Hinter (un)verschlossenen Türen …

Seit ich den Nebenjob im Museum ausübe, ist mir ja schon einiges an erzählenswerten Geschichten passiert. Beängstigende Zivilvourage und betrunkenes Geplauder waren mir sogar jeweils einen eigenen Artikel wert. Doch was mir am 31. Oktober bzw. am 01. November passiert ist, werde ich wohl so schnell nicht wieder vergessen – auch weil es mir in nächster Zeit wahrscheinlich immer wieder unter die Nase gerieben werden wird.

Ich hatte an diesem Donnerstagabend, wie so oft, die Spätschicht im Museum. Die sogenannten Nachbarn (Stammgäste aus der näheren Umgebung) kamen noch auf ein paar Kaltgetränke vorbei, aber ich konnte pünktlich Feierabend machen, da ich kleinere Aufräum- und Putzarbeiten schon vor dem Abschließen erledigt habe.
Nachdem die Abrechnung fertig war und sich auch der letzte Nachbar verabschiedet hatte, schloss ich die Flügeleingangstür hinter ihm ab, checkte noch mal die Punkte der Feierabendliste, löschte die Lichter und zog schließlich auch die hintere Ausgangstür hinter mir zu, um sie abzuschließen. Rückblickend betrachtet war ich mit meinen Gedanken schon bei den ersten Aufräumarbeiten im Feierabend und vor allem in meine warmen Bett, in das ich beim Heimkommen auch fast sofort fiel.

Am nächsten Morgen, ein ganz normaler Freitag im Büro, riss mich der Wecker wieder einmal viel zu früh aus dem Schlaf. Ein Auge noch geschlossen tastete ich nach meinem Handy, um den Quälgeist auszuschalten und mich wie immer noch mal umzudrehen. Aber dann: Eine Nachricht von meiner besten Freundin. Abgeschickt nachts gegen drei Uhr. Die ersten Worte in der Vorschau: „Anruf von der Polizei aus dem Museum.“ Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so schnell wach und so schlagartig aus dem Bett gesprungen bin.
Der zweite Satz der Nachricht: „Die Tür steht offen.“ Und plötzlich musste ich mich wieder setzen, weil mir mit einem Mal so schlecht wurde und die Beine aus Wackelpudding zu bestehen schienen. Ich wusste auch sofort, was passiert war: Beim Abschließen hatte ich den Sicherheitsriegel der linken Flügeltür vergessen. Das war mir noch nie passiert, seit ich dort arbeite. Was natürlich in dieser Situation dann auch nichts half.

In meiner Angst schrieb ich dann Julia vom Vorstand an, um meinen Fehler zu gestehen und zu fragen, wie hoch der Schaden ist, obwohl ich das eigentlich gar nicht wissen wollte. Mein Kopf ließ direkt die schlimmsten Szenarien vor meinem inneren Auge abspielen: Das Museum total zerstört. Die Ausstellungsstücke von den Wänden gerissen. Alles kurz und klein gehauen. Sämtliche Bilder, Vitrinen, Spiegel zertrümmert. Die Tageseinnahmen der Bar weg. Der Museumslaptop weg. Die Flaschen mit hochprozentigem Inhalt weg.
Und was das nach sich ziehen würde: Die große Eröffnungsfeier der neuen Bar muss ausfallen. Die Konzerte und Lesungen und Privatfeiern müssen abgesagt werden. Der Nebenjob ist futsch. Der Traum von L.A. im nächsten Sommer damit ebenfalls geplatzt. Ein riesiger Berg Schulden, da die Versicherung nicht für den Schaden aufkommt, weil die Tür nicht richtig abgeschlossen war. Und die vorwurfsvollen Gesichter der Menschen, die ich in meiner Zeit im Museum kennen und schätzen gelernt habe.

gated-schloss-tuer-zu
Wie betäubt ging ich erst mal unter die Dusche und ließ mich vom heißen Wasser wieder zum Leben erwecken. Danach hatte ich dann Antwort von Julia: Kein Schaden. Nur eine sehr kurze Nacht für sie, weil die Polizei sie angerufen hat, nachdem die besten Türsteher der Stadt (nämlich die Huren, die jede Nacht von 20 Uhr abends bis 06 Uhr in der Früh vor unserer Tür ihre Position beziehen) Alarm geschlagen haben. Schön war auch die Frage des Beamten am Telefon: „Die Tür vom Museum steht offen – soll das so?“

Mir jedenfalls fiel ein ganzes Gebirge vom Herzen und ich verfiel in einen kurzen Weinkrampf vor Erleichterung – das erste Mal seit Berlin, dass ich wieder richtig weinen konnte (und musste). Und von diesem Adrenalinstoß hatte ich dann den ganzen Tag noch etwas, vor allem als er im Büro dann nachließ und ich mit Frösteln und Müdigkeitsschüben zu kämpfen hatte.

Nach der (hauptberuflichen) Arbeit bin ich dann noch ins Museum gefahren und wurde dort dann auch sehr herzlich empfangen. Natürlich durfte ich mir den einen oder anderen Spruch anhören, aber das ließ ich gerne über mich ergehen, denn wirklich böse war niemand und nachgetragen wird mir dieser Fauxpas auch nur auf eine liebevoll neckende Weise. Seitdem prüfe ich die Tür immer noch mindestens zwei Mal, bevor ich das Museum verlasse, und ich weiß genau, dass mir zumindest dieser Fehler nie wieder passieren wird …

Vielleicht sollte ich eine kleine Kolumne starten. „Museumsgeschichten“ oder irgendwas in der Art. Hab ja auch noch nicht genug auf meiner Ideenliste, oder? ;)


|


3 Kommentare
  1. karin sagt:

    Hallo und guten Tag,

    Hilfe was für eine Geschichte!! Aber für Dich persönlich gut ausgegangen. Ich drücke Dir die Daumen das so was in der Richtung nie wieder passiert.

    Schönen Sonntag und LG..Karin..

  2. Burkhard sagt:

    Es ist doch schön, daß es noch Menschen gibt, die etwas auf ihre Umgebung achten und so außer einem Schrecken alles gut gegangen ist. Dir passiert es jetzt bestimmt nie wieder!
    Schönen Sonntag.

  3. ClauDia sagt:

    OHA! den Schreck möchte ich mir gar nicht vorstellen!!! Ein Glück dass die Damen wachsam waren und der Polizistenspruch ist echt schön :)
    Nähern wir uns jetzt der Betrunkenenplauderfortsetzung? :D und ja, die Abteilung „Museumsgeschichten“ fände ich toll! :)
    LG Claudia

Leave a Reply