Ein Laster braucht der Mensch.
Nein, in der Überschrift handelt es sich nicht um einen Rechtschreibfehler. Es geht hier nämlich nicht um einen Laster, auch als Lastkraftwagen bekannt, sondern um das, was auch Untugend oder Schwäche genannt wird. Eine schlechte Angewohnheit, von der jemand beherrscht wird. Oft bezeichnet es auch eine ausschweifende Lebensweise. (Wikipedia)
Jeder Mensch hat etwas, das ihn schwach macht. Etwas, dem er nicht oder zumindest nur sehr schwer widerstehen kann. Etwas, dessen Verzicht undenkbar ist und uns mit Schrecken erfüllt. Eben all die Dinge, die unser Leben noch lebenswerter machen. Und seien wir doch mal ehrlich, wir alle haben so unsere kleinen Laster, eigentlich sogar mehr als eins. Ich zum Beispiel wüsste auf Anhieb einige, könnte mich aber so aufs erste Nachdenken auf gar keine konkrete Zahl festlegen.
Deshalb habe ich mir überlegt, gemeinsam mit euch einmal meinen Lastern auf die Spur zu gehen – wer weiß, vielleicht werden wir ja noch überrascht, was sich so in den Tiefen meines dunklen Unterbewusstseins versteckt hält ;)
Mein wohl naheliegendstes Laster sind Buchstaben.
Bücher, Briefe, Texte, Mails, Artikel – Buchstaben über Buchstaben. Worte über Worte. Ich liebe Buchstaben und Worte. Man kann sie auseinander nehmen und neu zusammensetzen, immer und immer wieder, ihren Sinn neu erfinden, ihre Bedeutung verändern. Und manchmal fließen einfach so irgendwelche Buchstaben aus den Fingerspitzen heraus. Reihen sich aneinander, verbinden sich zu Worten, lassen Sätze entstehen, die eine Geschichte erzählen.
Bücher haben mir schon oft das Leben gerettet. Sich in fremden Welten zu verlieren, fremde Geschichten miterleben zu dürfen, den Kopf für eine Weile ausschalten zu können – purer Genuss. Und mit jedem Buch öffnen sich neue Türen zu neuen Welten, mit jedem Kapitel versinkt man mehr, mit jeder Seite wird die reale Welt ein kleines Stück weiter ausgeblendet. Auftauchen nur auf eigene Gefahr. Es ist schlichtweg unmöglich, mich in einen Buchladen mitzunehmen, ohne dass ich mit wenigstens einem Neuzugang wieder rauslaufe. So einfach, wie immer alle behaupten, ist das Widerstehen nämlich gar nicht.
Direkt danach folgt die Musik, die ebenfalls sehr naheliegend ist.
Musik ist für mich überlebenswichtig. Völlig egal, in welcher Stimmung ich gerade bin, Musik ist ein ständiger Begleiter in meinem Leben. Ob laut oder leise, ob schnell oder langsam, ob hart oder sanft, ob gesungen oder gerappt oder gegrölt, ob mit oder ohne Text – Musik berührt. Immer. Und wenn sie es nicht tut, dann ist es keine richtige Musik. Das hat auch nicht einmal unbedingt was mit dem Genre zu tun. Es gibt Genres, die ich pauschal verabscheue, und doch findet man auch dort unerwartete Perlen, oft nur durch Zufall. Manchmal vermisse ich meine Zeit beim Online-Radio, denn durch das Moderatorendasein habe ich mich viel mehr mit neuer und alter, vergangener und vergänglicher Musik beschäftigt. Heute vergesse ich manchmal, welche wundervollen Titel in meiner Sammlung darauf warten, dass ich sie wieder entstaube und durch meine Wohnung schallen lasse. Und dann ist da plötzlich so ein Moment, in dem ich mich erinnere, und sofort kehrt alles zurück, was ich mit diesen Liedern verbinde. Musik ist Leben, Erinnerung und Schönheit. Anders lässt es sich einfach nicht sagen.
Ein Laster, das mir regelmäßig das Leben zur Hölle macht, ist Schokolade.
Vor allem, wenn sie nicht da ist und ich einen unbändigen Heißhunger auf sie habe. Dann sollte sich lieber niemand in meiner Nähe befinden ;) Aber gleichzeitig schafft sie es auch, mich in die höchsten Wolken zu tragen. Und zwar in jeglicher Form. Als Riegel direkt aus der Packung, als Sauce auf Eis, als Überzug von Obst oder Kuchen, als trinkbarer Zungenverbrenner – Schokolade kann einfach alles! Na ja, oder zumindest sehr viel. Mein aktueller Favorit ist die Kuhflecken-Milka, weil sie weiße und Vollmilch-Schokolade verbindet – hmmm! Und Schokolade geht immer. Als Vorspeise, als Hauptgang, zum Nachtisch und zwischendurch. Grundsätzlich halte ich mich natürlich an dem fest, was ich bereits kenne, aber auch neue, abenteuerliche Sorten dürfen sich gerne von mir testen lassen. Empfehlungen jedweder Art bitte in den Kommentaren lassen ;)
Erst seit kurzem ein echtes Laster für mich – Zigaretten.
Und auch das einzige Laster, von dem ich selbst genervt bin. Nicht grundsätzlich, die Menge macht es aus. Ich rauche seit meinem 16. oder 17. Lebensjahr, immer mal wieder, sporadisch, zwischendurch, beim Feiern mit Freunden und vor allem in Verbindung mit Alkohol. Ist halt gemütlich-entspannt und gehört irgendwie zusammen. Für mich war es aber nie ein Problem, mehrere Tage oder auch Wochen gar nicht zu rauchen. In den letzten Monaten hat mein Zigarettenkonsum allerdings extrem zugenommen. Immer wieder nehme ich mir vor, es wieder einzuschränken, doch dann sitze ich irgendwo, brüte über einem Artikel oder, ganz neu, über einem Lektorat und bevor ich eigentlich drüber nachdenke, wandert die Hand schon von selbst zur Schachtel. Deshalb gibt meine Lunge bei richtig tiefen Atemzügen neuerdings auch seltsame Geräusche von sich. Vielleicht sollte ich mal ernsthafter über Alternativen nachdenken. Der Gesundheit zuliebe.
Und das vorerst letzte Laster, das ich mit euch teilen möchte, ist Nähe.
Klingt erstmal harmlos, klar, weil Nähe verschiedene Varianten hat und es sicherlich immer auf die Situation ankommt. Und ich möchte auf keine einzige verzichten – Achtung, jetzt könnte es ein wenig schmutzig werden! Weder auf die emotionale Nähe, die mich eng mit weit entfernten Menschen verbindet und mir trotz all der räumlichen Distanz immer wieder das Gefühl gibt, nicht alleine auf der Welt zu sein, und das Wissen, dass da draußen Seelen sind, die meinen Herzschlag auch über zahllose Kilometer hinweg hören und spüren können. Noch auf die körperliche Nähe, die manchmal schon in Form einer unbedachten, unbewussten winzigen Berührung den persönlichen Kosmos durcheinander bringen kann oder als eine kleine, harmlose Umarmung einfach alles besser macht, weil man nicht nur gehalten wird, sondern sich auch in Sicherheit fühlen kann und weiß, genau in diesem Moment könnte die Welt untergehen und man wäre trotzdem gut aufgehoben und beschützt.
Und ja, natürlich spreche ich bei Nähe auch von Sex. Sex ist wichtig, Sex ist vielseitig, Sex ist gut, Sex ist schön. Nicht immer, keineswegs, und ich weiß das selbst sehr gut, denn manche Erfahrungen im Leben hätte ich gerne dankend abgelehnt, und doch könnte ich nicht drauf verzichten. Jedenfalls nicht auf Dauer und auf keinen Fall für immer. Denn Sex ist nicht einfach nur der sexuelle Körperkontakt, nein, Sex kann so viel mehr sein. Ein Blick, ein Kuss, ein Wort – mehr braucht es manchmal nicht.
So, jetzt habe ich wieder ganz schön viel aus dem Nähkästchen geplaudert und euch ziemlich private Dinge erzählt. Geht sorgsam damit um ;) Und kommt mir entgegen – was sind eure Laster? Ich will alles wissen! Jedes Vergehen, jede Sünde, jede schmutzige Phantasie :D
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2 Kommentare
Ein mega Artikel den ich gerade aufgesaugt habe wie ein Schwamm. Ich kaufe mit Absicht keine Schoki und lebe erfolgreich Abstinent. So ist es mit den Leidenschaften, irgendwann kann man sich nicht mehr dagegen wehren.
Ich liebe das Wort Passion und versuche dieses zu leben ?
Dankeschön für diese wunderbaren offenen Worte die Du hier teilst.
Lieben Gruß Jens
Moin Jens,
danke für das positive, begeisterte Feedback. Dieser Artikel ist schon fast fünf Jahre alt, aber wenn ich ihn jetzt wieder lese, dann fällt mir auf: Es hat sich nichts geändert. Ich liebe noch immer all die hier aufgeführten Dinge, auch wenn ich zumindest Schokolade inzwischen stark reduziert habe. Aber manchmal gibt es immer noch Momente, in denen eine Tafel plötzlich nicht mehr vorhanden ist :D
Viele Grüße zurück,
Jess