Alltagsgedanken #6: Immer auf der Suche …
Seit ein paar Tagen drehen sich meine Gedanken viel um ein Wort und all seine Hintergründe. Und ich frage mich, was dieses Wort eigentlich ausmacht und warum das Wort so heißt, wie es eben heißt, vor allem weil es so viel Ähnlichkeit mit anderen Worten hat, die aber eine ganz andere Bedeutung haben. Oder auch nicht, das ist wahrscheinlich Auslegungs- oder Interpretationssache.
Das Wort, das ich meine, ist „Suche“.
Denn wir alle sind auf der Suche. Jeden Tag stehen wir auf und jeden Tag wird es etwas geben, nach dem wir suchen. Und wenn es nur der Haustürschlüssel oder das Handy oder irgendwas anderes völlig Banales ist. Vielleicht suchen wir nicht unbedingt nach dem Sinn des Lebens. Aber wir suchen, stetig und unaufhaltsam, unaufhörlich. Wir suchen nach Glück und Zufriedenheit, nach einem besseren Leben und einem besser bezahlten Job, nach Nähe, Hoffnung, Zuversicht, Geborgenheit. Wir suchen nach Antworten auf Fragen, die zu stellen wir jedoch nicht in der Lage sind. Und wir suchen nach Dingen, von denen wir nicht einmal wissen, dass wir nach ihnen suchen, bis sie dann auf einmal vor uns sind und wir feststellen, dass uns genau diese Dinge ein Leben lang gefehlt haben.
Ein sehr ähnliches, jedoch ganz anderes Wort ist „Sucht“.
Nur ein kleiner Buchstabe und doch eine völlig andere Bedeutung. Oder? Wenn man es sich recht betrachtet, dann ist die Suche nach irgendwas doch auch eine Sucht. Die uns nicht loslässt, bis wir gefunden haben, was wir suchen. Oder zumindest glauben, es gefunden zu haben. Und wenn diese eine Sucht befriedigt ist, dann sind wir wieder unzufrieden und machen uns erneut auf die Suche nach irgendwas anderem, das uns vermeintlich in unserem Leben fehlt. Weil wir niemals einfach nur zufrieden und glücklich sein können. Weil es anderen immer besser geht als uns selbst. Weil direkt an der nächsten Ecke schon das ganz große Glück warten könnte, und wenn wir nicht hingehen und danach suchen, dann verpassen wir es vielleicht. Also streifen wir durch die Gegend, immer auf der Suche nach dem Irgendwas, von dem wir gar nicht wissen, was es ist.
Und was ist eigentlich mit dem Wort „Sache“?
Auch hier ist nur ein Buchstabe anders und doch wird aus der Suche plötzlich eine Sache, von der wir überzeugt sind, dass sie irgendwo da draußen ist und wir sie unbedingt finden müssen, weil unser Leben ohne diese Sache nicht vollständig ist oder wir uns auch einfach nur unvollständig, vielleicht sogar unzulänglich ohne sie fühlen. Überzeugt davon, dass wir glücklicher, zufriedener, ausgeglichener sein werden, wenn wir diese eine Sache eines Tages gefunden haben, und trotzdem wissen wir, dass es nicht so sein wird.
Ja. Die Suche nach der Sache ist eine Sucht, die uns in einen Teufelskreis wirft, aus dem wir nicht herausfinden können. Es sei denn, wir versuchen, der Tatsache ins Auge zu blicken, dass die einzige Suche, die erfolgsversprechend ist, nur die sein kann, die wir bereits abgeschlossen haben. Denn wie viel haben wir schon gesucht und gefunden? Was ist so schwer daran, damit zufrieden zu sein? Muss man wirklich immer nach noch Höherem streben, nach noch Besserem?
Ich denke, es liegt in der Natur des Menschen. Dass wir auf der Suche sind.
Und ich denke, dass die Suche erst ein Ende finden wird, wenn wir dort angekommen sind, wo wir all das finden, wonach es uns verlangt. Antworten auf genau die Fragen, die zu stellen wir uns nicht trauen, weil wir eigentlich Angst vor dem haben, was uns diese Antworten liefern könnten. Erst wenn wir diese Angst ablegen können, werden wir zufrieden sein können. Mit dem, was wir sind und was wir haben. Und mit dem, was unser Leben bereits ausmacht.
Aber irgendwo ist sicher noch irgendwas, wonach wir suchen können. Doch was, wenn wir auch das gefunden haben? Können wir dann endlich zur Ruhe kommen und die Suche beenden?
Ankommen. Und vielleicht anstatt zu suchen einfach mal gefunden werden.
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4 Kommentare
Hallo :)
Ich bin gerade über Facebook auf deinen Beitrag aufmerksam geworden.
Ein sehr schöner Text, der einem mal wieder deutlich macht, dass man oft sein Glück nicht sieht vor lauter suchen. Ständig sind wir auf der Suche nach bestimmten Dingen.
Ich versuche jeden Tag dieses Suchen zu verringern, da ich glaube, dass es einen auf Dauer sehr unglücklich machen kann.. Seit ich es versuche, sehe ich deutlicher, was ich alles im Leben habe, was mich wirklich glücklich macht. Andere würden diese Dinge vielleicht nicht als Glück ansehen, aber für mich sind sie es.
Was ich noch ganz lustig finde:
Als ich den Anfang gelesen habe, musste ich daran denken, dass es bei mir auch mal eine Zeit gab, in der ich ständig auf zwei Worte getroffen bin „Geduldig sein“
Bei mir war es so, dass ich dadurch zu meinem Glauben und zu mir selbst gefunden habe, deshalb dachte ich erst, dass dies vielleicht auch so eine Richtung bei dir ist ;-)
Liebe Grüße
Nuriyya :)
„Die Suche nach der Sache ist eine Sucht.“ Großartig! Danke für diesen Text, der auch hätte von mir kommen können.
Du stellst so viele Fragen und ich glaube, genau das ist der richtige Ansatz. Vielleicht besteht die Suche aus dem Finden der richtigen Antworten. Aber ich habe vor allem letztes Jahr die Erfahrung gemacht, dass man manchmal gar nicht weit laufen muss, um Antworten zu finden. Bis dahin wurde aber schon eine ganze Weile gesucht. Anstrengend. ;) Daher war es im Nachhinein betrachtet gut, dass es einen wirklichen Tiefpunkt gab, der letztlich dazu führte, dass alles ganz deutlich ersichtlich war, was getan werden muss, um zu finden, was man so lange gesucht hat.
„Muss man wirklich immer nach noch Höherem streben, nach noch Besserem?“ Ich habe mir die Frage mit Nein beantwortet: denn worauf es doch letztlich ankommt, ist wirklich Zufriedenheit. Wenn man irgendwann feststellt: hey, gerade ist ganz schön viel ganz schön ok in meinem Leben; hier bin ich angekommen, hier muss ich nicht mehr fortlaufen, weil ich hier all das habe, was für mich wirklich zählt, dann ist dieses Höher, Schneller, Weiter einfach überflüssig. Das hast du ja auch so ähnlich geschrieben. :)
Ich habe gerade darüber nachgedacht, ob diese unendliche Suche nach einem besseren, glücklicheren Leben so ein Generationsproblem ist?! Heutzutage stehen einem viel mehr Türen offen, jeder hat definitiv mehr Möglichkeiten, sein Leben zu gestalten, als es unsere Vorfahren hatten. Ja, natürlich gibt es da Unterschiede. Fakt ist doch aber, je mehr offene Türen, je mehr Wege, je mehr Freiheit, umso länger muss man sich damit auseinandersetzen, was man im Endeffekt tut und was nicht. Wichtig ist, glaube ich, nur und da spreche ich auch aus eigener Erfahrung, dass man bei all den zu treffenden Entscheidungen und Überlegungen nicht in Stillstand verfällt.
Hey Tiny,
ja, dieser Satz ist toll, oder? Kam mir während des Schreibens und ich bin immer wieder ganz begeistert, was mein Kopf so hergibt, wenn ich im Schreibmodus bin :D Schön, dass der Artikel Dich zum Nachdenken bringen konnte. Genau deshalb teile ich so viele meiner Gedanken mit der Welt. Und ich finde Deine Ansätze interessant, danke für die Anstöße – vielleicht mache ich eine Reihe aus diesen Gedanken :)
Liebe Grüße!
Das ist spontane Wortzauberei. Simsalabim, und die besten Wortkunstwerke sind getippt. :)
Das mit der Reihe klingt super. Ich würde mich freuen!