Trigger (Wulf Dorn)
Heyne, 1. Auflage Oktober 2009
Klappenbroschur, 432 Seiten
ISBN: 978-3-453-43402-8
€ 9,95 [D] | € 10,30 [A] | CHF 14,90
Leseprobe
Genre: Psychothriller
Klappentext:
Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?
Der Fall einer misshandelten Patientin wird für die Psychiaterin Ellen Roth zum Alptraum: Die Frau behauptet, vom Schwarzen Mann verfolgt zu werden. Kurz darauf verschwindet sie spurlos. Bei ihren Nachforschungen wird auch Ellen zum Ziel des Unbekannten. Er zwingt sie zu einer makaberen Schnitzeljagd um ihr Leben und um das ihrer Patientin. Für Ellen beginnt ein verzweifelter Kampf, bei dem sie niemandem mehr trauen kann. Immer tiefer gerät die Psychiaterin in ein Labyrinth aus Angst, Gewalt und Paranoia. Und das Ultimatum läuft …
Ein nervenzerreißender Psychothriller, der seine Leser schonungslos in die Abgründe der menschlichen Psyche zieht.
Rezension:
Dann erkannte sie die Gestalt, die am Boden zwischen Bett und Wand kauerte. Ihre Größe war in der Dunkelheit nur schwer abschätzbar. Sie hatte die Beine umschlungen und den Kopf auf die Knie gelegt. Langes dunkles Haar hing strähnig über die Trainingshose. Ein Knäuel Elend.
„Guten Tag“, sagte Ellen.
Zuerst zeigte die Gestalt keine Reaktion; nach einer Weile hob sie den Kopf, langsam wie in einer Zeitlupenaufnahme, doch es war zu dunkel, um ihr Gesicht erkennen zu können.
(Seite 30)
Ellen Roth ist kurz vorm Durchdrehen: Ihrem Freund Chris, der sich auf Australienreise befindet, hat sie für die Zeit seiner Abwesenheit die Obhut seiner Patienten versprochen, darunter ein sogenannter „BIF“. Bei diesem besonders interessanten Fall handelt es sich um eine verwahrloste und völlig verstörte junge Frau, die beim ersten Aufeinandertreffen mit Ellen nur sehr schwer zugänglich ist. Sie behauptet, vom „schwarzen Mann“ verfolgt zu werden, und Chris hat für Ellen eine kurze Notiz hinterlassen, dass er der Patientin Glauben schenkt. Und auch Ellen ist sich nach dem ersten Gespräch sicher, dass die Frau ohne Namen keine Halluzinationen oder Hirngespinste hat. Umso schlimmer ist es für sie, dass die Patientin am nächsten Morgen spurlos verschwunden ist und außer Ellen (und dem abwesenden Chris) niemand etwas von dieser Patientin zu wissen scheint. Selbst der hinzugezogene Kollege Mark zweifelt ein wenig am Verstand seiner geschätzten Kollegin, verspricht ihr aber, sie bei der Suche nach ihrer verloren gegangenen Patientin zu unterstützen. Doch dann wird Ellen selbst zur Zielscheibe des „schwarzen Mannes“, der sie nicht nur telefonisch belästigt, sondern auch handgreiflich wird – in Ellen wachsen schlimme Verdächtigungen, denn der Täter ist ihr sehr viel näher, als sie ahnen kann …
Unter „Trigger“ versteht man Sinneseindrücke, die Erinnerungen an alte Erfahrungen in einer Art wecken, als ob diese Erfahrung jetzt nochmal neu gemacht werden würde. Diese Erinnerung erfolgt meist plötzlich und mit großer Wucht. Die damaligen Gefühle werden unmittelbar erlebt (Flashback). Die reale aktuelle Situation kann dann vom Betroffenen oft nicht mehr wahrgenommen werden. Er reagiert oft so, als würde er sich in der alten, erinnerten Situation befinden.
Als „Trigger“ können auch ganz schwache Signale wirken, beispielsweise ein Jahrestag, ein Geruch, eine Geste, ein Geräusch. Sie stehen meist im Zusammenhang mit schweren seelischen oder körperlichen Verletzungen (posttraumatische Belastungsstörung).
Quelle: Wikipedia
Für seinen ersten Psychothriller hat sich Wulf Dorn direkt ein interessantes und nur schwer in der Literatur darzustellendes Thema ausgesucht. Bereits der Titel des Debüts Trigger lässt den Leser erahnen, was ihn erwarten könnte – und doch bekommt man schließlich etwas gänzlich Neues vorgesetzt. Selbst in der Betreuung von Psychatrie-Patienten tätig, bewegt sich Dorn also zumindet inhaltlich auf sehr sicherem Gebiet. Aber auch sprachlich und im Zusammenspiel von beiden Komponenten weiß der sich normalerweise im Horror-Genre austobende Autor den Leser nahezu von Anfang an auf seine Seite zu ziehen. Zwar lassen zwischendurch einige Passagen den Lesefluss etwas zäh werden, doch insgesamt liest sich Trigger auf Grund der Thematik und der überzeugenden Umsetzung recht schnell weg.
Dabei hält sich Dorn sehr zurück, was psychologische Fachbegriffe angeht, sodass auch für Laien alles leicht verständlich ist und sich jeder Leser gleich gruseln kann. Wobei der Grusel nicht im klassischen Sinne zu verstehen ist, vielmehr muss man ihn sich als ein unter die Haut krabbelndes Tierchen vorstellen, bei dessen Bemerken die Gänsehaut von ganz allein zu entstehen scheint. Dazu tragen auch und vor allem die anschaulichen Beschreibungen der alten und düsteren Gebäudetrakte bei, die die Protagonistin auf ihrem Weg öfter durchkreuzen muss. Interessant und sehr geschickt, aber nicht aufdrängend untergebracht hat der Autor auch frühere Behandlungsmethoden verschiedener Psychosen, die heutzutage ohne Umschweife in die Kategorie der Folter fallen würden.
Einzig das Ende und die Auflösung der Geschichte lassen den Leser ein wenig wehmütig werden, denn auch ohne große Erfahrungen im Psychothrillergenre sind diese beiden Punkte recht überschaubar und vorhersehbar. Obwohl die Hintergründe faszinierend eingebunden und als solches ziemlich erschreckend sind, bleibt beim Leser leichtes Bedauern zurück. Alles in allem bietet Dorn jedoch kurzweilige und mitunter schockende Unterhaltung im Reinformat, genau so müssen Psychothriller sein!
Fazit:
Der Berliner Sebastian Fitzek bekommt ernstzunehmende Konkurrenz auf dem Gebiet des deutschen Psychothrillers: Bereits mit seinem Debüt Trigger kann Wulf Dorn den Leser überzeugen. Ein anschauliches Setting, atmosphärische Dichte und authentische Charaktere lassen über die teilweise Vorhersehbarkeit hinwegblicken. Schon jetzt darf man sich auf alles Weitere aus Dorns Feder freuen.
Wertung:
Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 3,5/5
Preis/Leistung: 4/5
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Dorn, Wulf: Kalte Stille
Dorn, Wulf: Mein böses Herz
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