Shining Girls (Lauren Beukes)
Klappentext:
Ein Mörder aus der Vergangenheit.
Das Mädchen, das ihm entkam.
Eine Jagd, die längst vorbei ist.
Und doch erst beginnt …
Chicago zur Zeit der Großen Depression. Lee Harper lebt auf der Straße. Er ist kaltblütig, hochgefährlich, von Wahnvorstellungen getrieben. Seit er die strahlend schöne Tänzerin Jeanette sah, träumt er von seinen „Shining Girls“. Er will nur eines: ihr Licht für immer auslöschen. Eines Tages fällt ihm der Schlüssel zu einem alten Haus in die Hände – einem Portal. Von nun an reist Harper durch die Zeit, um zu töten. Niemand kann ihn stoppen, keiner vermag die Spuren zu deuten, die er am Tatort hinterlässt. Dinge, die noch nicht oder nicht mehr existieren. Doch dann überlebt eines von Harpers Opfern. Der jungen Kirby gelingt es, die unmöglichen Puzzleteile zusammen zu setzen. Und sie beginnt, den Killer durch die Zeit zu jagen.
Rezension:
Nichts ist unendlich reduzierbar. Man kann ein Atom spalten, aber man kann es nicht auflösen. Das Zeug bleibt da. Es hängt sich an einen, selbst wenn es zerbrochen ist. Wie eine Eierschale. Irgendwann muss man die Teile einsammeln. Oder weggehen. Nicht zurückschauen.
(Seite 56)
Lee Harper hat kein einfaches Leben im Chicago während der Großen Depression. Er ist ein Außenseiter, der ständig Probleme bekommt. Deshalb kommt er kaum zur Ruhe, und als er wieder einmal auf der Flucht ist, gelangt zufällig der Schlüssel zu einem alten Haus in seinen Besitz. Schnell bemerkt er, dass es kein gewöhnliches Haus ist, denn die Gegenstände in einem Zimmer scheinen ihm etwas zuzuflüstern. Und dann steht er auf einmal in einer anderen Zeit, nachdem er zur Haustür rausgegangen ist. Für Harper ergeben sich dadurch zahlreiche neue Möglichkeiten, seine sadistische Ader auszuleben, ohne dafür belangt zu werden. Denn das alte Haus bietet ihm immer wieder einen Rückzugsort in seiner eigentlichen Zeit – alle Chancen auf das perfekte Verbrechen. Schon bald wird daraus ein Spiel für ihn, das ein hohes Suchtpotential hat, und dank der flüsternden Gegenstände findet sich auch immer wieder ein passendes Opfer, das er durch die Zeitreisen bereits viele Jahre vor der eigentlichen Tat aufsuchen kann. Eins haben seine Mädchen immer gemeinsam: Ein zartes Leuchten umgibt sie und genau das ist auch das Erkennungsmerkmal, mit dessen Hilfe er sie aufspürt. Er wiegt sich in Sicherheit und wird irgendwann nachlässig, und so überlebt eines der Mädchen, gefangen in den Erinnerungen an dieses Erlebnis. Als die Polizei immer weniger Zeit für die Suche nach dem Täter aufbringt, beschließt sie, die Sache selbst in die Hand zu nehmen – was sich als schwierig, aber nicht unmöglich herausstellt.
Zeitreisen sind kein neues Thema im Bereich der erzählenden Literatur. Lauren Beukes liefert mit ihrer Verbindung zum Thriller-Genre eine spannende Grundidee. Die Geschichte, in der ein gestörter und sadistischer Mörder durch die Zeit reist und unbescholten junge Mädchen umbringt, bietet einen großen Spielraum für jede Menge Spannung und interessante Wendungen. Hierfür ist ein aufwändiges und gut durchdachtes Konzept vonnöten, und genau dieses scheint Shining Girls zu fehlen. Denn der Autorin gelingt es zwar, den Leser bereits mit den ersten Kapiteln zu fesseln, doch leider wird die Handlung im weiteren Verlauf besonders durch die Zeitsprünge sehr wirr und nur noch schwer nachvollziehbar. Das ständige Hin und Her zwischen den Zeiten wird lediglich durch die Kapitelüberschriften eingeleitet und unterstützt, diese werden allerdings auch leicht überlesen. Zusätzlich wird die Geschichte auch aus zwei, später sogar drei Ansichten erzählt – erst kommen nur Harper und Kirby abwechselnd zu Wort, in den späteren Kapitel meldet sich ein dritter Charakter Dan, der zu Kirbys Unterstützung einfließt, ebenfalls in Teilen zu Wort. Diese Dynamik macht es dem Leser schwer, sich vollends in die Geschichte fallen zu lassen und die an sich interessante Grundidee wirklich zu genießen.
Sprachlich bewegt sich Lauren Beukes auf einem gut lesbaren Niveau, teilweise nutzt sie eine sehr bildreiche Sprache, die eine spannungsvolle Atmosphäre aufbauen kann. Zwischendurch sind die Worte allerdings auch ein wenig holprig, was vielleicht an der Übersetzung liegen kann, dem deutschsprachigen Leser jedoch viel vom Lesespaß nimmt. Auch bei der Gestaltung der Charaktere kann man anfangs noch sehr viel Mühe erkennen, welche jedoch im Verlauf ebenfalls immer mehr nachlässt. Vor allem Dan hat immer wieder seine hellen Momente, besonders im Zusammenspiel mit Kirby liefert er dem Leser immer wieder amüsante Unterhaltung. In Lee Harper findet sich so ziemlich alles Schlechte, das man einem Antagonisten auf den Leib schreiben kann. Trotzdem bleiben alle Hauptfiguren weitestgehend blass und es fällt schwer, eine wirkliche Bindung zu ihnen aufzubauen. Zusammen mit den teilweise wirren Handlungssträngen entsteht daher ein Gesamtpaket, das nicht richtig ausgereift scheint. Der gegebene Spielraum wird nicht ausreichend genutzt, sodass viel Potential auf der Strecke bleibt. Was schade ist, denn Lauren Beukes hat in jedem Fall alle Voraussetzungen, um spannende Unterhaltungsliteratur zu liefern. Vielleicht klappt es beim nächsten Buch etwas besser.
Fazit:
In Shining Girls wird dem Leser eine wunderbare neue Idee vorgelegt, die leider in der Umsetzung an verschiedenen Punkten scheitert. Ein Zeitreise-Thriller, der viele gute Ansätze bietet, sich jedoch nicht so klar darüber zu sein scheint, wohin sein Weg führen soll. Lauren Beukes schafft teilweise eine sehr tiefe Atmosphäre, die allerdings nicht aufrechterhalten werden kann, weil der Roman über seine eigens eingebauten Hürden stolpert. Dadurch geht viel Potential verloren und der Lesespaß sinkt so rapide, dass auch die wenigen Pluspunkte nicht viel aufwiegen können.
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eine Kommentar
oh nein!!
der klappentext war so ansprechend :(