Backstage: Manchmal gibt’s so Momente …
Manchmal gibt es so Momente im Leben.
Momente, die einem die Luft noch in der Lunge abschnüren. Momente, in denen die innere Kälte alles um einen herum erfrieren lässt. Momente, in denen das Herz für viel zu viele Augenblicke zu schlagen aufhört. Momente, in denen der Schmerz einen fast zu zerreißen scheint. Momente, die nicht nach dem nächsten Wimpernschlag vorbei sind, sondern sich endlos ausdehnen. Momente, die keine Momente bleiben, sondern sich im Kopf festsetzen, das Denken blockieren und alles in dunklem Grau versinken lassen. Momente, die sich ins Hirn und ins Herz brennen. Momente, an deren Vergessen man lange arbeiten muss. Momente eben, die es im Leben manchmal so gibt.
In den letzten Wochen hatte ich einige solcher Momente. Manche habe ich selbst ausgelöst, ganz bewusst mit der Aussicht auf das, was sie „anrichten“ würden. Auf diese war ich vorbereitet, denn ich wollte genau das. Andere haben mich eiskalt erwischt und seit ich meinem Kopf erlaubt habe, sich etwas ausführlicher damit auseinander zu setzen, werden die Spitzen, die sich in meine Seele rammen, immer fieser. Denn ja, ich bin durchaus in der Lage, die Dinge schlimmer zu sehen, als sie tatsächlich sind, doch in diesem aktuellen Fall glaube ich, dass ich mit meiner Einschätzung durchaus richtig liege. Und das gefällt mir nicht, denn das tut weh. Ziemlich weh. Und ich will, dass es aufhört, so weh zu tun. Weil es nämlich keinen Spaß macht, Schmerzen zu haben und sich kaum noch mit anderen Dingen beschäftigen zu können. Zuflucht in altbekannten Mustern zu suchen und zu finden, obwohl man das überhaupt nicht möchte, aber irgendwie eben doch nicht aus seiner Haut kann. Und dann fragt man sich, ob sich manche Dinge in der Geschichte des Lebens einfach immer und immer wieder wiederholen müssen, weil das eben einfach so ist mit diesen Dingen, mit diesen Verhaltensmustern, mit diesen Erfahrungen.
Ganz pathetisch gesagt: Alles begann im letzten Frühsommer. Irgendwie jedenfalls. Zu dem Zeitpunkt veränderte sich die Beziehung zwischen mir und meiner damals besten Freundin. Oder nein, zu dem Zeitpunkt wurde mir das erste Mal richtig bewusst, dass sie sich bereits verändert hatte, und ich zog erstmalig die Reißleine und meine Konsequenzen. Kurz zusammengefasst kam es relativ schnell zu einem richtig üblen Bruch, der mit vielen bösen Worten einherging und rückblickend vor allem auf zwei Dingen basierte: Missverständnissen und Kommunikationsmangel. Es war keine gute Zeit, für keine von uns beiden, und aktuell versuchen wir, uns ganz langsam und sehr vorsichtig einander wieder anzunähern. Das ist nicht einfach und alles andere als leicht, weil die Erinnerung natürlich fest sitzt und man nicht einfach so einen Haken drunter machen kann. Ich jedenfalls kann das nicht, weil ich in den letzten Jahren gelernt habe, dass Totschweigen keine Lösung ist, sondern man schiefgelaufene Dinge klären muss. Und das geht nur mit Reden, ohne gegenseitige Vorwürfe und ohne es zu zer-reden.
Doch das ist eine andere Geschichte. Ziemlich schnell, eigentlich schon parallel zu diesem Bruch wuchs ich enger mit einem anderen Mädchen, einer anderen Frau zusammen. Anfangs war da nur die gemeinsame Begeisterung für eine Hamburger Band, die wir teilten und durch die wir uns oft sahen. Irgendwann weiteten wir das aus und eine zweite Leidenschaft, nämlich die Liebe zu unserem zweiten Wohnzimmer, verstärkte das Band zwischen uns. Schließlich kam es so weit, dass wir uns fast jeden Tag sahen, jeden Tag viel miteinander schrieben und es für mich nicht mehr vorstellbar war, ohne sie auszukommen. Bis ich das Gefühl hatte, eine neue beste Freundin gefunden zu haben. Und es lief gut.
Glaubte ich. Doch seit zwei, drei Monaten habe ich das immer stärker werdende Gefühl, dass sie mir immer mehr entgleitet. Wir machen nichts mehr zusammen, reden nicht mehr miteinander und immer, wenn ich sie darauf anspreche und sage, dass wir das vielleicht mal klären sollten, sagt sie, dass sie das ähnlich sieht, aber es kommt nichts. Was verständlich ist, weil sie in der letzten Zeit viel Stress mit der Ausbildung und anderen Dingen hatte. Zwischen Weihnachten und Silvester hab ich dann gefragt, ob sie überhaupt noch Interesse daran hat, dass wir uns aussprechen, und sie bestätigte mir das – seitdem warte ich eigentlich darauf, dass es endlich ruhiger wird und sie auf mich zukommt. Eigentlich ist auch nichts vorgefallen, es ist einfach so gekommen, irgendwann haben wir nur noch über das Museum gesprochen und uns nur noch gemeldet, wenn es irgendwas mit den Schichten zu klären gab.
Ich hab keine Lust, innerhalb von einem Jahr schon wieder meine beste Freundin zu verlieren, und deshalb belastet mich das ziemlich. Und nun wird sie auch noch umziehen – momentan wohnen wir halt sehr nah beieinander, nur zehn, fünfzehn Fußminuten. Und ich sollte mich doch eigentlich für sie freuen, weil die neue Wohnung genau das zu sein scheint, was sie die ganze Zeit schon wollte, aber ich krieg alles nur über Facebook mit und ich kann einfach nicht. Ich kann mich nicht für meine „beste“ Freundin darüber freuen, dass das Leben es nach vielen Schwierigkeiten endlich mal wieder richtig gut mit ihr meint. Damit fühle ich mich schlecht und oft stelle ich mir deshalb die Frage, ob ich mit diesem Denken überhaupt eine gute Freundin bin und sein kann.
Allerdings habe ich auch eine leise Ahnung, wo die Ursache für diesen „Bruch“ liegt. Im Oktober, als ich grad auf dem Weg zur Buchmesse im Zug saß, rief sie mich an. Weil etwas passiert war, das sie völlig aus der Bahn warf. Eine Situation, in der sie ihre beste Freundin brauchte und in der ich für sie hätte da sein müssen. Aber ich saß halt im Zug und die Verbindung brach ständig ab und ich konnte auch während der nächsten Tage nicht für sie da sein, weil ich im Terminstress war, und danach bin ich immer nach Berlin und München und sonstwohin gefahren, um die wunderbare Lilly zu sehen, und irgendwo unterwegs habe ich meine beste Freundin und den Kontakt zu ihr verloren.
Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an sie denke und sie anrufen will oder ihr schreiben oder einfach vorbeigehen. Wenn da nicht mein verdammter Stolz wäre und die Angst vor Ablehnung und diese Stimme in meinem Kopf, die sagt, dass es nicht nur meine Aufgabe ist, um diese Freundschaft zu kämpfen. Ich fühle mich hilflos und allein, auch wenn ich es nicht bin. Und deshalb verfalle ich in alte Verhaltensmuster, vergrabe mich hinter Büchern und DVDs unter meiner Bettdecke, spreche nur noch, wenn es wirklich nötig ist, und finde kaum noch Spaß an irgendetwas. Denn es gibt so Momente im Leben, in denen alles verschwimmt und ein Grauschleier über allem liegt, weil der Kopf nur diese eine Sache zu verarbeiten versucht und alles andere unwichtig zu werden droht.
So unwichtig, dass ich nicht mehr weiß, wann ich das letzte Mal wirklich gelächelt habe.
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Teil 19: Backstage: „Ich muss mich leider über Dich beschweren.“
Teil 20: Backstage: Wenn Bedeutung unter die Haut geht (Teil 2)
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Teil 23: Backstage: Warum Schwäche auch eine Stärke sein kann
Teil 24: Backstage: Somewhere over the rainbow
Teil 25: Backstage: Hi, my name is Chase!
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eine Kommentar
Vermutlich gibt es nicht viele Dinge, in denen ich mich weniger auskenne, als bei dem Thema Freundschaft, doch man liest deinen Schmerz aus jeder Zeile heraus und deswegen, deswegen versuche ich ein paar Worte zu finden.
Das Wichtigste in einer Freundschaft ist Ehrlichkeit und genau diese solltest du deinem Gegenüber geben. Sagen, wie sehr dich die Situation verletzt und wie sehr du unter ihr leidest. Manchmal, wenn man von jemandem enttäuscht ist, da macht man es mit Absicht, ihn zappeln lassen. Man möchte, dass der Andere sich aufopfert, sprichwörtlich zu Kreuze kriecht, damit man spüren kann, dass man einen wichtig ist, da vergisst man auch manchmal, wie viel Schmerz man weitergibt. Freundschaft basiert auf Geben und Nehmen, es ist ein Wechsel und wenn der andere dann einmal nicht da war, dann fühlt man sich verloren, verzweifelt an der Situation, fragt sich, welchen Wert alles noch hat, aber es war nicht deine Schuld, es waren die äußeren Umstände, die einfach nicht mitspielten. Und es sind die schweren Zeiten, die zeigen, ob eine Freundschaft Bestand haben kann. Ich sehe es, ihr könnt noch zueinander finden, wenn jetzt auch eine Kluft zwischen euch herrscht, so ist es deine Bemühung, die zeigt, dass du noch daran glaubst und daran festhälst.
Stell dir vor, bei deiner Freundin ist es auch Angst und Stolz, die sie davon abhalten, sich bei dir zu melden und dann meldet sich keiner von euch beiden, weil ihr dieselben Befürchtungen habt und es bräuchte nur den ersten Schritt, damit sich wieder etwas verändert, aber jemand muss diesen ersten Schritt wagen, der so riesengroß ist und so viel Mut braucht, so viel Mut, dass man glaubt, ihn niemals besitzen zu können, aber bevor du dich selbst quälst, mit täglichen Gedanken an deine Freundin, an Fantasien, wie es sein könnte, da ist es wieder die Ehrlichkeit, die du versuchen solltest. Ich weiß nicht ob es glückt oder ob doch Ablehnung kommt, ich glaube, niemand kann es wissen, es ist eine Situation, in die man einfach springen muss, aber springen ist schwer, wenn es sich doch leichter festhalten lässt, aber zu springen würde auch bedeuten, der Situation eine Chance zu geben. Ist es lohnenswert, wird es gut ausgehen – fraglich, aber es lohnt sich schon, wenn du es versuchst, weil dann kannst du dir selbst sagen, als gegeben zu haben, was in deiner Möglichkeit steht und dann geht es darum aus dem Ergebnis das Beste zu machen.
Du sagst es, diese Momente gehören zum Leben, manchmal ist es dunkelgrau und das Herz, es vergisst zu schlagen, weil es plötzlich nicht mehr weiß, wie es noch einmal ging, aber so schwer alles auch scheinen mag, klären lässt es sich nur, wenn du Mut aufbringst und glaub mir, nichts ist schwieriger als Mut aufzubringen, aber ich weiß auch, dass du es kannst, weil du etwas besitzt: Stärke. Hinter einem Buch verstecken, es ist in Ordnung, es gehört manchmal einfach dazu und soll so sein, aber du weißt, man kann sich nicht auf ewig verstecken.
Heute ist eine Lesung, heute kannst du Kraft tanken und Mut finden, vertrau auf dich.