Schattengrund (Elisabeth Herrmann)
Klappentext:
Wie ein Flüstern im Sturm …
Schattengrund.
Als die 17-jährige Nicola das Haus ihrer verstorbenen Tante erbt, ahnt sie nicht, wie bedeutsam dieser Name für sie wird. Es ist ein einsames Haus in einem abgelegenen Dorf, in dem sie als Kind oft zu Gast war. Ein Haus, in dem die Vergangenheit schlummert. Und ein Haus, das Nicos Eltern auf keinen Fall annehmen wollen.
Als die Eltern das Erbe stellvertretend für ihre Tochter ausschlagen, reißt Nico heimlich aus, um Schattengrund wiederzufinden. Und kaum hat sie die Schwelle übertreten, da scheint eine lange verdrängte Wahrheit nach ihr zu greifen.
Wie konnte sie das alles bloß vergessen? Die knarrenden Treppen, den staubigen Dachboden – und das Mädchen, mit dem sie hier immer gespielt hat? Fili, ihre allerbeste Freundin. Ihre Seelenschwester. Ihre tote Freundin. Ein grauenhaftes Verbrechen hat die Mädchen damals auseinander gerissen. Aber Nico kann ihren eigenen Erinnerungen nicht trauen. Und der Täter von damals ist noch immer im Dorf.
Rezension:
Nicola Wagner ist enttäuscht. Als das Schreiben vom Notar kam, in dem sie zu einer Testamentsvollstreckung eingeladen wurde, war sie richtig aufgeregt: Sie sollte etwas von ihrer Tanta Kianna erben, zu der sie lange Zeit überhaupt keinen Kontakt hatte. Nun sitzt sie vor einem Besen, einer halben Postkarte und einem Stein, die sie „zum weisen Gebrauch“ vermacht bekommt. Doch als sie dieses Erbe annimmt, kommt erst der richtige Hammer, denn ihre Tante vererbt ihr auch das Haus, in dem sie in Kindheitstagen wunderbare Sommer verbracht hat.
Ihre Eltern sind jedoch gegen dieses Erbe, und die Sache hat einen weiteren Haken: Nicola muss erst drei Rätsel lösen, die mit dem offenbar wertlosen Plunder zusammenhängen. Außer sich vor Wut, dass ihre Eltern das Erbe gegen ihren Wunsch ausschlagen, beschließt Nico, sich heimlich auf den Weg nach Schattengrund zu machen, sich ihr Erbe persönlich anzuschauen und die drei Rätsel zu lösen. Sie ahnt nicht, dass ihre Eltern einen bedeutenden Grund für ihr Handeln haben und sie sich in große Gefahr begibt. Und als bei Nicos Ankunft das kleine Dorf in reinstem Schneechaos versinkt, gibt es nicht einmal die Möglichkeit, der Vergangenheit und den Schatten der Erinnerungen zu entfliehen …
Dass ein Thriller aus deutscher Feder zahlreiche Leser mitreißen kann, ist inzwischen zum Glück kein Geheimnis mehr. Auch im Jugendbuchbereich findet dieses Genre immer mehr Anklang und kann sich über eine wachsende Fangemeinde freuen. Schattengrund bewegt sich daher auf einem Terrain, in dem sich viele Leser wohlfühlen und auch einen gewissen Anspruch haben. Doch Skepsis ist hier nicht nötig, denn Elisabeth Herrmann scheint sehr genau zu wissen, was sie tut – nach einem lockeren und unterhaltsamen Einstieg verdichtet sich die düstere Atmosphäre schnell und zieht den Leser vollkommen in seinen Bann. Durch den anschaulich dargestellten Schauplatz und die sehr klaren Beschreibungen von Schattengrund und dem mitten in den Bergen gelegenen kleinen Dorf Siebenlehen kann der Leser sich wunderbar in den Ort des Geschehens denken, was die Stimmung zusätzlich unterstreicht. Elisabeth Herrmann hat sich hier sehr viel Mühe mit der Gestaltung und Beschreibung des Schauplatzes gegeben, mit dem richtigen Lesewetter kann man sich schon fast vorstellen, selbst mit einem spannenden Buch in einem Sessel in diesem alten Haus zu sitzen und bei jedem leisen Knacken oder Rascheln zusammen zu zucken.
Auch mit den Charakteren hat sich Elisabeth Herrmann richtig viel Mühe gegeben, um sie authentisch zu halten. Nicola, genannt Nico, ist vielleicht nicht unbedingt das förderlichste Beispiel für die ohnehin aufmüpfige Jugend, aber so mancher Leser wünscht sich sicherlich den Mut, den die Protagonistin hier zeigt. Auch das Auftreten anderer Charaktere ist durch und durch sehr realitätsnah, sodass man teilweise entweder ebenfalls mit ängstlicher Gänsehaut zu kämpfen hat oder Nico bei der einen oder anderen Begegnung helfend und unterstützend zur Seite springen möchte. Dieses Zusammenspiel verschiedener Komponenten gestaltet macht Schattengrund zu einem rasanten und aufreibenden Leseerlebnis, das mit seiner Hintergrundgeschichte noch einen zusätzlich bitteren Beigeschmack hinterlässt. Für Romantiker gibt es so eine ganz leichte Liebesgeschichte, doch diese nimmt – bis auf die etwas unentschlossene Portagonisten – keinen allzu großen Rahmen ein.
Obwohl bei einem Jugendbuch-Verag erschienen, sollte dieser Roman allerdings nicht von Lesern unterhalb Nicolas Altersklasse gelesen werden, da der Inhalt zu gewissen Teilen doch sehr viel Verständnis erfordert und die Erzählung teilweise ein enormes Lesetempo erwartet. Erwachsene hingegen können hier ohne Zögern zugreifen, denn der Unterhaltungsfaktor ist sehr hoch und auch alteingesessene Thrillerleser kommen voll auf ihre Kosten. Der Griff zum nächsten Herrmannschen Buch ist dementsprechend sicherlich nicht allzu weit entfernt.
Fazit:
Ein Jugend-Thriller, der auch Erwachsene durchaus gut unterhalten kann: Schattengrund gelingt etwas, das nur wenigen Autoren wirklich gelingen will. Atmosphärisch dicht mit spannendem Plot, authentischen Charakteren und einem brisanten Grundthema fesselt die deutsche Autorin Elisabeth Herrmann den Leser von der ersten Seite an und lässt ihn schließlich mit einem leisen Lächeln auf den Lippen und der Frage zurück, ob man von Nico wohl noch weitere Geschichten lesen wird.
Zurück zu:
Blutsverdacht (Marie-Aude Murail) Weiter mit:
Wassermanns Zorn (Andreas Winkelmann)
3 Kommentare
Wow! Das klingt ja nach einen total tollem Buch!
Danke für die shr schöne Rezension. Das buch kommt gleich auf die Wunschliste.
Liebe Grüße
Vanessa
Es ist auch echt ein tolles Buch – ich war sehr skeptisch, aber Nico und Schattengrund haben mich echt mitgerissen :)
Freut mich, dass meine Rezi Dir das Buch schmackhaft machen konnte – lass mich wissen, wie es Dir gefallen hat!
Dieses Buch wird wohl jedem gefallen. Es fesselt, widmet sich einem aktuellen Thema und Gänsehaut ist nicht nur bei Jugendlichen garantiert.