Nichts. Was im Leben wichtig ist (Janne Teller)
Hanser Verlag, 1. Auflage August 2010
Originaltitel: Intet
Aus dem Dänischen von Sigrid Engeler
Flexibler Einband, 144 Seiten
12,90 € (D) | 13,30 € (A) | 19,90 sFR
ISBN: 978-3-446-23596-0
Leseprobe
Genre: Jugendbelletristik
Klappentext:
»›Ist das dort draußen im Sägewerk etwa nicht die Bedeutung?‹
Sofie starrte Frederik so lange in die Augen, bis er den Blick senkte und nickte.
›Und wenn wir die Bedeutung aufgeben, ist nichts übrig!‹
Nichts! Gar nichts! Niente!
›Sind wir uns einig?‹
Sie sah uns einen nach dem anderen an, schien mehr denn je zu brennen.
›Ist die Bedeutung nicht wichtiger als alles andere?‹
›Natürlich‹, sagte Ole.
Wir anderen nickten und murmelten unsere Zustimmung.
/…/
Wir hätten aufhören sollen, bevor es so weit gekommen war. Jetzt war es irgendwie zu spät, auch wenn ich tat, was ich konnte.«
Rezension:
»Alles ist egal«, schrie er eines Tages. »Denn alles fängt nur an, um aufzuhören. In demselben Moment, in dem ihr geboren werdet, fangt ihr an zu sterben. Und so ist es mit allem.«
»Die Erde ist vier Milliarden sechshundert Millionen Jahre alt, aber ihr werdet höchstens hundert!«, rief er an einem anderen Tag. »Das Leben ist die Mühe überhaupt nicht wert.«
Und er fuhr fort:
»Das Ganze ist nichts weiter als ein Spiel, das nur darauf hinausläuft, so zu tun als ob – und eben genau dabei der Beste zu sein.«
(Seite 11)
Eines Tages steht Pierre Anthon mitten im Unterricht auf, verkündet „Nichts bedeutet irgendwas, deshalb lohnt es sich nicht, irgendwas zu tun.“ und verlässt den Klassenraum. Zuerst denkt sich niemand etwas dabei und der Alltag geht normal weiter. Doch Pierre Anthon bleibt der Schule fern und verbringt seine Tage auf dem Pflaumenbaum im Garten seiner Eltern damit, seine vorbeigehenden (ehemaligen) Mitschüler mit Pflaumen zu bewerfen. Zwar ärgern sich diese darüber, lassen ihn aber erst einmal gewähren – er würde sich schon besinnen, vom Baum runterklettern und wieder zur Schule kommen. Falsch gedacht. Denn Pierre Anthon beharrt auf seinem Standpunkt:
»Wenn es etwas gibt, über das es sich lohnt sauer zu werden, gibt es auch etwas, worüber es sich lohnt zu freuen. Wenn es etwas gibt, über das es sich lohnt zu freuen, gibt es auch etwas, was etwas bedeutet. Aber das gibt es nicht!« Er hob die Stimme noch mehr und brüllte: »In wenigen Jahren seid ihr alle tot und vergessen und nichts, also könnt ihr genauso gut sofort damit anfangen, euch darin zu üben.«
Da wurde uns klar, dass wir Pierre Anthon wieder vom Pflaumenbaum herunterholen mussten.
(Seite 12)
Die Klasse beschließt, Pierre Anthon das Gegenteil zu beweisen, und beginnt, Dinge zu sammeln, die von Bedeutung sind. Schnell stellt sich raus, dass dies gar nicht so einfach ist und es ganz unterschiedliche Definitionen von Bedeutung gibt. Schließlich einigt sich die Gruppe jedoch auf eine Art Ritual: Derjenige, der zuletzt etwas auf den Bedeutungs-Berg getan hat, darf die nächste Person und den zu „opfernden“ Gegenstand bestimmen. Einwände dürfen keine geäußert werden, und so nimmt ein Spiel seinen Lauf, das ernsthafte Konsequenzen nach sich zieht. Denn aus dem anfänglichen Spiel wird schnell ernst und wirklich mitunter unmögliche Dinge werden gegeneinander von den Klassenkameraden verlangt. Als auch der letzte seinen Teil zum Berg der Bedeutung beigetragen hat, ist die Klasse überzeugt, Pierre Anthon nun das Gegenteil seiner Aussagen beweisen zu können. Sogar die landes- und weltweite Presse bekommt Wind von der Story, das Dorf und sein Bedeutungsberg werden berühmt. Doch lässt sich auch Pierre Anthon davon überzeugen, dass es im Leben Dinge von Bedeutung gibt?
Janne Teller wagte einen großen und risikoreichen Schritt, als sie ein derartiges Thema – die Bedeutung der Dinge – zum Hauptbestandteil eines Jugendbuches machte. Die Idee, eine siebte Klasse mit solch einem Thema zu verbinden, und die Fähigkeit, dabei realistisch und aktuell zu sein, macht aus Nichts. Was im Leben wichtig ist wahrscheinlich eines der wichtigsten Bücher der gegenwärtigen Literatur – nicht nur für Schulklassen, um dort über den Inhalt, die Aussage und die Bedeutung zu diskutieren, sondern auch für Erwachsene, die gerne über den Sinn nachgrübeln und immer auf der Suche nach neuen Fragestellungen und Antworten sind. Die Thematik ist keine leichte, so mancher Absatz lässt sich nur schwer verdauen und einen vor Entsetzen leicht erschaudern, doch mit einer klaren Umsetzung gelingt es Janne Teller, den Leser auf eine Reise mit mehreren Abzweigungsmöglichkeiten zu bringen, ohne dabei vom Gedankenweg abzukommen oder in eine bestimmte Richtung gedrängt zu werden – der Leser ist frei, selbst zu entscheiden.
Nichts. Was im Leben wichtig ist lässt den Leser unbewusst den Atem anhalten. Von einer schönen Grundidee und dem Kampfgeist einer Klasse wird man über Pläneschmieden und Reibereien bis zum großen Finale geführt – das alles jedoch in einer ruhigen, beängstigend entspannenden Atmosphäre. Hier und da schüttelt man entsetzt den Kopf, doch auch das eine oder andere Lächeln wird durch Janne Teller entlockt. Die Autorin fesselt durch die Einfachheit ihres Sprachstils, lässt lediglich die Worte und den ganzen Sinn dahinter auf den Leser einwirken. Unnötige Aufbauschungen sucht man hier vergebens, alles ist schlicht und doch tiefgehend gehalten. Nur schwer lässt sich das Buch aus der Hand legen und der Inhalt wiegt so viel mehr als das Buch selbst, die Seiten geben so viel mehr, als ihre Anzahl weismachen will.
Man darf gespannt sein, was die Autorin in Zukunft noch aus ihrer Feder zaubern wird, und darauf hoffen, dass noch viele weitere Bücher diesem folgen werden. Mit dem vorliegenden Roman hat sie die Messlatte sehr hoch gesetzt und schon jetzt freut man sich auf all das, was dort noch kommen mag.
Fazit:
In Nichts. Was im Leben wichtig ist zeichnet Janne Teller ein gleichermaßen beeindruckendes und beängstigendes Bild über die Bedeutsamkeit der Dinge. Zu Recht wird dieses Buch in dänischen Schulen als Unterrichtslektüre geführt – zum Nachdenken anregend, noch lange nachhallend und für jede Menge Diskussionsstoff sorgend – im Kopf mit sich selbst und lautstark mit anderen Lesern des Buches.
Wertung:
Handlung: 4/5
Charaktere: 5/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 4/5
Zurück zu:
Nebeljunge (Elke Keller) Weiter mit:
Silver Dragons I: Ein brandheißes Date (Katie MacAlister)