Deutschland trauert um Enke …
… und ich sitze mal wieder hier und frage mich, was zur Hölle eigentlich mit der Gesellschaft los ist. Seit Tagen hört und liest man nichts anderes, und während ich anfangs noch Anteil nahm am Schmerz der Frau und der Fans, bin ich mittlerweile einfach nur noch genervt.
Ich verrate euch auch, warum.
Erstens wird ein riesiges Trara um den (Frei)Tod des National-Torhüters gemacht. Was ist mit all den anderen Menschen, die tagtäglich sterben, und zwar nicht durch Selbstmord? So viele junge Fußballer haben schon ihr Leben gelassen wegen unbemerkten Herzfehlern, sind einfach so auf dem Spielfeld umgekippt. Wer hat Notiz davon genommen? Niemand. Wenn es einen kurzen Artikel darüber in der Presse gab, ging der schnell neben irgendwelchen Skandalen unter.
Zweitens hat der gute Mann seine privaten Sorgen Zeit seines Lebens unter Verschluss gehalten. Die Öffentlichkeit wusste zwar um den schweren Verlust seiner kleinen Tochter, ahnte aber nie etwas von seinen Depressionen, die er schon lange vor dem Todesfall hatte. Ich frage mich, woher sich die Ehefrau und auch der behandelnde Arzt das Recht nehmen, dieses wohlgehütete Geheimnis jetzt preiszugeben – nur um dem Selbstmord Enkes in der Öffentlichkeit einen Grund zu geben. Aber kann das alles sein?
Drittens fragt kein Mensch nach den Folgen für die anderen Beteiligten. Etwa den Lokführer, der den Zug steuerte, vor den Enke sich werfen musste. Oder die Rettungsleute, die Enkes Einzelteile einsammeln durften. Die stehen irgendwie hintenan, aber haben sie nicht genauso unsere Anteilnahme verdient? Für die ist es sicher nicht leichter, mit diesem „Vorfall“ umzugehen.
Großes Begräbnis in der AWD-Arena in Hannover, Trauermärsche, ergreifende Pressekonferenzen, abgesagte Spiele – und wofür das Ganze? Sehr wahrscheinlich mache ich mir viele Feinde mit diesem Posting und vielleicht komme ich auch emotionslos rüber, aber ganz ehrlich: Würde um jeden toten Menschen, aus welchen Gründen der Tod auch immer eintrat, solch ein Primbourium gemacht werden, kämen wir aus der Trauerei gar nicht mehr raus.
Ich sage gar nicht, dass Trauer nicht angebracht ist, ganz im Gegenteil, ich selbst war ja auch geschockt, als ich davon hörte. Abe muss denn wirklich so ein Aufriss darum gemacht werden? Kommt er davon zurück? Wird es dadurch einfacher für die Angehörigen? Versteht man den Selbstmörder dadurch besser?
Wenn ihr mich fragt: Nein.
Aber das ist meine ganz persönliche Meinung, und ich wünsche allen, die ehrlich um Enke trauern, alle Kraft der Welt, um diese schweren Zeiten zu überstehen.
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Und der Enke-Hype geht weiter … Weiter mit:
zwei Postkarten
4 Kommentare
Oh man, du sprichst mir aus der Seele, wie man so schön sagt!!! Genau die gleichen Sachen hab ich mich auch schon gefragt. Schließlich war es seine eigene Entscheidung, zu sterben und die muss man doch nicht durch diese großen Trauerfeiern und andere Maßnahmen „anerkennen“. Für ihn war sein Tod sicher einfach aber ich finde es einfach unverantlich, seine Frau, die sowieso schon mit dem Verlust ihrer Tochter wahrscheinlich genug Probleme hatte, allein zu lassen. Selbstmord ist einfach die egoistischste Tat, die ein Mensch begehen kann. Und vor allem wenn dieser Mensch in der Öffentlichkeit steht und ein Vorbild für andere ist! Da sollte man wirklich lieber um andere Menschen trauern, die unfreiwillig ihr Leben lassen mussten!
hehe… zwei doofe, fast der gleiche gedanke…
anni, ich habe dem nichts hinzuzufügen.
und Lieblingspüm, doof is hier nur eine, nämlich du :-*
Herrje. Wenn ihr mal sterbt möge man euch einfach in den nächsten Fluss werfen.
:-P & ;-) (!)
Trauerfeiern sind dazu da um an den Verstorbenen und seine Taten zu erinnern – irgendwer hatte mal sowas ähnliches gesagt wie „Ein Mensch ist erst wirklich tot, wenn niemand mehr an ihn denkt.“ So in etwa. Und gerade bei jemandem wie Robert Enke ist ein Gedenken angebracht. Zum einen hat Enke dutzendfach Rückschläge verkraften müssen – privat wie auch während seiner Profi-Laufbahn. Und trotzdem war er Tag für Tag für seine Familie und Freunde da und hat jeden Samstag vor zehntausenden Menschen im Stadion gestanden und war für seine Mannschaft ein Rückhalt. Allein das nötigt mir persönlich Respekt ab. Das er sich dazu noch im sozialen Bereich sowie im Tierschutz karikativ sehr engagiert war erwähne ich mal nur am Rande.
Zum anderen war Enke krank – er war depressiv. Depressionen sind in vielen schönen Ausführungen am Markt erhältlich und enden doch ziemlich häufig mit recht mortalen Vorkommnissen. Wer nur an Mode-Borderline leidet oder sonst keinen Plan davon hat der halte sich bitte an ein sehr bekanntes Zitat von Dieter Nuhr.
Sicher kann man sich durchaus zurecht darüber echauffieren wie jemand aus dem Leben scheidet, gerade Schienensuizid ist nicht gerade nett – ich stand 2007 zwanzig Meter daneben als sich jemand vor einen durch den Bahnhof durchfahrenden Regionalexpress warf . Aber – ob sich jemand an einen Baum hängt oder 120-jährig von einem wilden Nilpferd angefallen wird – es ist völlig egal, denn es mindert das Lebenswerk des Betreffenden nicht im geringsten.