Sei lieb und büße (Janet Clark)
Klappentext:
Das Spiel ist aus.
Die Maus ist tot.
Die Katze hat gewonnen.
Sina ist untröstlich. Weshalb musste ihre Familie ausgerechnet von Berlin nach Kranbach ziehen? Der einzige Lichtblick: Die angesagtesten Mädchen der Schule freunden sich mit ihr an und sogar ihr Schwarm Frederik scheint in sie verliebt zu sein. Aber kurz nach ihrem ersten Kuss verunglückt Rik und fällt ins Koma. Sina findet Halt bei ihren neuen Freundinnen – doch sie weiß nicht, dass hinter deren strahlender Fassade ein tiefer, grausamer Abgrund lauert. Plötzlich nimmt ein übles Spiel seinen Lauf, das Sinas schlimmste Albträume wahr werden lässt. Und ein Ende ist nicht abzusehen …
Rezension:
Sina klappt das Tagebuch zu. Stumm. Sie hat keine Worte für das, was sie eben gelesen hat. Als hätten die letzten Seiten alle Worte aus ihr herausgezogen.
(Seite 283)
Aus einer Weltmetropole in eine Kleinstadt, deren Namen man noch nie gehört hat – Sina ist alles andere als begeistert, dass ihre Familie wegen dem gesundheitlichen Zustand ihrer Mutter von Berlin aufs Land gezogen ist. Ihr Vater ist ständig beruflich unterwegs und die Obhut über ihren kleinen Bruder Ben bleibt zum größten Teil an ihr hängen, da ihre manisch-depressive Mum an den meisten Tagen einfach nicht dazu in der Lage ist. Und doch ist nicht alles schlecht in Kranbach: Sina findet Anschluss in ihrer neuen Basketball-Mannschaft, kann die Sympathien der angesagtesten Mädchen der Schule für sich gewinnen und ihr süßer Basketball-Trainer Rik scheint ihr Interesse zu erwidern. Doch bevor Sina sich dieser Tatsache versichern kann, hat Rik einen schlimmen Unfall und landet auf der Intensivstation im Krankenhaus – und niemand glaubt Sina, dass da etwas zwischen ihnen war. Ihre neuen Freundinnen stehen ihr unterstützend zur Seite und auch durch Riks Mitbewohner erhält Sina ein wenig Rückhalt. Doch irgendwas stimmt nicht in diesem ganzen Miteinander und in Sina keimt immer mehr der Verdacht, dass Riks übler Sturz gar kein Unfall war. Sie macht sich auf die Suche nach Beweisen und bemerkt zu spät, wie nah sie dem Bösen wirklich ist. Je näher sie der Wahrheit kommt, desto gefährlicher wird es für sie, und am Ende weiß sie nicht mehr, wem sie noch wirklich trauen kann.
Nach zwei erfolgreichen Erwachsenen- und einem hochgelobten Jugend-Thriller veröffentlicht Janet Clark mit Sei lieb und büße ihren zweiten Jugend-Thriller, der sich – ähnlich wie Schweig still, süßer Mund – mit brisanten Themen aus dem Alltag der heutigen Jugend beschäftigt. Überlastete bzw. ständig abwesende Eltern, zu viel Verantwortung in zu jungem Alter und Mobbing sowohl on- als auch offline sind mal mehr, mal weniger intensiv in die Geschichte eingebaut. Vor allem aber sticht die immer größer werdende Durchtriebenheit und Bösartigkeit bei jungen Menschen hervor – ein Thema, das nicht nur Jugendliche und Eltern betrifft, sondern über das sich jeder Gedanken machen sollte. Auch wenn Janet Clark die Situationen auf den ersten Blick überspitzt darzustellen scheint, ist das zentrale Thema Internet-Mobbing und dessen schwerwiegende Folgen leider oftmals tatsächlich so ernst wie hier beschrieben. Die Autorin versteht es dabei sehr gut, niemanden in eine deutliche Opferrolle zu stecken, sondern ermutigt eher dazu, sich nicht alles gefallen zu lassen und dass es auch effektive Wege des Wehrens gibt. Inwieweit diese Hinweise tatsächlich hilfreich sind, steht auf einem anderen Blatt geschrieben – die Protagonistin Sina scheint hier durch ihr Familienleben bereits ein wenig abgehärtet zu sein, was „schwere Zeiten“ angeht.
Die Geschichte ist so aufgebaut, dass der Leser drei Perspektiven kennen lernt und so von Anfang an alle wichtigen Blickwinkel bekommt. Neben der Sicht Sinas wird von einer zweiten, anfangs noch anonym gehaltenen Person erzählt. Dazu gesellen sich immer wieder Auszüge aus dem Tagebuch von Riks Exfreundin Mia, die viel mit dem Geheimnis, dem Sina auf die Spur kommen will, zu tun hat. Dieses Tagebuch und die zweite Person liefern dem Leser mit jedem weiteren Auszug weitere Einblicke, sodass sich nach und nach nicht nur die Identität des anonymen Erzählers, sondern auch der Abgrund um das Geheimnis immer mehr lüftet. An mancher Stelle setzt Janet Clark auf tragische Szenen, ohne dass diese notwendig wären – denn obwohl es hier und da an Spannungsbögen fehlt, ist die Story an sich angenehm lesbar und plätschert gemächlich vor sich hin. Beim Leser entsteht durch diese „krassen“ Szenen daher eher der Eindruck, als wolle die Autorin ihren Lesern mit aller Gewalt spannende Unterhaltung liefern. Das gelingt ihr nur bedingt und wirkt in einigen Momenten zu bemüht und zu konstruiert, als dass man sich wirklich fallen lassen und der Geschichte an diesem Punkt Glauben schenken könnte. Die hier investierte Mühe wäre vielleicht besser den Charakteren zugute gekommen, denn bis auf Sina – auch wenn die Autorin sehr viel Wert auf deren Kleidungsstil zu legen scheint, was leider gehäuft auftritt und damit negativ auffällt – kann kein Charakter wirklich hervorstechen. Einzig ihr kleiner Bruder Ben gewinnt das Herz des Lesers durch seine aufgeweckte, aber nicht nervtötende Art sehr schnell für sich.
Insgesamt hat Janet Clark auch mit Sei lieb und büße einen soliden Jugend-Thriller geliefert, der mit einigen Schwachpunkten auskommen muss und daher nicht ganz an das Niveau ihrer Vorgänger-Romane anschließen kann. Trotzdem merkt man auch hier sehr deutlich, dass die Autorin ihr Geschäft versteht und Spaß hat an dem, was sie tut. Fans werden auch an diesem Roman ihren Gefallen finden, Neulingen sind allerdings eher ihre bisherigen Bücher ans Herz zu legen. Fest steht in jedem Fall, dass Janet Clark sich einen unbestreitbaren Platz im (Jugend-)Thriller-Genre gesichert hat und diesen nicht so schnell wieder abgeben müssen wird. Schon jetzt freut man sich auf weitere Werke aus ihrer Feder und ist gespannt, welches Thema wohl Hauptfaden des nächsten Buches sein wird.
Fazit:
Sei lieb und büße weist im Vergleich zu anderen Romanen von Janet Clark einige Schwächen auf, die den Lesegenuss zumindest zeitweilig ein wenig schmälern. Hochbrisante Themen werden zu einer grundsätzlich interessanten Geschichte vermischt, die jedoch zwischendurch mit diversen Spannungstiefs zu kämpfen hat, welche die Autorin mühevoll mit tragischen Wendungen zu umschiffen und mit einem völlig überzogenen Ende zu vertuschen versucht. Kurzweilige Unterhaltung in jedem Fall, aber nur für Clark-Fans ein echtes Muss.
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eine Kommentar
Danke für diese ehrliche Rezi!
Liebe Grüße
Claudia