeln und trifft bei einem weiteren Besuch des Manuskripts auf einen arroganten, aber auch ziemlich heißen Typen, der nicht nur auf überaus seltsame Weise ihr Handy schrottet, sondern sie kurzerhand auch entführt. In der sogenannten Loge erfährt sie dann, dass sie eine ziemlich mächtige Nachfahrin der Silberalchemisten ist und der verwirrende Gefühle auslösende Typ Ben zu den Goldalchemisten gehört. Für Emilia beginnt ein aufregendes, zum Teil lebensgefährliches Abenteuer, denn nicht nur der Gold- und der Silberorden sind interessiert an ihren Fähigkeiten, sondern auch die sogenannten Quecks, den Mitgliedern des Quecksilberordens, wollen ihr machtvolles Erbe für ihre Zwecke nutzen und machen dabei vor nichts Halt.

Wenn der Auftaktband der Kaleidra-Trilogie mit einem von Beginn an überzeugen kann, ist es die umfangreiche Grundidee – die in vielerlei Hinsicht interessante Stadt Rom, die Geheimnisse der Alchemie, böse Zwillinge in einer Art Zwischenwelt, die Macht der einzelnen Elemente und die Auswirkungen ihrer verschiedenen Verbindungen versprechen im Gesamtpaket eine spannende Geschichte. Zusätzlich gewürzt mit den klassischen Jugendbuch-Komponenten könnte Wer das Dunkel ruft ein echter Pageturner sein, der die Zielgruppe mit kurzweiligen Lesestunden unterhält. Nun tragen Auftaktbände allerdings eine Menge Verantwortung, da sie dem Leser nicht nur Spaß und Unterhaltung bieten, sondern auch alle notwendigen Informationen übermitteln müssen, ohne dabei zu überladen und langweilig zu sein. Diese mitunter sehr schwierige Herausforderung wird im ersten Teil sehr deutlich. Denn obwohl Wer das Dunkel ruft alles mitbringt, was gute (Jugend)Fantasy ausmacht, gibt es einige nicht unwesentliche Längen, die den Lesespaß immer mal wieder schmälern. Seitenlange Erklärungen zur geheimen Welt der Alchemisten mit all ihren Regeln machen gerade die erste Hälfte zu einem immerwährenden Kampf, bei dem es abwechselnd schwerfällt, das Buch aus der Hand zu legen und weiterzulesen. Ständig neue Begriffe und ein Hang zur Detailtiefe in Sachen Chemie und Mathematik erschweren Lesern, die mit diesen Bereichen nicht allzu viel anfangen können, das Durchhalten immer wieder. Ein Hinweis auf das Glossar am Ende des Buches wäre sinnvoll gewesen.

Doch das Dranbleiben lohnt sich, denn etwa ab der Hälfte bekommt die Geschichte – obwohl es vorher schon dezent überladene Actionszenen gab – endlich ein gewisses Gleichgewicht und man bekommt wieder mehr von der eingangs so sympathischen und überzeugenden Protagonistin Emilia zu Gesicht. Vor allem die kleinen Dispute und Neckereien mit anderen Charakteren verschaffen während und besonders nach der trockenen Informationsflut ein paar angenehme Verschnaufpausen. Die Missionen werden unterschiedlich intensiv abgehandelt und der eine oder andere Twist wirkt ein wenig hingeklatscht, ohne bis zum Ende des ersten Bandes wirklich aufgeklärt zu werden – hier hätte an anderer Stelle gerne an Informationen gespart werden dürfen, um diese Szenen etwas mehr auszuarbeiten. Auch die Romantik kommt nicht zu kurz, und trotz der Vorhersehbarkeit und einigen erwartungsgemäßen Augenroll-Momenten hat Kira Licht die Dynamik zwischen Emilia und Ben im Verlauf von Wer das Dunkel ruft nachvollziehbar gestaltet. Gerade Emilias zeitweilige Überforderung ist gut gelungen und bleibt durchweg authentisch – sowohl in Bezug auf die Geheimniskrämerei gegenüber ihren engsten Vertrauten als auch auf die widersprüchlichen Gefühle zu Ben und die vielen Informationen in den ersten Tagen in der Loge des Goldordens bleibt der Leser immer nah an Emilias Gedanken und Emotionen.

Ein besonderes Highlight stellen die kurzen Begegnungen mit Emilias Freunden dar, und auch der etwas kauzige Nachbar und Emilias Hund Newton sind immer wieder gern gesehene Abwechslungen zum Haupterzählungsstrang. Und dann sind da noch die Passagen, die lange vor den Geschehnissen spielen und zusätzliche Fragen beim Leser aufwerfen. Hier werden hoffentlich die Folgebände für weitere Klarheit sorgen, denn vor allem das recht unerwartete Ende dürfte viele Leser schockiert haben. Ein wirklich fieser Cliffhanger, der die Ungeduld auf Wer die Seele berührt noch zusätzlich anheizt. Zum Glück ist die Wartezeit nicht allzu lang, und wenn dem Korrektorat nicht wieder wie in der ersten Hälfte des Buches zahlreiche Fehler durchgehen, darf man sich auf rasante Lesestunden freuen. Mal ganz abgesehen von der wirklich hübschen Aufmachung der Trilogie, die perfekt auf den Inhalt abgestimmt ist. Alles in allem bringt Kaleidra trotz einiger Schwachpunkte großes Potential mit, das in den Folgebänden hoffentlich weiter ausgebaut wird und noch mehr Leser begeistern kann.


Fazit:

Wer das Dunkel ruft hat als Auftaktband die undankbare Aufgabe, dem Leser alle notwendigen Informationen zu vermitteln und ihn gleichzeitig nicht zu überfordern. Diese Gratwanderung ist Kira Licht mal mehr, mal weniger gut gelungen, sodass Kaleidra in mehrfacher Hinsicht ein ständiges Auf und Ab der Gefühle ist. Trotzdem lohnt sich das Dranbleiben – gerade Fans von detailreicher Fantasy und naturwissenschaftlichem Input dürften hier auf ihre Kosten kommen.



|



Leave a Reply