Love Letters to the Dead (Ava Dellaira)
Klappentext:
Eine Geschichte voller Liebe und Weisheit: Das beeindruckendste Jugendbuch des Jahres
Es beginnt mit einem Brief. Laurel soll für ihren Englischunterricht an eine verstorbene Persönlichkeit schreiben. Sie wählt Kurt Cobain, den Lieblingssänger ihrer Schwester May, die ebenfalls viel zu früh starb. Aus dem ersten Brief wird eine lange Unterhaltung mit toten Berühmtheiten wie Janis Joplin, Amy Winehouse und Heath Ledger. Denn die Toten verstehen Laurel besser als die Lebenden. Laurel erzählt ihnen von der neuen Schule, ihren neuen Freunden und Sky, ihrer großen Liebe. Doch erst, als sie die Wahrheit über sich und ihre Schwester May offenbart, findet sie den Weg zurück ins Leben und kann einen letzten Brief an May schreiben …
Rezension:
Ich wünschte, du könntest mir sagen, wo du jetzt bist und warum du nicht mehr leben wolltest. Du warst der Lieblingssänger meiner Schwester May. Seit sie nicht mehr da ist, fällt es mir irgendwie schwer, ich selbst zu sein, weil ich nicht mehr genau weiß, wer ich eigentlich bin. Dabei wäre es wichtig für mich, das möglichst schnell rauszufinden.
(Seite 7)
Aus einer eigentlich harmlosen Englisch-Aufgabe, bei der sie einen persönlichen Brief an eine verstorbene Berühmtheit schreiben soll, wird für Laurel ein hilfreiches Ritual, um ihre jüngste Vergangenheit zu verarbeiten und die Dinge aus ihrem Kopf zu bekommen, über die sie mit niemandem reden kann. Denn das junge Mädchen gibt sich die Schuld am Tod ihrer Schwester May, die sie nicht nur über alle Maßen geliebt und angehimmelt hat, sondern die für sie auch ein wichtiges Vorbild war. Laurel versucht, Mays Andenken gerecht zu werden, indem sie ihre Kleidung trägt und sich immer so verhält, wie sich May ihrer Meinung nach verhalten würde. Dabei verliert sie sich selbst aus den Augen und irgendwie hilft ihr das Schreiben der Briefe dabei, wieder zu sich und ihrer eigenen, ganz besonderen Persönlichkeit zurückzufinden. In ihren Briefen erzählt sie von all den Dingen, die ihr im Alltag widerfahren, aber auch von May und ihren gemeinsamen Abenteuern. Stück für Stück, Wort für Wort findet sie den Weg zu der Wahrheit, die sie tief in sich vergraben hat und die ihr zeigt, dass vielleicht auch May nicht immer das war, was sie vorzugeben schien. Mit jedem geschriebenen Brief stellt sich Laurel ihrer Vergangenheit und ihren Schuldgefühlen und merkt schließlich, dass es eigentlich nur eine Person gibt, der sie gerne schreiben möchte und muss, um wieder wirklich leben zu können – ihrer großen Schwester May.
Man kann mutig und idealistisch und schön sein, und das bewahrt einen trotzdem nicht davor, abzustürzen.
(Seite 273)
Schon lange vor Erscheinen der deutschen Ausgabe war Love Letters to the Dead als Geheimtipp in aller Munde, sodass dem Veröffentlichungstermin mit Spannung entgegen geblickt wurde. Darüber, ob sich das Warten gelohnt hat, dürften sich die Geister wahrscheinlich scheiden, denn Ava Dellairas Debüt ist keinesfalls ein einfaches Buch, das man mal eben schnell nebenbei lesen kann. Besonders der Einstieg erfordert einiges an Durchhaltevermögen, da die Geschichte einige Zeit braucht, bis sie wirklich warm läuft und man als Leser voll einsteigen kann. Die Autorin beweist zwar von nahezu der ersten Seite an, dass sie ein besonderes Talent für den Umgang mit Worten und das Zeichnen von Wortbildern hat, doch der Lesefluss ist gerade in den ersten Kapiteln sehr zäh. Das erschwert das Eintauchen in die an sich wunderschöne Geschichte und das Fallenlassen in die Gedanken der Protagonistin, die den Leser doch recht nah an sich heranlässt. Erst ab dem zweiten Drittel nimmt die Story etwas an Spannung auf, obwohl das Tempo ähnlich ruhig bleibt, und es gelingt, wirklich in die Thematik einzusinken und sich auf die Schönheit der Sprache Dellairas einzulassen. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass die Autorin sich nicht auf die Probleme von Laurel beschränkt, sondern auch den Nebencharakteren ein nicht unbedingt leichtes Gepäck mit auf den Weg gibt. Dadurch bekommt man als Leser nicht den Eindruck vermittelt, sich ausschließlich mit der Lebensgeschichte einer Person auseinander zu setzen, sondern tatsächlich auch die Menschen, die Teil dieses Lebens sind, auf einer tieferen Ebene kennen zu lernen.
Manchmal sind wir so randvoll mit allen möglichen Gefühlen, dass wir nicht merken, wie unser Verhalten auf jemand anderen wirkt.
(Seite 288)
Erwähnenswert ist wohl auch die Wahl, die Ava Dellaira in Bezug auf die verstorbenen Berühmtheiten getroffen hat. Denn diese stehen vor allem für eine besondere Generation und dürften nur in den wenigsten Fällen bei der aktuellen Zielgruppe bekannt sein. Es ist fraglich, ob durch diese Unbekanntheit überhaupt eine Verbindung hergestellt werden kann. Bei älteren Lesern hingegen rufen die meisten Namen wahrscheinlich schon beim ersten Lesen ein leises Lächeln wach und man erinnert sich an die eigenen Momente, die man mit diesen Persönlichkeiten „geteilt“ hat. Durch kleine Zusatzinformationen, die Laurel wie zufällig in ihre Briefe einbindet, kann man sich jedoch auch ohne konkretes Wissen ein zumindest grobes Bild machen und bekommt so einen recht guten Eindruck von Laurels versteckter Persönlichkeit. Alles in allem ist Love Letters to the Dead ein eher leiser Roman, der jedoch verschiedene Facetten darlegt, die sich auf die freie Interpretation von den einzelnen Lesern freuen. Zwischenzeitliches Stocken im Lesefluss kann im späteren Verlauf weitestgehend ausgeglichen werden, sodass sich das Durchhalten lohnt.
Jedem passieren Dinge im Leben, die nicht fair sind. Entweder sind wir für alle Zeiten deswegen auf irgendjemanden wütend und fühlen uns ungerecht behandelt oder wir entscheiden uns dafür, mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, das Beste daraus zu machen.
(Seite 360/361)
Fazit:
Durch seinen großen Erfolg in Amerika war Love Letters to the Dead bereits vor seinem deutschen Veröffentlichungstermin bei vielen Lesern ein echter Geheimtipp. Und tatsächlich kann Ava Dellaira mit ihrer Geschichte über ein trauerndes Mädchen, das seinen Verlust und seine Schuld in Briefen an verstorbene Berühmtheiten zu verarbeiten versucht, das Leserherz an so mancher Stelle erwärmen. Leider zieht sich diese Stärke nicht durch das komplette Buch, sodass es zwischendurch immer wieder zu zähen Phasen kommt, die das Lesevergnügen extrem schmälern. Trotzdem bietet der Jugendroman auch zahlreiche schöne Momente, für die sich das Durchhalten lohnt, und gerade das letzte Viertel schafft einen ganz besonderen Nachhall. Ein Buch, das zumindest in Teilen zum Innehalten und Nachdenken einlädt.
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eine Kommentar
Die Idee des Buches finde ich wahnsinnig interessant. Wohl auch, da mir die erwähnten Namen der Berühmtheiten etwas sagen. Die erwähnten Strecken würden mich jetzt nicht direkt vom Lesen abschrecken. Wohl auch, da ich die Zitate, die du herausgesucht hast, sehr schön finde.
Somit habe ich Hoffnung, dass dieses Buch und ich doch irgendwie zusammenpassen. ;)