Wassermanns Zorn (Andreas Winkelmann)

Wassermanns Zorn (Andreas Winkelmann)

Klappentext:

Manuela Sperling ist neu bei der Polizei. Gleich an ihrem ersten Tag muss sie sich mit dem grausigen Mord an einer Prostituierten befassen, deren Leiche eingekeilt zwischen Baumwurzeln im seichten Teil des Flusses liegt – ertränkt. Auf dem Bauch der Toten finden die Spurensicherer eine grausige Botschaft, gerichtet an Manuelas Chef, Kriminalhauptkommissar Stiffler.
Manuela muss erkennen, dass ihr Eifer nicht von allen im Präsidium gern gesehen wird. Da ertrinkt erneut eine Frau, direkt vor ihren Augen. Eine unsichtbare Macht zieht sie auf den See hinaus und unter die Wasseroberfläche. Und Stiffler dreht durch …


Rezension:

Das Letzte, was ich sehe, sind unsere Haare, dachte sie. Meine und ihre, miteinander verflochten, so wie unsere Leben.
Ein paar Luftblasen stiegen von ihren Lippen auf. Silbrig schimmernde Kugeln, die sie so gern zurückgestopft hätte in ihren Mund, damit das bisschen Sauerstoff ihr noch eine Sekunde verschaffte. Eine Sekunde länger im Leben, im Hier und Jetzt …
Ihre unkontrollierten Zuckungen erlahmten. Durch das Wasser gedämpft und verzerrt hörte sie ihre eigenen Schluckgeräusche, entsetzlich, unmenschlich. Die dröhnende Stimme des Todes hallte durch ihren Kopf, füllte ihn aus, lauter als die Angst, lauter noch als der Schrei nach Leben.
Sie atmete ein letztes Mal ein.
Und dann war Stille.
(Aus dem Prolog, Seite 11)

Direkt am ersten Tag an ihrem neuen Arbeitsplatz erlebt Manuela Sperling, frisch von der Polizeischule, gleich zwei unangenehme Begegnungen: Zum einen muss sie sich mit ihrem nicht ganz einfachen Vorgesetzten Eric Stiffler auseinander setzen, zum anderen ist der erste Fall, an dem sie gemeinsam ermitteln, sofort ein Mordfall – und kein besonders appetitlicher, denn es handelt sich um eine Wasserleiche, der zudem noch eine Nachricht an ihren Chef geritzt wurde. Doch Manuela ist tough und nicht ohne Grund zur Polizei gegangen, deshalb reißt sie sich zusammen und beschließt, das Beste aus der Situation und der Zusammenarbeit zu machen. Tatsächlich kann sie einige gute Ideen in die Ermittlungen bringen, auch wenn Stiffler diese Tatsache nicht richtig anerkennen möchte und ohnehin eher negativ auf sein neues „Anhängsel“ zu sprechen ist. Er speist sie mit sinnlosen Aufgaben wie Wasserproben ab, verhält sich Manuela gegenüber unmöglich und hält außerdem wichtige Informationen zurück – bis eine weitere Frau direkt vor ihrer beider Augen ertrinkt und Stiffler keinen Finger rührt, um ihr zur Hilfe zu eilen. Aus gutem Grund, denn seine Verbindung zu dieser Frau und dem kompletten Fall ist sehr heikel …

Jeder hat vor irgendwas Angst. Spinnen, Dunkelheit, Höhe – Phobien sind keine Seltenheit, und Andreas Winkelmann spielt in Wassermanns Zorn mitunter auch mit dem Thema Angst bzw. schürt selbige. Nur dass es sich hierbei um ein sehr wichtiges und alltägliches Element des Lebens handelt, nämlich Wasser. Ein Gut, das jeder jeden Tag benutzt und zu sich nimmt, also eigentlich etwas, vor dem man keine Angst haben sollte. Und doch überkommt den Leser beim Griff nach Winkelmanns Thriller ein eigenartiges Gefühl und man ist froh, wenn man sich nicht in unmittelbarer Nähe zum Wasser befindet. Dabei ist natürlich die ganze Zeit klar, dass nicht das Wasser der Mörder in seinem Roman ist, sondern nur ein Element, das dem Mörder das Töten erleichtert und ihn dabei unterstützt. Was das Grauen allerdings nicht schmälert und auch nicht verhindern kann, dass man nach der Lektüre mit anderen Augen aufs Wasser blickt.

Aber nicht nur das Wasser löst eine Gänsehaut aus, auch seine Charaktere hat Andreas Winkelmann in einer recht kontroversen Art entwickelt. So lässt der Name von Protagonist Eric Stiffler automatisch an das leicht dümmliche Ekel aus „American Pie“ denken, und tatsächlich hat der Leser es auch hier mit einer unausstehlichen Person zu tun, die zwar nicht dümmlich, dafür aber sehr berechnend ist. Manuela Sperling bietet hier einen guten Gegenpol, denn sie bringt nicht nur frischen Wind ins Revier, sondern auch einen sehr eigenwilligen Charakter mit, der sie jedoch nicht unsympathisch erscheinen lässt. Eine weitere tragende Rolle nimmt Taxifahrer Frank ein, der als Narkoleptiker mit starken Kataplexien, bei dem es zu Ausfällen von einzelnen oder auch kompletten Muskelpartien kommt, zu kämpfen hat. Diese Krankheit wurde gut recherchiert und macht Frank in ihrer Komplexität zu einem sehr authentischen Charakter ohne Über-Funktion, mit dem man im echten Leben gerne mal ein Bier trinken gehen würde.

Als Gesamtwerk betrachtet kann Wassermanns Zorn also mit allem auffahren, was einen Thriller ausmacht. Trotzdem gibt es zwischendurch einige Stellen, an denen sich das Lesen sehr in die Länge zieht. Diese werden am Ende aber jedes Mal wieder durch andere Kapitel ausgeglichen, in denen es deutlich rasanter zugeht und man als Leser wie wahrscheinlich auch als Protagonist kaum durch Durchatmen kommt. Besonders sind dabei die Einsichten, die der Täter bietet, denn auch dieser kommt kapitelweise zu Wort und lässt den Leser Stück für Stück hinter die Kulissen schauen und den Hintergrund für all die Morde erkennen.
Die beste Atmosphäre zum Lesen dürfte wohl das heimische Bad, ein hoteleigener Whirlpool oder der nahegelegene Badesee sein. Und obwohl Andreas Winkelmann mit seinem Thriller den Genuss ausgiebiger Schaumbäder ein wenig schmälert, kann man ihm deshalb nicht böse sein. Das Lesevergnügen in und außerhalb der Badewanne ist es definitiv wert – eine Leseempfehlung für alle Thriller- und Wasserliebhaber.


Fazit:

Ein grundsolider Thriller, der trotz einiger Längen gut zu unterhalten weiß – mit Wassermanns Zorn zeigt Andreas Winkelmann sehr deutlich, warum er sich einen festen Platz im Bücherregal von Thriller-Liebhabern verdient hat. Das Zusammenspiel aus sympathischen Charakteren und einer spannenden Geschichte, die in einem umfangreich aufklärenden Ende mündet, bietet zum großen Teil kurzweilige Unterhaltung. Doch Vorsicht ist geboten: Nach dem Lesen bekommen ausgiebige Schaumbäder einen ganz neuen Beigeschmack.




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