Begegnungen
Manchmal trifft man im Leben Menschen, denen man bei der ersten Begegnung keine besondere Bedeutung zumisst. Menschen, denen man mal über den Weg läuft, die den eigenen Weg kreuzen und die man ohne Probleme weiterziehen lässt. Menschen, die man trifft und am Ende des Tages schon wieder vergessen hat.
Bis man sich ein zweites Mal an einer Kreuzung begegnet und die Ampel nicht mehr auf Grün für Weiterziehen-Lassen, sondern auf Gelb für Einen-Moment-Verharren steht, sodass man weitere Momente miteinander teilt.
Noch immer denkt man sich auch bei dieser zweiten Begegnung nichts weiter. Es ist halt einfach jemand, dem man wieder begegnet ist, der aber trotzdem keine Rolle im eigenen Leben spielt. Jemand, mit dem man eine gute Zeit verbringt und dann ohne Verlustgefühl wieder auseinander geht. Jemand, der eine schöne Erinnerung hinterlässt, aber nicht viel Platz in unserem Denken einnimmt.
Und so begegnet man sich vielleicht auch ein drittes, viertes und fünftes Mal, ohne sich irgendwas dabei zu denken oder dem Ganzen irgendeine Bedeutung zu geben – bis irgendwann die Ampel plötzlich in einem leuchtenden Rot darauf hinweist, dass man diese Begegnungs-Kreuzung nicht wieder verlassen kann, ohne einen „Schaden“ davon zu tragen. Dass dieser Mensch, der anfänglich keinerlei Bedeutung für einen selbst hat, plötzlich sehr wohl eine Rolle spielt. Dass aus einer harmlosen, meistens nur zufälligen Begegnung mit der Zeit der Anfangspunkt für eine Geschichte geworden ist, die ihren ganz eigenen Weg geht.
Was bringt mich dazu, mich mit diesem Thema auseinander zu setzen und einen Artikel darüber zu schreiben?
Natürlich gibt es einen aktuellen Anlass dafür, denn tatsächlich denke ich in den letzten Monaten wieder verstärkt über den Weg nach, den ich in eben diesen gegangen bin. Dabei bleibt auch nicht aus, dass ich über all die Menschen nachdenke, die im Laufe dieser Monate in mein Leben getreten sind und die verschiedenen Stadien der Begegnungskreuzung durchlaufen haben. Manche sind bei der grünen Ampel abgebogen, andere fuhren weiter zum nächsten Straßenkreuz und einige haben es sogar geschafft, das rote Signal zu passieren und ein fester, wichtiger Bestandteil meines Lebens zu werden.
Ein Gedanke ergab den nächsten und schon befand ich mich in einem für mich so typischen Kopfkarussell, das zur Abwechslung aber mal nahezu ausschließlich positive Tendenzen hatte. Ich ging im Geiste verschiedene Begegnungen meines Lebens durch und stellte mit Erstaunen fest, dass mich jede einzelne Erinnerung zum Lächeln brachte – manchmal mit einem Anflug von Bedauern, manchmal mit einem warmen Gefühl.
Aber nie mit Groll oder Ärger.
Denn jede Begegnung, sei sie auch noch so flüchtig, hat auf die eine oder andere Art ihre Spuren hinterlassen. Jede Begegnung ist aus einem bestimmten Grund passiert und auf der Ebene geblieben, auf der sie stattgefunden hat. Mit jeder Begegnung wird etwas angestoßen – was das ist, lässt sich vorher nie sagen. Und manchmal führt die Begegnung mit Personen, die man nie wieder sieht, zu einer Begegnung mit anderen Menschen, die aus dem eigenen Leben nicht mehr wegzudenken sind.
Wenn ich mir nun ganz speziell das zurückliegende Jahr und die Begegnungen in dieser Zeit anschaue, dann sind da viele Momente, die ich in sehr guter Erinnerung zurückbehalten habe. Da sind Menschen, zu denen eine enge Bindung besteht, und andere Menschen, zu denen die Bindung eher oberflächlich ist – in beiden Fällen allerdings genau das Gegenteil dessen, was ich bei oder vielmehr nach der ersten Begegnung erwartet hätte.
Und doch würde ich nichts ändern wollen.
Natürlich gibt es auch zahlreiche Begegnungen, die sich auf den Ebenen dazwischen bewegen. Ich könnte jetzt ausholen und eine ganze Menge von Beispielen bringen, doch ich denke, jedem Leser dieser Zeilen werden eigene Begegnungen einfallen, die in die verschiedenen Kategorien passen.
Die meisten Begegnungen sind vergänglich und schnell vergessen.
Ein Großteil von Begegnungen stellt sich im Nachhinein als wegweisend heraus.
Einige Begegnungen sind nur flüchtig und brennen sich trotzdem tief ins Gedächtnis.
Aus manchen Begegnungen wird Freundschaft, aus manch anderen wächst Liebe.
Und manchmal ist eine Begegnung ist lediglich der Beginn von etwas, das man in diesem allerersten Moment niemals erwartet hätte – einer Geschichte, die das eigene Denken übersteigt.
Danke all denen, die mein Leben durch unsere Begegnung(en) bereichert haben und noch immer bereichern. Danke an die, die das Thema ganz allgemein und im tieferen Sinne mit mir auseinander genommen haben. Ihr habt mich zu diesem Artikel inspiriert.
Und ein großes Danke an mein zweites Wohnzimmer samt Crew, das mir nicht nur meinen inzwischen Stamm-Kreativplatz zum (fast) allabendlichen Arbeiten zur Verfügung stellt, sondern mindestens ebenso stark an meinem aktuellen Inspirationshoch beteiligt war und ist.
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Literarische Zitate #7 – Sonderausgabe „Der kleine Prinz“