Nacht aus Rauch und Nebel (Mechthild Gläser)

Nacht aus Rauch und Nebel (Mechthild Gläser)

Klappentext:

Ich schrie nicht, während ich ins Bodenlose stürzte. Warum auch? Es gab keinen Grund, Angst zu haben. Zuerst kam die Schwärze, dann das Licht und dann die Stadt. Nacht für Nacht, wann immer ich einschlief.

Ein Freund, der nicht mehr mit ihr spricht, ein Vater, der seine Regierungsgeschäfte als Fürst von Eisenheim mehr schlecht als recht erledigt, und eine gesichtslose Macht, die die Existenz ihrer neuen Heimat bedroht:
Floras Leben verlief schon mal reibungsloser. Doch je tiefer sie in die Geheimnisse dieser Welt der Träumenden eintaucht, desto hartnäckiger setzt sich der Gedanke fest, dass Flora selbst verantwortlich ist für all diesen Schlamassel. Kann es sein, dass sie sich mit ihrem ärgsten Feind verbünden muss, um den Untergang der Stadt zu verhindern?


Rezension:

Die Dunkelheit war wie ein Tier, eine gereizte Bestie, die sich auf mich stürzte und mich verschlang. Sie wälzte sich auf meine Brust und schnürte mir die Luft ab. Doch es machte mir nichts aus, fast genoss ich ihre düstere Schwere. Die Schwärze fühlte sich angenehm auf der Haut an. Friedlich drang sie durch die Poren meines Körpers und brachte den Strudel meiner Gedanken und Gefühle zum Schweigen, bis ich ruhig dahintrieb. Zeit wurde bedeutungslos, verwandelte sich in einen Strom aus Finsternis und Vergessen. Und mein Kopf war leer und gleichzeitig so schwer wie ein Mühlstein, der mich in die Tiefe zog. In wattige Finsternis.
(Seite 119)

Nachdem Flora den „Weißen Löwen“ versteckt hat, ist das Verhältnis zu Marian extrem angespannt, denn dieser kann ihr einfach nicht verzeihen – schließlich hätte der „Weißt Löwe“ die Rettung der Seele seiner Schwester bedeuten können. Die beiden kommen deshalb überein, dass sie sich erstmal nicht mehr sehen wollen. Diesen Entschluss umzusetzen gestaltet sich allerdings reichlich schwierig, denn Flora und Marian stehen einige Abenteuer bevor, die sie nur gemeinsam bestehen können. Zusätzlich zu den Ärgernissen mit ihrer verkorksten Beziehung muss Flora sich allerdings auch noch mit der Unfähigkeit ihres Vaters, Eisenheim angemessen zu regieren, rumplagen. Und als wäre dies alles neben ihrem normalen Leben in der echten Welt noch nicht genug Trubel, ist das alles fressende Nichts immer weiter auf dem Vormarsch und kreist Floras zweites Zuhause immer weiter ein. Flora ist davon überzeugt, dass der Eiserne Kanzler – der nach wie vor ihr größter Feind ist – irgendwie seine Finger im Spiel hat. Trotzdem begreift sie mit der Zeit, dass das Nichts nur aufgehalten werden kann, wenn sie mit ihm zusammen arbeitet und das Versteck des „Weißen Löwen“ preisgibt. Doch wie soll sie Vertrauen zu jemandem haben, der alles tun würde, um seine Seele wieder in die reale Welt gehen lassen zu können?

Eisenheim und seine düstere Atmosphäre konnten schon in Stadt aus Trug und Schatten auf Anhieb vereinnahmen, sodass dem Leser auch im zweiten Band der Dilogie gar nichts anderes übrig bleibt, als sich wieder in Floras Geschichte fallen zu lassen. Und die kann in Nacht aus Rauch und Nebel sogar noch mehr mitreißen, denn Mechthild Gläser hat nicht nur an den Charakteren gefeilt, sondern auch ein enormes Erzähltempo hingelegt – wer in Band eins schon von den rasant auf- und abgehenden Spannungsbögen beeindruckt war, der findet hier ebenfalls schnellen Lesegenuss. Im Vergleich zum Auftakt konnte sich die Autorin in jedem Fall steigern, sodass der Lesespaß sogar noch gesteigert werden konnte. Angefangen bei den widerstrebenden, aber doch immer wieder zueinander führenden Gefühlen der beiden Hauptcharaktere über die endlich bekannt werdenden Hintergründe anderer Figuren bis hin zur wirklich gut durchdachten Fortsetzung des ohnehin schon sehr innovativen Plots: Nacht aus Rauch und Nebel ist nicht nur optisch erneut eine Augenweide, sondern kann ebenfalls auch inhaltlich auf sehr hoher Skala punkten. Die Farblosigkeit von Eisenheim erschafft ein weiteres Mal eine triste, aber nicht trübsinnige Atmosphäre und die wenigen Momente in Essen stecken voller spannender, für die Traumwelt wichtiger Situationen. Gemeinsam mit Flora findet auch der Leser immer mehr Gefallen an der Schattenwelt und bangt gemeinsam mit ihr um den Erhalt der Stadt.

Ein bisschen wehmütig wird man allerdings doch, je weiter die verbleibende Seitenzahl dahinschmilzt – denn ursprünglich wurde Mechthild Gläsers Geschichte um Eisenheim als Trilogie angepriesen. Aus verschiedenen Gründen hat sich die Story nun leider doch nur auf zwei Bände verteilt und findet in Nacht aus Rauch und Nebel auch einen würdigen Abschluss. Trotzdem möchte man Flora und Marian eigentlich gar nicht verlassen, sondern weitere Abenteuer mit ihnen erleben und bestehen. Auch wenn hier wahrscheinlich jede weitere Fortsetzung nur „Schaden“ anrichten würde, so hofft der Leser doch auf baldigen Nachschub aus der Feder dieser jungen und überaus talentierten deutschen Autorin. Selbst wenn es sich bei diesem dann nicht um weitere Geschichten um Eisenheim drehen sollte.


Fazit:

Das ursprünglich als Trilogie geplante Abenteuer von Flora findet in Nacht aus Rauch und Nebel bereits seinen wunderbar runden Abschluss und kann den Leser trotz der leisen Enttäuschung, dass es keinen dritten Band geben wird, vollends zufrieden zurück lassen. Mechthild Gläser schafft es auch hier wieder, mit einer unheimlich düsteren Atmosphäre, sympathischen Charakteren und einer spannenden Geschichte für kurzweilige Lesestunden zu sorgen. Eine Muss-Dilogie, die jedes Bücherregal und Leserherz bereichert!




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2 Kommentare
  1. Kay sagt:

    …ich fand den zweiten Teil und damit den Abschluss der Reihe auch richtig gelungen. Ursprünglich waren hier ja tatsächlich drei Bände geplant, wurden aber auf zwei Bücher gekürzt. Vermutlich deshalb hat die Geschichte auch deutlich rasanter auf mich gewirkt. Ich finde die Rezension richtig gut und ausführlich geschrieben. Kann mich hier eindeutig wiederfinden!

    LG

    Kay

    • Schattenkämpferin sagt:

      Mensch Kay,
      es ist schön, Dich hier zu sehen – und eine echte Überraschung :) Ich weiß ja, dass Steffi sich öfter hier rumtreibt und dringend auf die Rezi zu „Die drei Leben der Tomomi Ishikawa“ wartet, aber mit Dir hätte ich nicht gerechnet :)

      Ja, irgendwie hat die Geschichte dann wohl doch nichth genug Stoff für einen dritten Teil geboten. Ich finde es dann aber gut vom Verlag, dass sie nur eine Dilogie gemacht haben, statt auf Teufel komm raus noch mit einem dritten Band Geld zu machen. Der hätte dann mangels Inhalt vielleicht auch eher enttäuscht.

      Danke für Deinen Besuch und Deinen Zuspruch – freue mich, dass Du Dich in meiner Rezi wiederfindest :)

      Bis ganz bald,
      Jess

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