Splitterlicht (Megan Miranda)
Über das Buch:
Elf Minuten ist Delaney unter dem Eis, bevor ihr bester Freund Decker sie aus dem eiskalten See herausziehen kann – und nach allem, was die Ärzte sagen, sollte sie eigentlich tot sein. Aber nach einer Woche im Koma erwacht Delaney – ohne bleibende Schäden. Und trotzdem ist nichts, wie es vorher war. Nach und nach zeigen sich Risse in Delaneys Alltag und ihrer Wahrnehmung. Unausgesprochene Gefühle zwischen ihr und Decker belasten Delaney zusätzlich, und sie fühlt sich plötzlich zu dem mysteriösen Troy Varga hingezogen, der nach einer Nahtoderfahrung dieselbe schreckliche Fähigkeit wie sie zu besitzen scheint: Beide spüren den bevorstehenden Tod anderer Menschen.
Rezension:
Nach drei Minuten ohne Sauerstoff wird man ohnmächtig.
Ab vier Minuten kommt es zu dauerhaften Hirnschäden.
Dann zum Herzstillstand.
Der Tod tritt nach etwa fünf Minuten ein.
Spätestens nach sieben. Definitiv nach zehn.
Decker hat mich nach elf Minuten aus dem Wasser gezogen.
(aus dem Klappentext)
Seit vielen Jahren schon sind Delaney und Decker Nachbarn und beste Freunde. Zwar merkt Delaney seit einiger Zeit, dass der Junge von nebenan ihr immer mehr als nur ein Freund bedeutet, aber sie würde es ihm niemals sagen – schließlich könnte dadurch ihre Freundschaft zerbrechen und sie ihn verlieren. Das möchte sie auf gar keinen Fall, also versucht sie, sich weiterhin ganz normal zu verhalten. Das bedeutet auch, dass sie gemeinsam mit ihrer Clique das winterliche Ritual einer Team-Schneeballschlacht-Jagd auch in diesem Jahr vollzieht. Nur haben sich die draufgängerischen Jungs dieses Mal etwas Besonderes ausgedacht – sie wollen auf der anderen Seite des nahegelegenen Sees spielen. Aus Zeitgründen müssen Decker und Delaney den See dazu überqueren, der zwar zugefroren ist, Delaney aber trotzdem ein schlechtes Bauchgefühl verursacht. Es kommt, wie es kommen muss: Delaney bricht ins Eis ein und ist ganze elf Minuten unter Wasser, bevor Decker sie rausziehen kann. Eigentlich müsste sie tot sein, doch sie ist am Leben und fühlt und hört neuerdings seltsame Dinge und Stimmen. Nur einer kann wirklich verstehen, was sie jetzt durchmacht – Troy, ein geheimnisvoller Junge, den niemand wirklich kennt und der nun ganz neue Gefühle in Delaney weckt. Doch wer ist er und warum ist er immer genau dann zur Stelle, wenn Delaney jemanden braucht, der genau weiß, was sie gerade erlebt?
Wenn der Leser zu Splitterlicht greift, wird ihn wohl in erster Linie das Cover angesprochen haben – denn dort blickt ihm ein sehr blasses Mädchen mit eisblauen, dunkel umschatteten Augen entgegen. Bis auf ihren wachen Blick und die trockenen Haare könnte man sich gut vorstellen, dass es sich dabei um die Protagonistin Delaney handelt, wie sie unter dem Eis gefangen ist und im kalten Wasser treibt. Denn das ist es, was der Klappentext bereits verrät – und tatsächlich passiert im Buch auch nicht viel mehr. Die wichtigsten Punkte weiß man schon, bevor man das Buch aufgeschlagen hat, und doch bietet Megan Mirandas Jugendbuch eine Geschichte, der man sich kaum entziehen kann. Zwar gibt es keine besonders überraschenden Wendepunkte, doch die Autorin setzt hier ganz klar auf ihre Charaktere, ihre Gedanken und ihr Handeln. Mit Decker und Delaney wird ein klassisches Beste-Freunde-Paar geliefert, das mehr füreinander empfindet, es sich aber nicht eingesteht und deshalb ein paar dumme Sachen macht und sagt. Und dann ist da natürlich noch Troy, von dem man sich erst mit fortschreitender Seitenzahl ein wirkliches Bild machen kann. Der aber doch die ganze Zeit über immer geheimnisvoll und irgendwie auch ein bisschen gruselig bleibt. Der Leser kann Delaneys Zwiespalt und ihre Hin- und Hergerissenheit gut nachvollziehen, da man selbst nie so richtig weiß, was man von alldem halten soll.
Insgesamt ist Splitterlicht recht einfach gehalten, es gibt nur wenige Momente, in denen man ein wenig überrascht wird. Auch sprachlich gesehen hat sich Megan Miranda gekonnt an ihrer Zielgruppe orientiert. Wortspiele oder sehr gekonnte Dialoge darf man hier nicht erwarten. Obwohl es zwischendurch immer wieder einen recht netten Schlagabtausch gibt, der den Leser auch mal schmunzeln lässt. Man erhält hier einen nicht ganz typischen Jugendroman, der bereits im Klappentext den ganzen Inhalt der Geschichte verrät. Trotzdem lohnt sich ein Blick zwischen die Buchdeckel, denn es ist gar nicht so sehr die Story selbst, die hier zu fesseln weiß, sondern das ganze Drumherum. Megan Miranda versteht es, ihren Charakteren erst nach und nach ein Gesicht zu geben und genau auf diese Art einen Spannungsbogen aufzubauen. Dieses Buch ist nicht durchgängig actionreich, kann aber durchaus mit atemlosen Szenen dienen. Für Leser, die die Welt mal mit anderen Augen sehen wollen und die nichts gegen ein bisschen Kälte haben. Gänsehautmomente auf ganz neue Art garantiert!
Ruinen waren Erinnerungen an etwas, das es nicht mehr gab. Sie erinnerten uns daran, dass alles, was gewesen ist, irgendwann vergangen sein würde. Auch ich. Vergangen und vergessen.
(Seite 157)
Fazit:
Nahtoderfahrung im jugendlichen Alter – das ist normalerweise kein Thema, mit dem man sich gerne beschäftigt. In Splitterlicht wird dem Leser allerdings genau diese Thematik in einer spannend erzählten Geschichte unter die Nase gehalten. Megan Miranda schafft es, eine winterkalte Atmosphäre zu schaffen und für Gänsehautmomente zu sorgen. Auch wenn kleinere Abstriche gemacht werden müssen, kann hier ohne Bedenken für kurzweilige Unterhaltung zugegriffen werden.
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