Alltagsgedanken #5: Zeit kommt, Zeit geht.

alltagsgedanken-rundFast genau ein Jahr nach dem letzten Alltagsgedanken-Artikel, in dem sich viele Ideen für diese Kategorie angesammelt haben, komme ich nun tatsächlich endlich mal wieder dazu, eine von diesen Ideen umzusetzen. Was daran liegt, dass mir das Thema gerade in den letzten Tagen sehr viel durch den Kopf geht und mir sogar ein wenig Angst macht. Ganz konkret seit gestern, als ich festgestellt habe, dass in zwei Monaten schon wieder ein komplett neues Jahr vor uns liegt und es an uns ist, das Beste aus diesen 365 neuen Tagen zu holen und zu machen. Und da es in den letzten zwei Wochen eher ruhig hier auf den Schattenwegen zuging, dachte ich mir, ich nutze den Abend meines faulen Sonntags, den ich überwiegend mit Schlafen, aber auch ein wenig Lesen zugebracht habe, um euch mal wieder ein wenig an meinen Gedankenkarussellen teilhaben zu lassen.

Zeit kommt, Zeit geht.
Zeit kommt erneut.
So einfach.
Ist dieses Gefüge.
(Lilly Lindner)

Ich kenne viele Sätze aus Lillys Büchern auswendig. Nicht nur, weil ich sie gelesen habe und sie sich in mein Gehirn eingebrannt haben, sondern auch weil ich sie auf Lesungen immer und immer wieder höre, sie jedes Mal Neues in mir auslösen und ich ganze Passagen inzwischen mitsprechen könnte, wenn es mir nicht jedes Mal aufs Neue die Sprache verschlagen würde.

Und so passt diese Zeile aus „Da vorne wartet die Zeit“ perfekt zu den Gedanken, die ich mir in den letzten Tagen um den Herbst, die Jahrenszeiten, die Zeit an sich und den schon wieder viel zu nahen Jahreswechsel mache. Wo ist die Zeit geblieben, frage ich mich. Wie kann es sein, dass ein Jahr so schnell an uns vorbeifliegt und in nicht einmal mehr zwei Monaten schon wieder rum ist? Gerade war doch noch Sommer und erst kurz zuvor habe ich im späten Frühling meinen 30. Geburtstag gefeiert. Liegt das am Alter? Vergeht die Zeit einfach schneller, je älter wir werden? Oder nutzen wir sie einfach nicht mehr so wie in Kindheits- und Jugendtagen? Denn daran, dass ein Tag 24 Stunden hat, hat sich doch seitdem nichts geändert. Aber vielleicht ist es einfach der Alltag mit den vielen Stunden im Büro und im Museum, vielleicht sind es die vielen Stunden, die wir mit Arbeit verbringen, und die viel zu wenige Zeit mit den Menschen und Dingen, die uns wirklich und ausschließlich Freude bereiten.

Letzte Nacht habe ich in knapp sechseinhalb Stunden ein Buch fertig gelesen, zwischendurch immer mal wieder im Internet vorbeigeschaut, und dann war plötzlich schon Heute, obwohl doch gerade noch Gestern war und ich mir noch gar nicht so viele Gedanken über das Morgen gemacht habe. Die Zeit rennt, sie rast – früher, das weiß ich noch ganz genau, ist sie geschlichen oder auch sanft vor sich hin geflossen. Aber heute vergeht sie viel zu schnell, dann muss noch das erledigt werden und dieser Punkt auf der ToDo-Liste kann eigentlich auch nicht mehr warten, und dann ist es Abend und ich habe nicht mal die Zeit, den Tag noch einmal Revue passieren zu lassen, obwohl so viel passiert ist und der Sinn von Achtsamkeit doch auch darin besteht, dass man sich abends vor dem Schlafen gehen noch einmal die Zeit nimmt, die Gedanken zur Ruhe kommen zu lassen, damit der Schlaf ein ruhiger und erholsamer wird.

Aber die Zeit hierfür fehlt. Mein tägliches, abendliches Ritual des Tagebuchschreibens und dadurch Gedankenordnens und Kopfleermachens habe ich schon seit Monaten nicht mehr umgesetzt. Weil meine Tage lang und die Nächte viel zu kurz sind und ich lieber eine halbe Stunde mehr unruhigen und unerholsamen Schlaf haben möchte. Möchte ich das wirklich? Ist es nicht wichtiger und besser und vor allem gesünder, mit guten Gedanken und „aufgeräumtem Kummer“ ins Bett zu gehen? Für den Körper und die Seele?

Es ist November. Es ist Herbst und trotz der Temperaturen und der frühen Abenddämmerung fühlt es sich nicht so an. Gerade war doch noch Sommer, gerade habe ich doch noch mit Freunden nach der Museumsschicht noch ein Feierabendbier getrunken, bei guter Live-Musik unter freiem Himmel gesessen und mich darüber gefreut, dass ein T-Shirt völlig ausreichende Bekleidung für diesen Abend ist.

Ja. Zeit kommt, Zeit geht.
Ein neues Jahr kommt und kurz darauf geht es schon wieder.
Wo ist die Zeit geblieben?

Und was fangen wir mit ihr an?


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