Scherbenmädchen (Liz Coley)

Scherbenmädchen (Liz Coley)

Klappentext:

Angie ist dreizehn Jahre alt, als sie entführt wird. Erst drei Jahre später taucht sie wieder auf. Doch sie kann sich an nichts erinnern. Auch nicht daran, woher die Narben an ihren Fußgelenken stammen. Kleine Frau, Pfadfinderin und Engel könnten ihr helfen, die Vergangenheit Stück für Stück wieder zusammenzusetzen. Denn jede von ihnen trägt einen kleinen Teil von Angies dunklem Geheimnis in sich. Doch sie wissen, dass Angie das gesamte Ausmaß des Erlebten nicht ertragen kann. Sie würde zerbrechen …


Rezension:

Als sich die dreizehnjährige Angie bei einem Pfadfinderausflug am frühen Morgen aus dem Camp stiehlt, um im anliegenden Wald schnell pinkeln zu gehen, wird sie von einem Unbekannten entführt. Erst drei Jahre später taucht sie ganz überraschend in der Nähe ihres Wohnhauses wieder auf – ohne eine einzige Erinnerung an die Entführung und die drei zurückliegenden Jahre. Deshalb weiß sie auch nicht, woher die Narben an ihren Hand- und Fußgelenken stammen, und kann der Polizei keine hilfreichen Hinweise auf ihren Entführer geben. Mit Hilfe einer Therapeutin kommt Angie dahinter, dass sich während ihrer Entführungszeit verschiedene Persönlichkeiten in ihrem Gehirn entwickelt haben, die ihr das Überleben dieser drei Jahre ermöglicht haben. Jede dieser Persönlichkeiten hat dabei eine bestimmte Rolle übernommen, sodass es für Angie und die Therapeutin wie bei einem Puzzle gilt, die Teile der verschiedenen Erinnerungen richtig zusammen zu setzen. Nur wenn das gelingt, hat Angie die Chance, den Kampf gegen ihre Teilpersönlichkeiten aufzunehmen und die Macht über ihren Körper wieder zurück zu gewinnen. Doch ist sie tatsächlich stark genug, die Erinnerungen an die drei zurückliegenden Jahre allein zu tragen?

Das Cover von Scherbenmädchen zieht sofort alle Blicke auf sich, der Titel macht neugierig und der Klappentext weiß zu überzeugen. Doch das Debüt von Liz Coley ist mehr, als es auf den ersten Blick erscheint. Die Geschichte ist mitreißend, die verschiedenen Persönlichkeiten sind faszinierend und die Entwicklung der Story in vielerlei Hinsicht verstörend. Ja, dieses Buch ist mit Vorsicht zu genießen, denn es beinhaltet viele Trigger-Momente und lässt leider auch einige Trugschlüsse zu. Denn das Schicksal der Protagonistin ist kein einfaches, wird hier allerdings teilweise sehr vereinfacht dargestellt – bzw. die Behandlung ihres Problems. Denn Angies Gehirn hat verschiedene Charaktere erschaffen, um sie selbst vor den schlimmen Erinnerungen zu schützen, und Liz Coley nimmt die Behandlung ein wenig auf die zu leichte Schulter. Zwar lässt sich die Story relativ leicht lesen, der Lesefluss ist in jedem Fall gegeben, jedoch sollte man hierzu auf jeden Fall weitere Hintergrundrecherche betreiben und sich nicht auf die Leichtigkeit verlassen, die die Autorin hier zu vermitteln versucht. Denn diese ist ganz und gar nicht gegeben, wenn man im echten Leben auf diese Problematik stößt. Liz Coley spart nicht mit Details, was die Zielgruppe von 14 bis 17 Jahren deutlich anzweifeln lässt, und auch ältere Leser werden an so mancher Stelle sicherlich schlucken müssen.

Scherbenmädchen ist ohne Frage spannend geschrieben und man merkt, dass die Autorin ihr Handwerk versteht. Sicherlich wird man in Zukunft noch öfter über ihren Namen stolpern, allerdings muss man hoffen, dass weitere Romane entweder etwas leichtere Themen haben werden oder aber die schwierigen Themen mit Bedacht und Sorgfalt ausgewählt und bearbeitet werden. Vieles wird in diesem Roman leider nur sehr vereinfacht dargestellt, wodurch ein falsches Bild vermittelt wird. Besonders zum Ende hin wird Liz Coley in der Umsetzung ihrer Ideen ein wenig zu hektisch, sodass sich die Ereignisse und auch die Informationen förmlich überschlagen – auf diese Weise ist es dem Leser zwar unmöglich, das Buch aus der Hand zu legen, ihm bleibt aber auch kaum die Chance, das Gelesene wirklich zu verarbeiten und zu verstehen. So wirkt das Buch auf vielseitige Weise länger nach und man beschäftigt sich im Nachgang sicher noch ein paar Tage mit dem Inhalt und den Hintergründen. Im Nachwort gibt sich die Autorin alle Mühe, einiges richtig zu stellen, doch es gibt viele Leser, die das Nachwort einfach überblättern – vor allem für diese Leser fehlt es daher an grundsätzlichen Informationen. Das Thema ist kein leichtes und Liz Coley hat sich für ihren Debütroman viele schwere Ansatzpunkte ausgesucht. Vielleicht zu viele für so wenige Seiten. Beim nächsten Buch bitte etwas mehr Sorgfalt und dafür vielleicht weniger Vielseitigkeit in Sachen schwerer Kost.


Fazit:

Die Thematik von Scherbenmädchen benötigt eigentlich viel mehr als die gegebenen 320 Seiten, die dieser Roman zur Verfügung stellt. Dadurch verlieren die Wichtigkeit der einzelnen Themen und die Aufklärung darüber leider an Intensität. Zwar versteht Liz Coley es, die Geschichte von Angie mit all ihren Facetten zu veranschaulichen, allerdings geht sie hierbei teilweise ein wenig zu forsch vor und erweckt so den fehlerhaften Eindruck von Leichtigkeit. Diese ist jedoch im Umgang mit derartigen Erkrankungen und Erfahrungen alles andere als gegeben. Ein Roman, der trotz aller Wichtigkeit, auf diese Themen aufmerksam zu machen, eher mit Vorsicht zu genießen ist.



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