Schweig still, süßer Mund (Janet Clark)
Klappentext:
Ich beobachte dich. Jeden deiner Schritte.
Du solltest vorsichtig sein. Zwing mich nicht,
auch dich zum Schweigen zu bringen.
Janas beste Freundin Ella ist verschwunden. Auch wenn die Polizei nicht an ein Verbrechen glaubt, steht für Jana eines fest: Ella würde niemals einfach so abhauen. Sie beschließt, auf eigene Faust zu recherchieren. Dabei kommen Dinge ans Tageslicht, die Jana an ihrer Freundschaft zu Ella zweifeln lassen. Und die sie in große Gefahr bringen, denn ihre Suche hat sie dem Täter nahe gebracht. Zu nah.
Rezension:
Jana und Ella sind seit dem Kindergarten die besten Freundinnen und waren immer füreinander da. Ella, die etwas älter als Jana ist, lebt inzwischen in einer eigenen Wohnung und steckt mitten in den Abi-Vorbereitungen. Das ist zumindest das, was sie Jana Glauben machte – denn als Ella eines Tages spurlos verschwindet, nimmt Jana die Suche nach ihrer besten Freundin selbst in die Hand, da die Polizei Ella wegen ihrer Volljährigkeit und frühreren Ausreißereien keinen Grund sieht, eine offizielle Fahndung einzuleiten. Bis sie die Polizei mit Hilfe von kleinen Notlügen doch überzeugen kann, erfährt Jana vor allem Unterstützung von ihrem Klassenkameraden Fabian, der nicht nur die Flugblätter mit ihr entwirft, sondern die Suche auch ins Internet ausweitet und eine eigene Homepage dafür anlegt. Womit Jana nicht gerechnet hätte, sind die vielen bisher unentdeckten Geheimnisse, die ihre eigentlich beste Freundin vor ihr hatte – mehr und mehr wird enthüllt, sodass Jana sich am Ende fragen muss, wie gut sie Ella eigentlich wirklich kannte und ob ihre Mutter und ihre Schwester nicht recht damit haben, dass die beiden Mädchen sich im Laufe der letzten Wochen voneinander entfernt haben. Doch trotz aller Geheimnisse macht sie sich so große Sorgen um ihre beste Freundin, dass selbst ihre im Entstehen begriffene neue Liebe davon überschattet wird. Und als Jana schließlich Drohanrufe erhält und um ihr eigenes Leben fürchten muss, ist sie davon überzeugt, dass Ella einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist …
Aus drei verschiedenen Perspektiven – Janas, Ellas und die des Entführers – wird der Leser langsam an die einzelnen Protagonisten und Charaktere herangeführt – manche stellen sich am Ende als überflüssig heraus, andere haben eine größere Rolle inne als gedacht. Leider versucht die Autorin, die sich sonst wirklich viel Mühe mit ihren Charakterentwicklung gegeben hat, durch das Einbringen von „unwichtigen“ Personen Verwirrung zu stiften und wirft dem Leser quasi mehrere Knochen zum Fraß vor. Erfahrene Thriller-Leser dürften diesen Versuch der Verschleierung des wahren Täters schnell durchschauen, wobei man Janet Clark definitiv zugute halten muss, dass man sich bis zur deutlichen Bekanntgabe des Entführers nie zu hundert Prozent sicher sein kann, dass der Verdächtigte auch derjenige welcher ist. Da die „eingeworfenen“ tatverdächtig wirken sollenden Charaktere aber nur oberflächlich bleiben, wird viel zu früh klar, dass sie nichts mit dem Verbrechen zu tun haben können. Die zarte Liebesgeschichte hingegen, die recht geschickt in die Geschichte eingebunden ist und eher ergänzend als aufdringlich wirkt, lässt ein romantisches, wenn auch nicht unbedingt authentisches Ende zu und erlaubt wohl vor allem weiblichen Lesern ein leises Lächeln mit Hach-Nachklang. Diese Ader sollte sich Janet Clark für Folgeromane bewahren, denn obwohl man auf eine Art HappyEnd wartet, rechnet man doch ganz sicher nicht mit einem solchen Ende – das neue Fragen aufwirft und Hoffnung aufkeimen lässt.
Obwohl erwachsene Leser sich mit diesem Jugendthriller möglicherweise nicht ganz ausgelastet, vielleicht sogar unterfordert fühlen könnten, schafft die Autorin es trotzdem, gewisse Botschaften zu vermitteln. Castingshows im Fernsehen, Lerndruck in der Schule, hämische Mitmenschen, die unermessliche Gier nach mehr, Schein und Sein, die erste Liebe und ihre Wunden, einengende Richtlinien der Eltern und die immer besseren großen Geschwister – in ihrem Jugendthriller-Debüt reißt Janet Clark zahlreiche Themen an, die in der angepeilten Zielgruppe Anklang finden und definitiv interessant sind. Diese Nähe zu jugendlichen Themen macht Schweig still, süßer Mund vor allem für ebendiese Leser deshalb zu einem besonderen und wichtigen Buch, weil die Charakterdarstellung nicht nur eine gewisse Identifizierung zulässt, sondern die Jugendlichen durch das Ansprechen auch zum Nachdenken über ihr eigenes Verhalten ihren Mitmenschen gegenüber angeregt werden. Wie leicht und gleichzeitig schwer das Jungsein gerade in der Altersspanne um die Zeit des Abiturs ist und wie wichtig in dieser Phase des Erwachsenwerdens der Rückhalt durch Freunde und das vorsichtige Austesten eigener Grenzen sind, macht Janas Suche nach ihrer besten Freundin sehr deutlich. Janet Clark versteht sich hier gut darauf, Lektionen zu erteilen, ohne dass diese als Lektionen angesehen werden – spielerisch verpackt in einem nicht immer ganz verständlichen und nachvollziehbaren Plot.
Bereits mit ihrem Erwachsenen-Debüt Ich sehe dich hat Janet Clark im Frühjahr so manchen Thriller-Fan überzeugen können. Da man aber bekanntlich auf einem Bein nicht stehen kann, legt sie nun auch im Jugendbereich nach und setzt mit Schweig still, süßer Mund ein klares Zeichen: Sie gehört in jedes gut sortierte Thriller-Regal! Man darf also durchaus gespannt sein auf Weiteres aus dieser Spannungsfeder.
Fazit:
Ein Jugend-Thriller, der durch seine harmlos-romantische Optik leicht in die Irre führt, dessen Inhalt jedoch nur eingeschränkt mit dieser Täuschung mithalten kann. Teilweise zu gewollt und dadurch doch recht durchschaubar kann Schweig still, süßer Mund nicht in allen Belangen hundertprozentig überzeugen, dürfte jedoch jugendliche Leser tief in seinen Bann ziehen. Spannungsliebhaber der älteren Generation finden in dem der Zielgruppe überaus gerecht werdenden Jugenddebüt von Janet Clark eher kurzweilige als wirklich spannende Unterhaltung.
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