Witch Hunter (Virginia Boecker)
Klappentext:
Wer ist Freund? Wer ist Feind?
Als die 16-jährige Elizabeth mit einem Bündel Kräuter gefunden wird, das ihr zum Schutz dienen soll, wird sie in den Kerker geworfen und der Hexerei angeklagt. Doch wider Erwarten retten weder Caleb, ihr engster Freund und heimlicher Schwarm, noch ihr Lehrmeister Blackwell sie vor dem Scheiterhaufen. Stattdessen befreit sie in letzter Sekunde ein ganz anderer: Nicholas Perevil, der mächtigste Magier des Landes und Erzfeind aller Hexenjäger. Er lässt sie heilen und nimmt sie bei sich und den Magiern auf. Denn längst ist im Hintergrund ein Machtkampf entbrannt, und Elizabeth spielt darin eine Schlüsselrolle. Nun muss sie sich entscheiden, wo ihre Loyalitäten liegen.
Rezension:
Seit Elizabeth denken kann, ist sie im Auftrag des Königs als Hexenjägerin auf den Straßen von Anglia unterwegs, um Hexen und Magier zu stellen und aus dem Verkehr zu ziehen. Dass dabei manchmal etwas schief geht, lässt sich nicht vermeiden, und zum Glück steht ihr Caleb, mit dem sie aufgewachsen und in den sie irgendwie schon ewig heimlich verknallt ist, zur Seite, um sie vor den schlimmsten Konsequenzen zu bewahren. Als sie jedoch mit einem Beutel Kräuter von der Palastwache aufgegriffen wird, kann ihr auch Caleb nicht helfen. Elizabeth wird unter Arrest gestellt und in den Katakomben weggesperrt. Mit jedem Tag, der vergeht, wird ihre Hoffnung kleiner, außerdem wird sie schwer krank und leidet unter Wahnvorstellungen. Bereits mit dem Gedanken, auf dem Scheiterhaufen verbrannt zu werden, angefreundet, wird sie jedoch in allerletzter Sekunde gerettet – allerdings von genau dem Mann, auf den sie eigentlich seit jeher Jagd macht. Allmählich begreift Elizabeth, dass nicht alles, was ihr bisher erzählt wurde, wirklich der Wahrheit zu entsprechen scheint, und dass die Wahrheit sehr viel umfassender ist, als sie je zu ahnen gewagt hätte. Jetzt ist es an der Zeit, sich für eine Seite zu entscheiden – immer in dem Bewusstsein, welche weitreichenden Konsequenzen ihre Wahl haben wird.
Obwohl die Witch Hunter-Welt an die eher düstere und dunkle Zeitepoche der Hexenverfolgung angelehnt ist, hat man niemals das Gefühl, sich in einer solchen Atmosphäre zu bewegen. Die Erzählweise ist zwar sehr dicht, jedoch nicht bedrückend, wie man sich die damalige Zeit vorstellt. Virgina Boecker schafft es, mit ihrer Geschichte Neugier auf diese Zeit zu wecken, ohne dabei richtiges Unbehagen auszulösen. Dabei hilft sicherlich auch, dass es kein klassisches Arm-und-Reich-Gefüge gibt oder zumindest keines dargestellt wird. Zwar steht natürlich der König an oberster Stelle, aber er ist nicht der einzige wohlhabende Mensch, dem der Leser begegnet. Und von abgeranzten Bettlern, wie man sie sich ja gerne im Kontext vorstellt, wird fast gar nicht erzählt, höchstens mal am Rande. Stattdessen zeichnet Virginia Boecker ihre Charaktere sehr klar und authentisch, die Ich-Erzählperspektive der Protagonisten unterstützt das Gefühl der Nähe zu den Charakteren noch zusätzlich. Als Leser hat man oft den Eindruck, als würde man direkt neben Elizabeth sitzen oder stehen, wodurch man noch leichter Zugang zu ihr findet. Es ist außerdem sehr spannend zu sehen, dass man ebenso unsicher ist und nicht genau weiß, wer eigentlich gut und wer böse ist. Hier wird teilweise mit so unklaren Grenzen gearbeitet, dass es schwer fällt, an dem Schwarz-Weiß-Denken festzuhalten.
Zwischendurch wird immer wieder die Pest erwähnt, die in diesem Roman von Hexen und Hexenmeistern ausgelöst wurde, was ebenfalls einen zeitlichen Richtwert bietet. Unabhängig von diesen Hinweisen und entsprechenden Elementen könnte Witch Hunter aber auch eine ganz normale Abenteuergeschichte sein. Denn die Welt ist so aufgebaut, dass man nicht das Gefühl hat, sich wirklich im phantastischen Genre zu bewegen. Es gibt, bis auf die Magie, keine weiteren Fantasy-Elemente – und doch macht genau das den Reiz eines Besuchs in Anglia aus. Dort ist Hexerei in all ihren Formen verboten, selbst Kräuterkunde und Alchemie sind gefährlich für Leib und Seele und werden mit dem Tod durch Erhängen oder auf dem Scheiterhaufen geahndet. Leider ist im Buch keine Karte enthalten, die dem Leser eine Darstellung davon gibt, wie Anglia aufgebaut ist und wie weit die Wege in die umliegenden Regionen sind. Wahrscheinlich auch deshalb verliert man beim Lesen öfter mal das Zeitgefühl und taucht völlig in diese erschaffene, aber irgendwie auch reale Welt ein.
Insgesamt kann Witch Hunter dem Leser durchaus vergnügliche und kurzweilige Lesestunden bieten, ohne dabei zu sehr auf historische Hintergründe zu pochen. Es ist ein angenehmes Zusammenspiel aus echten Fakten und erfundenen Elementen. Die Charakterzeichnung macht es leicht, Zugang zu den Protagonisten zu finden und mit ihnen zu fühlen. Auch Erwachsene können in der von Virginia Boecker erdachten Welt abtauchen und sich gut unterhalten fühlen. Die Zeichen auf eine spannende und lesenswerte Fortsetzung stehen allesamt auf Grün und schon nach dem Beenden der 400 Seiten ist man gespannt auf Band zwei der Reihe.
Fazit:
Jugend-Fantasy at its best – Virginia Boecker schafft nicht nur spannende Unterhaltung in einer dichten Atmosphäre, sondern lässt ihre authentisch gezeichneten Charaktere in einer überaus interessanten Zeitepoche Abenteuer erleben. Historische Details werden dabei auf eine unaufdringliche, aber trotzdem nachhaltige Weise in die Geschichte eingeflochten. Witch Hunter ist ein sehr gutes Beispiel, dass Historie und Fantasy auch Hand in Hand gehen können, ohne sich gegenseitig auszustechen. Vielleicht kein hundertprozentiger Pageturner, doch auf jeden Fall ein Garant für unterhaltsame Lesestunden!
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2 Kommentare
Hallo :)
Dieses Buch habe ich öfters gesehen, aber es hat irgendwie nie so wirklich mein Interesse geweckt. Was eigentlich schade ist, da dieses Buch und deine tolle Rezension mich echt begeistert haben. Ich habe selten eine so ausführliche Rezension lesen dürfen, danke :)
Liebe Grüße vom #litnetzwerk (ich bin leider erst jetzt zu deinem Blog gekommen :/ )
Andrea
Moin Andrea,
das nenne ich mal ein schönes Feedback – sonst muss ich mir immer anhören, dass meine Rezis zu lang und zu ausführlich sind :D Dafür kann ich aber nichts, wenn ich einmal angefangen habe, kann ich mit dem Schreiben nicht mehr aufhören. Deswegen arten auch meine Artikel immer so aus *hust*
Liebe Grüße,
Jess