Während du stirbst (Tammy Cohen)

Während du stirbst (Tammy Cohen)

Klappentext:

„Sehr wahrscheinlich werde ich TOT sein, bevor Sie das hier zu Ende gelesen haben.“

Drei Dinge gibt es über Jessica Gold zu wissen: Sie ist neunundzwanzig Jahre alt, sie hat eine Knopfphobie, und sie wurde entführt. Von einem Fremden, der sie zwölf Tage lang in seiner Wohnung gefangen hält, sie mit perfiden Grausamkeiten quält, sie angekettet in einer Hundehütte am Fuß seines Bettes schlafen lässt. Und jeden Tag überreicht er seinem Opfer ein Geschenk – eines grausamer als das letzte –, bis Jessica am zwölften Tag sicher weiß: Der Mann wird sie töten. Doch Jessica hat ein Geheimnis, von dem niemand etwas ahnt …


Rezension:

Als die eher unscheinbare Jessica während ihrer Weihnachtserledigungen in einem Kaufhaus vom charismatischen Dominic angesprochen wird, fühlt sie sich zunächst sehr geschmeichelt. Obwohl ihr Bauchgefühl ihr deutlich davon abrät, lässt sie sich von ihm umwerben und steigt schließlich zu ihm ins Auto. Mit spätestens diesem Schritt besiegelt sie ihr Schicksal, denn Dominic ist alles andere als ein netter Mann. Er schleppt Jessica in seine Wohnung, wo sie in den nächsten zwölf Tagen verschiedene Grausamkeiten und Erniedrigungen über sich ergehen lassen muss. Doch Dominic bemüht sich zeitgleich auch, ein guter Gastgeber zu sein. Jeden Tag bekommt Jessica ein Geschenk von ihm überreicht, von denen jedes einzelne eine besondere Bedeutung für den jungen Mann zu haben scheint und zu welchen es immer eine eigene Geschichte gibt. Jessica wird mit jedem Tag bewusster, dass das dicke Ende mit dem letzten Geschenk kommen wird – und dass ihr die Zeit davonläuft …

Einen Thriller geschickt zu verpacken ist wenigstens eine genauso schwierige Aufgabe wie das Schreiben desselben. Mit Während du stirbst (OT „Dying For Christmas“) hat der Blanvalet-Verlag in dieser Hinsicht alles richtig gemacht – schlichtes Cover, ansprechender Titel und vor allem ein reißerischer Klappentext, auch wenn Letzterer vielleicht ein bisschen zu dick aufträgt und der Inhalt des Buches tatsächlich nicht ganz so schrecklich ist wie angekündigt. Dennoch reichen diese Komponenten, um den Leser zum Buch greifen zu lassen, und schon die ersten Seiten beweisen, dass man sich als Genre-Fan richtig entschieden hat. Tammy Cohen zögert sich lange, sondern begibt sich mit der Protagonistin sofort ins Geschehen. In einer tagebuchähnlichen Erzählweise erfährt der Leser nicht nur von Jessicas Begegnung mit ihrem charismatischen Entführer, sondern auch von ihrem Martyrium. Dabei versteht die Autorin es nahezu perfekt, Dominics Handlungen anschaulich zu beschreiben, ohne dabei zu sehr ins verstörende Detail zu gehen. So gelingt es ihr, den Leser zu fesseln und durch die Seiten zu jagen, gemeinsam mit Jessica zu leiden und zu fiebern, ob und wie sie es aus den Fängen des Psychopathen schaffen kann. Unterbrochen werden diese an ein Tagebuch erinnernden Erzählungen durch eingeschobene Einblicke in die Ermittlungsarbeit von Polizistin Kim, die neben diesem Fall auch privat noch einige Baustellen zu bearbeiten hat. Leider behält man während der kompletten Geschichte den Eindruck, dass das Privatleben lediglich ein Versuch ist, das Geschehen weiter aufzubauschen und unnütz in die Länge zu ziehen, denn für den Aufbau sind diese Augenblicke völlig überflüssig.

Ähnlich überflüssig scheint auch der Bruch in der Geschichte zu sein, als Jessica schließlich aus ihrem Gefängnis ausbrechen kann und bei der Polizei gebeten wird, alles aufzuschreiben. Denn mit Beginn der anschließenden Ermittlungsarbeiten kommen zahlreiche Ungereimtheiten ans Licht, die irgendwie nicht so ganz ins Bild passen wollen. Für den Leser ist leider viel zu schnell klar, was am Ende des Buches stehen wird, denn obwohl Tammy Cohen sich redlich Mühe gibt, alles in ein gutes Zusammenspiel zu packen, wirkt der Teil nach Jessicas Flucht viel zu konstruiert – und an vielen Stellen leider auch unglaubwürdig. Als Leser fragt man sich, wie man sich als gestandene Polizistin derart verarschen lassen kann und ob es tatsächlich Menschen gibt, die so naiv und leichtgläubig sein können. Im Grunde gibt es im ganzen Buch nur zwei Charaktere, die tatsächlich interessant waren – zum einen Dominic, über den man lediglich aus Jessicas Erzählungen ein wenig mehr erfährt; und zum anderen jemand, den hier zu nennen wahrscheinlich unter Spoilern fallen würde.

Insgesamt lässt sich wohl sagen, dass Während du stirbst unglaublich stark anfängt, die Spannung auch relativ lange aufrecht erhalten kann, jedoch spätestens im Laufe der ersten ernsten Gespräche zwischen Jessica und Kim sehr nachlässt. Leider schafft es der zweite Teil auch nicht, das Ruder wieder herum zu reißen und an das Lesevergnügen des ersten Abschnittes anzuknüpfen. So bleibt der Leser trotz des vielversprechenden Einstiegs am Ende doch etwas enttäuscht zurück und fragt sich, ob hier ein frühzeitiges Abbrechen nicht doch besser für diesen Thriller gewesen wäre.


Fazit:

Während du stirbst lässt den Leser sehr zwiegespalten zurück. Denn während Tammy Cohen im ersten Teil alles liefert, was einen richtig guten Psycho-Thriller ausmacht, wirkt der zweite Teil fast so, als hätte ihn jemand anderes geschrieben. Ein kompletter Bruch in der Geschichte, der mit nahezu jeder Seite unglaubwürdiger wird. Auch wenn letztlich alle roten Fäden irgendwie zusammenfinden, macht dieser wirre, konstruiert wirkende zweite Abschnitt leider das positive Lesegefühl zu einem großen Teil kaputt. Trotzdem sei dieser Thriller eingefleischten Genre-Fans ans Herz gelegt, denn mit überraschenden Wendungen weiß er definitiv zu fesseln und zumindest zum größten Teil zu überzeugen.



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