Wenn der Morgen die Dunkelheit vertreibt (Brittainy C. Cherry)
Klappentext:
Jackson Emery glaubt nicht an Versprechen. Und ich glaube nicht mehr an die Liebe. Ich bin zu zerbrochen für ihn. Er ist nicht der Richtige für mich. Und doch sind wir perfekt füreinander. Weil wir wissen, dass das zwischen uns nicht für immer sein wird. Weil wir die Hoffnung längst aufgegeben haben, dass uns jemand für den Rest unseres Lebens lieben könnte. Bis der Moment des Abschieds gekommen ist und wir plötzlich merken, dass wir nie wieder ohneeinander sein können.
Rezension:
Monate nach der Trennung treffen sich Grace und ihr Mann Finn in ihrem gemeinsamen Haus, um die letzten Sachen auszuräumen und den Papierkram mit der Bank zu klären. Obwohl die Gefühle immer noch da sind, weiß sie im tiefsten Inneren, dass es ein für alle Mal vorbei ist. Denn Finn hat sie betrogen und kein Interesse daran, dieses gebrochene Vertrauen wieder zu kitten und an der Ehe zu arbeiten. Den Glauben an die Liebe verloren, kehrt Grace für den Sommer zurück in ihre Heimatstadt Chester, in der jedoch andere Regeln gelten. Nicht nur ihre Familie, sondern die ganze Stadt erwartet, dass sie den Betrug verzeiht und ihrem Mann bis zum Lebensende treu bleibt. Wie es sich für eine gute Ehefrau eben gehört. Doch der Bruch zwischen den beiden ist einfach zu groß und Grace geht ihren eigenen Weg – der sie direkt zu Jackson führt, dem schwarzen Schaf der Stadt. Beziehungsweise seinem Nachwuchs, denn Jackson leitet inzwischen die Autowerkstatt seines alkoholkranken Vaters, und beide Männer sind in Chester alles andere als gerngesehen. Doch die Verlorenheit, die Grace verspürt, ist in Jacksons Anwesenheit sehr viel einfacher zu ertragen, und auch Jackson findet in Grace eine verwandte Seele – ganz zum Unmut der kompletten Stadt einschließlich ihrer Eltern und Finn. Trotzdem lassen sie sich vollends in ihre dunkle Affäre fallen – denn es ist ja ohnehin nur eine Frage der Zeit, bis Grace wieder zurück nach Atlanta gehen wird.
Brittainy C. Cherry schafft es ein weiteres Mal, unglaublich tiefe Emotionen in Worte zu fassen und zwei kaputte Seelen zusammen zu bringen. Schon der Einstieg in die Geschichte zeigt, dass es kein einfaches Buch wird, sondern der Leser auf jeden Fall Taschentücher bereit halten sollte. Aber das ist für Fans der Autorin nichts Neues, schließlich sind genau diese schicksalhaften, berührenden Geschichten ihr Markenzeichen. Und doch kann sie mit Wenn der Morgen die Dunkelheit vertreibt nicht auf voller Linie überzeugen. Die Charaktergestaltung von Grace ist zu großen Teilen sehr anstrengend, obwohl sie im Verlauf des Buches eine enorme Entwicklung macht und zu sich selbst findet. Die Werte, die ihr von klein auf als Tochter des Stadtpredigers vermittelt wurden, rücken nach und nach in den Hintergrund und Grace findet heraus, wer sie eigentlich ist und was in ihrem Leben wichtig ist. Doch auch diese Entwicklung tröstet nicht darüber hinweg, dass sie viel Raum einnimmt.
Im Gegensatz dazu erhält Jackson nur wenig Möglichkeiten, dabei kann der Leser zu ihm – obwohl er der ganz klassische Bad Boy und die meiste Zeit ein echtes Arschloch ist – leichter eine Beziehung aufbauen. Zum ersten Mal spielt Cherry in einem ihrer Romane mit den sehr typischen Charakterbildern des Genres – die brave, etwas naive Tochter aus gutem und angesehenem Haus gegen den düsteren, verhassten Sohn des Stadtabschaums. Leider zeichnet genau diese klassische Gestaltung auch das größte Problem des Buches aus. Die altbackenen Glaubenssätze der Stadt, die festgefahrenen Weltsichten der Familie, die ausgelebte dunkle Seite des Stadtmonsters – fast scheint es so, als würde die Autorin hier ein New Adult-Bullshit Bingo spielen wollen. Der ständige Bezug auf diese Punkte, der sich durch das komplette Buch zieht, schmälert das Lesevergnügen enorm.
Doch es gibt auch immer wieder wunderschöne Lichtblicke zwischen den Seiten, die das Durchhalten belohnen. Kleine Details, wie liebevolle Botschaften in Büchern oder auch die stillen Momente, in denen Cherry die Verbundenheit zwischen Jackson und Grace, schaffen eine zeitweilig tiefgründige Atmosphäre, aus der man sich nur schwer losreißen kann. Während des Lesens mitzuerleben, wie beide Protagonisten sich weiterentwickeln und einander öffnen, lässt den Leser immer wieder verhalten lächeln und mitunter auch mal verzückt seufzen. Auch sprachlich gibt es wieder nichts auszusetzen, der ganz eigene Schreibstil kommt auch in Wenn der Morgen die Dunkelheit vertreibt zur Geltung und nimmt den Leser schnell gefangen. Wenn man es schafft, all den kirchlichen Kram – obwohl dieser ein essentieller Bestandteil der Storyline ist – und das widerwärtige Verhalten der meisten Nebencharaktere nicht zu nah an sich ranzulassen, kann auch dieser Cherry-Roman kurzweilige Unterhaltung bieten. Nur der Nachhall bleibt ein wenig bitter, und man kann nur hoffen, dass das nächste Buch sich wieder weniger Klischees bedient und mit einer Hintergrundgeschichte auffahren kann, die sich nicht zu sehr auf veraltete Glaubenssätze versteift.
Fazit:
Zum ersten Mal kann ein Roman von Brittainy C. Cherry nicht auf ganzer Linie überzeugen. Durch den Fokus auf kirchliche Hintergründe und veraltete Weltansichten bekommt das Lesevergnügen in Wenn der Morgen die Dunkelheit vertreibt einen deutlichen Dämpfer. Der gewohnt tiefgründige Schreibstil und viele kleine Lichtblicke zwischen den Zeilen machen das Buch für Fans sicherlich zu einem Muss – Cherry-Neueinsteiger sollten jedoch lieber zu einem anderen Titel greifen, um den Zauber in voller Gänze genießen zu können.
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