Kalte Stille (Wulf Dorn)
Heyne, 1. Auflage August 2010
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 448 Seiten
€ 16,99 [D] | € 17,50 [A] | CHF 24,50
ISBN: 978-3-453-26686-5
Leseprobe
Genre: Thriller
Klappentext:
Wenn die Stille zum Alptraum wird …
Eine Tonbandaufzeichnung, die in abrupter Stille endet – unerträglicher Stille. Mehr ist Jan Forstner von seinem kleinen Bruder nicht geblieben. Vor dreiundzwanzig Jahren ist Sven spurlos verschwunden. In derselben Nacht verunglückte auch sein Vater unter rätselhaften Umständen. Beide Fälle konnten nie aufgeklärt werden. Als Jan gezwungen ist, an den Ort seiner Kindheit zurückzukehren, holt ihn die Vergangenheit wieder ein. Ein mysteriöser Selbstmord führt ihn zu einem schrecklichen Geheimnis.
Rezension:
Das Gute siegt vielleicht in Märchen, in Hollywoodfilmen und in Romanen, aber die wirkliche Welt ist der Spielplatz des Bösen.
(Seite 148)
Seit über zwei Jahrzehnten versucht Jan Forstner, seine Vergangenheit zu bewältigen und den Verlust seines jüngeren Bruders zu verarbeiten. Mehr schlecht als recht gelingt ihm dies, so glaubt er zumindest, bis ihn ein Jobangebot, das er aus verschiedenen Gründen nicht ausschlagen kann, zurück an den Ort des Geschehens bringt und die Erinnerungen mit Gewalt wieder über ihn herfallen. Denn kaum ist er zurück in seinem Heimatort, ereignen sich um ihn herum sehr fragwürdige Todesfälle. Jan fühlt sich in seine Kindheit zurückversetzt und ist davon überzeugt, dass der Täter von damals immer noch auf freiem Fuß ist – oder sein Bruder immer noch am Leben. In einer Spirale aus Vermutungen und klaren Fakten, in einem Wirrwarr aus Alpträumen und Erinnerungen, in einem Knäuel zahlreicher, scheinbar endloser Fäden sucht Jan nach einem Weg, endlich die Wahrheit ans Licht zu bringen – und die ist weitaus schlimmer, als man sich je hätte erträumen können.
Bereits in Trigger hat Wulf Dorn unter Beweis gestellt, dass er sich in der Materie der Psychologie und des Psycho-Thrillers bestens zurechtfindet und den Leser auf eine mitreißende Art an seine Worte fesseln kann. Auch mit dem zweiten in Fahlenberg spielenden Roman überzeugt der in Ulm lebende Autor mit seinem eingeflochtenen Hintergrundwissen, durch welches sowohl die Geschichte als auch die Charaktere eine angenehme, teil jedoch auch beängstigende Greifbarkeit erhalten. Denn die Arbeit in einer psychiatrischen Klinik kommt der Authentizität mehr als zugute – die Abgründe, die sich beim Lesen auftun, und die Frage im Hinterkopf, was man selbst in einer solchen Situation tun, wie man sich verhalten würde, machen Kalte Stille zu einem besonders schauerlichen Leseereignis, das sich gerade in der dunklen und kalten Jahreszeit genießen lässt.
Doch das Debüt hat dem Nachfolger nicht nur den Weg geebnet, sondern die Messlatte auch sehr hoch angesetzt. Das kommt Kalte Stille nicht in allen Punkten entgegen, denn teilweise wirkt das Geschriebene zu sehr bemüht und gewollt – nicht besonders subtile, quasi mit dem sogenannten Zaunpfahl kenntlich gemachte Hinweise auf den vermeintlichen Täter zum Beispiel schmälern das Lesevergnügen zeitweilig um ein Vielfaches. Fast fühlt sich der Leser ein wenig an der Nase herumgeführt und für dumm gehalten, denn gerade diese viel zu offensichtlichen Hinweise führen letztlich dazu, dass man gewisse Charaktere sehr schnell ausschließen kann – was wiederum dazu führt, dass der Kreis der möglichen Verdächtigen immer kleiner wird und man schließlich nur noch eine Handvoll zur Auswahl hat. Auch bei der Wahl der „Päckchen“ seiner Charaktere hat Herr Dorn es das eine oder andere Mal doch ein wenig übertrieben. Obwohl am Ende alles irgendwie schlüssig ist und zusammenpasst, hätte es an so mancher Stelle gerne ein bisschen weniger Dramatik sein dürfen.
Insgesamt darf man sich jedoch von diesen negativen Punkten nicht abschrecken lassen, denn Wulf Dorn zeigt auch mit seinem zweiten Buch, dass der deutsche Psycho-Thriller sich nicht hinter amerikanischen Artgenossen verstecken muss. Sicher sind manche Dinge vorherseh- und andere nicht immer ganz nachvollziehbar, doch für gute Unterhaltung mit einer angenehm-schaurigen Atmosphäre nimmt man kleine Abstriche gern in Kauf.
Fazit:
Auch mit seinem zweiten Thriller um die Fahlenberger Waldklinik kann Wulf Dorn seine Leser überzeugen, wenn auch nicht in gleichem Maße wie mit seinem Vorgänger. Obwohl die Charaktere in Kalte Stille fast zu schwere Lasten zu tragen haben und die Hinweise auf den Täter mitunter recht eindeutig sind, weiß die Geschichte mit mehr oder weniger geschickt platzierten Wendungen zu unterhalten. Man darf gespannt sein, was noch folgen wird.
Wertung:
Handlung: 3,5/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 3,5/5
Preis/Leistung: 4/5
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