Institution Ehe
Ja, es wird mal wieder etwas nachdenklich und vor allem persönlich hier im Tagebuch der Schattenkämpferin. Ob das an meiner momentanen Nachdenkerlaune liegt oder an irgendwas anderem, kann ich nicht sagen, doch ich weiß, dass Posting solcher Art des Öfteren hier vermisst werden, wenn ich tagelang nur über Literaturkram schreibe.
Vor einiger Zeit gab es, den Auslöser weiß ich nicht mehr, im Literaturforum eine heiß entbrannte Diskussion zum Thema „Heirat und Ehe“, die ganz verschiedene Ansichten ans Tageslicht brachte und auch bei mir einiges an Gedanken auslöste.
Wahrscheinlich träumt jeder davon:
Die eine große Liebe, die alle bisher dagewesenen Gefühle in den Schatten stellt. Der eine perfekte Partner, mit dem man bis zum Lebensende zusammen sein wird. Das eine wahre Bündnis auf Lebenszeit.
Bevor ich allerdings ernsthaft zum Thema „Institution Ehe“ komme, muss ich noch J.R.R. Tolkiens Inschrift des Einen Rings aus „Herr der Ringe“ zitieren, denn seltsamerweise ist genau dieses Zitat oft das erste, was mir zum Thema in den Sinn kommt:
„Ein Ring,
sie zu knechten,
sie alle zu finden,
ins Dunkel zu treiben
und ewig zu binden.“
Dass ich als Scheidungskind meine ganz eigenen Erfahrungen gesammelt habe und außerdem miterleben durfte, wie mein fünfeinhalb Jahre jüngerer Bruder fast zerbrochen ist, hat meinen Glauben an die wahre Liebe mit Trauschein ziemlich geschmälert. Sicherlich gibt es in meiner Familie auch glückliche Verbindungen (meine Großeltern väterlicherseits zum Beispiel feiern Ende Juli ihre Goldene Hochzeit), doch wie es eben meistens so ist, hat mich auch in diesem Punkt ein negatives Erlebnis eher geprägt als all die positiven Aspekte. Neben meinem deutlichen schulischen Absturz kurz nach dem Wechsel in die Realschule machte sich der Scheidungskrieg meiner Eltern vor allem bei meinem Bruder bemerkbar. So stark, dass er über längere Zeit psychologisch behandelt werden und regelmäßig in Therapiesitzungen gehen musste. Das alles nahm ihn sehr mit und damals hatte er noch nicht die Kraft und Möglichkeiten der Flucht, wie ich sie auf Grund meiner eher introvertieren Persönlichkeit (damals) nie Probleme damit hatte, Dinge mit mir selbst auszumachen. Bücher waren damals ein willkommener Zeitvertreib und auch das Schreiben wurde zu einem fast täglichen Begleiter.
Doch darum soll es hier gar nicht gehen, vielmehr möchte ich mich mit meinen durch während der oben genannten Diskussion angebrachte Argumente ausgelösten Gedanken auseinander setzen, und ich hoffe bzw. kann mir gut vorstellen, dass der eine oder andere Leser vielleicht auch ein paar Worte dazu schreiben möchte. Denn wenn ich ehrlich bin, hat mich so mancher genannter „Grund“ für eine Heirat oder Ehe doch sehr erschreckt, und ich habe mich gefragt, ob ich einfach ein falsches Bild oder eine veraltete Vorstellung von der Institution Ehe habe.
So kamen zum Beispiel Argumente wie Sicherheit/Absicherung, steuerlicher Vorteil und natürlich die Erbfolgefrage im Todesfall – wo ist da die Liebe geblieben? Sollte nicht Liebe der erstgenannte Grund für eine Eheschließung sein? (Zwangsehen lassen wir hier mal außen vor, denn die sind ein mich aufregendes Thema für sich.) Liebe, Vertrauen und vor allem der Wunsch, den Rest des Lebens miteinander zu verbringen? DAS wären für mich in erster Linie Gründe, die für eine Eheschließung sprechen würden. Denn leider ist das Gefühl dahinter ja heutzutage keine Selbstverständlichkeit mehr. Und dass manchmal auch Kinder als Heiratsgrund vorgebracht werden, finde ich unmöglich – wenn’s dann doch nicht das ist, was man sich vorgestellt hat, schiebt man so die „Schuld“ den unbeteiligsten Menschen in diesem ganzen Spiel in die Schuhe, und das kann es wohl echt nicht sein.
Kinder sind sowieso, glaube ich, mit ein Auslöser für diese Diskussion gewesen, oder vielmehr die dazugehörigen Väter, die in manchen Fällen (wahrscheinlich mehr, als man sich denken mag) sehr unter dem Einfluss der Scheidung/Trennung zu leiden haben. Oftmals erhält ja die Mutter das alleinige Sorgerecht und der Vater darf seine Kinder alle zwei Wochen für ein Wochenende zu sich holen oder irgendwas in der Art. Zugegebenermaßen ist das nicht schön für die Männer dieser Welt, aber auch das ist für mich immer noch kein Argument für eine Hochzeit – denn das Kind leidet nicht weniger unter der Trennung, wenn das Gericht eine höhere Besuchszeit festlegt und Frau Mutter gezwungen ist, diesem Besuchsrecht Folge zu leisten. Für ein Kind, dessen Eltern sich trennen, zerbricht die heile Familienwelt und in den allermeisten Fällen fehlt anschließend ein Elternteil – denn er ist schlichtweg nicht mehr da, wo er hingehört, nämlich Zuhause. Daran ändern auch regelmäßige Besuchszeiten nichts. Ich weiß das aus eigener Erfahrung.
Was ist die Ehe also? Ein Mittel zum Zweck der Sicherheit? Ein Symbol der ewigen Liebe und Treue? Eine weitere Möglichkeit, sich bis zur Besinnungslosigkeit zu betrinken? Die Chance, dem Staat das Geld unter den Fingern wegzuziehen?
Auch wenn es komisch klingt, für mich ist die Ehe nichts weiter als ein Stück Papier mit offizieller Unterschrift und ein Stück Metall. Ich brauche keine schriftliche Bestätigung, dass ich jemanden liebe und derjenige mich auch liebt und wir beide uns im Klaren und einig darüber sind, den Rest des Lebens zusammen verbringen zu wollen. Ich brauche auch kein Stück Metall an meinem Finger, um daran erinnert zu werden, dass dort jemand ist, dem ich mein Leben versprochen habe und der mir im Gegenzug das seine versprach.
Manch einer sagt sich jetzt vielleicht, dass ich verbittert und starr in meinen Gedanken bin. Und vielleicht bin ich das sogar auch. Doch das ist mein Erfahrungswert und meine Art, mit dieser Scheidungserfahrung umzugehen – ich weiß, dass andere Rosenkriegskinder durch die Scheidung ihrer Eltern eine romantischere Ansicht gewonnen haben.
Und wer weiß, vielleicht läuft mir auch eines Tages der eine Mann über den Weg, für den ich all diese negativen Gedanken und Bedenken über den Haufen werfe, mich in ein traumhaft schönes weißes Kleid zwänge, in eine blumengeschmückte Kutsche setze und zum Standesamt fahren lasse. (Ja, im Grunde meines Herzens bin ich eine hoffnungslose Romantikerin.)
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6 Kommentare
Naja, die Frage muss eigentlich tatsächlich heißen, was Liebe mit Ehe zu tun hat, ist der Schuh doch in Wahrheit andersherum zu betrachten: über Jahrhunderte hatte die Ehe nichts und wieder nichts mit Liebe zu tun, sondern wurde aus anderen Gründen geschlossen, zumeist wirtschaftlicher Natur oder um die Erbfolge zu sichern etc. Das Phänomen der Liebesheirat hingegen ist ja noch relativ jung und aus meiner Sicht kann und darf Liebe niemals ein Grund für eine Heirat sein. Ich selbst habe ja dazu vor einigen Wochen einen „Essay“ hier geschrieben, genannt „Ringkämpfer“, wo ich meine eigenen Probleme mit dem Thema dargelegt habe. Ich glaube uns allen wäre sehr geholfen, wenn wir Menschen aufhören würden uns immer so zu überfrachten, dass Mann und Frau nicht zusammen passen ist keine Erfindung der Comedy-Branche, sondern Wahrheit und die Natur hat mit Ehe auch nichts am Hut, das ist alles menschlicher Gedankenwust, den wir uns selbst aufgebaut haben in unserem dämlichen Streben nach Glück – oder was wir zumindest dafür halten. Und nu sieh uns an, das Gegenteil passiert eher, wir betrachten uns als gescheitert, wenn wir keine Liebesheirat auf die Reihe kriegen oder aber eine solche nach kurzer Zeit zerbricht. Dabei ist nichts daran scheitern, wir haben uns selbst einfach die falschen Paradigmata gesetzt, ganz einfach.
Finde ich, zumindest.;-)
Hallo Liebes,
erst einmal, ja. Scheidungen können eine schreckliche Auswirkung auf Kinder haben, sofern sie in einen Scheidungskrieg münden. Dagegen sind Ehen, die vernünftig beendet werden besser für Kinder, als eine Ehe von sich ständig einander bekriegenden Eltern. Nun zu dem, was Du schreibst: Ich kenne niemanden, der den Hauptgrund „steuerliche Vorteile“ für das Heiraten nennt. Sonst könnte man ja jede(n) Beliebige(n) heiraten und würde sich nicht erst im Laufe der Jahre für eine(n) Bestimmte(n) entscheiden. Natürlich erwähnt man aber diese Vorteile, weil diese eben den einzigen Unterschied zwischen einer normalen, unverheirateten Partnerschaft machen. Du kannst nicht sagen: „Ich heirate, damit wir immer zusammen bleiben.“ Da kann man Dir entgegnen: „Man kann auch für immer zusammen bleiben, wenn man nicht verheiratet ist.“
Wo genau ist also der Unterschied zwischen Verheiratetsein und es nicht sein? Du schreibst:
„Sollte nicht Liebe der erstgenannte Grund für eine Eheschließung sein? (Zwangsehen lassen wir hier mal außen vor, denn die sind ein mich aufregendes Thema für sich.) Liebe, Vertrauen und vor allem der Wunsch, den Rest des Lebens miteinander zu verbringen? DAS wären für mich in erster Linie Gründe, die für eine Eheschließung sprechen würden. Denn leider ist das Gefühl dahinter ja heutzutage keine Selbstverständlichkeit mehr.“
Wie gesagt, „Liebe“ als Grund reicht auch für’s einfache Zusammensein aus. Deshalb braucht man auch nicht zu heiraten, wenn man einander liebt. Es ist mehr als das, für die, die noch einen Bezug zu alten Bräuchen, Religion oder Kultur haben, ist die Eheschließung ein Ritual. Wenn etwas in einem Ritual besiegelt wird, dann haben die entsprechenden Personen das Gefühl, dass Gott oder eine spirituelle Kraft oder Aura dieses Band besiegelt. Man gibt sich als Paar das Gefühl, etwas Besonderes zu sein, durch den spirituellen Akt eine Art Verbindung mit seinen Ur-Ahnen eingegangen zu sein. Rituale geben uns also (dem einen mehr, dem anderen weniger) das Gefühl, das etwas seine Richtigkeit hat, dass es so läuft, wie es damals auch schon gelaufen ist, dass etwas schon Schönes noch fester und schöner geworden ist.
Natürlich ist das heute als Gefühl nicht mehr so stark bei uns ausgeprägt wie damals. In einer technologisierten und überliberalisierten Gesellschaft gewichtet man solche „sentimentalen Rituale“ nicht mehr so stark wie es damals der Fall war. Deshalb kann man sie auch viel leichter aufgeben als damals. Siehe Scheidungsrate. Ob das nun gut ist oder nicht, ist eine andere Frage. Ich wollte Dir nur einen Ansatz als Antwort bieten: Die Eheschließung ist ein Ritual. Der Punkt, dass die eigenen Eltern so ein Ritual mitgemacht haben, und die Eltern der Eltern, und die Ur-Großeltern, lässt die Liebe zum Partner in einen größeren Sinneszusammenhang erscheinen. Betrachte einfach mal stark ritualisierende Kulturen wie die Japaner. Sie haben für alles ein Ritual. Alles, was sie tun, scheint bedeutungsvoll zu sein, da steckt ein tiefer Gedanke dahinter, eine große Verantwortung. Das machen Rituale mit einem. Zuviele sind nicht gut, aber einige sind wunderbar.
Für mich war das Ritual des Heiratens einfach wunderschön. Was danach kommt, ist aber weiterhin Arbeit, wie in jeder anderen nicht-verheirateten Beziehung auch. Nur kann es gut sein, dass der psychologische Effekt des Rituals „Eheschließung“ in unseren Köpfen und Herzen eine größere Gewichtung dieser Partnerschaft erzeugen, von denen wir bewusst keine Ahnung haben. Aber es ist etwas anderes, wenn wir nach den Regeln jahrtausend alter Traditionen zusammen leben oder es einfach „so“ tun.
Natürlich ist das nur für Leute so, denen diese Bräuche auch etwas bedeuten. Wenn man jetzt wie Du eine schlechte Erfahrung gemacht hat, die über Jahre hinweg einiges zerstört hat, kann man solche Rituale nicht aus unbelasteten Augen sehen. =(
Ach übrigens: Ich würde beim Wort „Ehe“ niemals das Wort „Institution“ benutzen. Das schafft für mich eine große Distanz zu dem, was ich unter Ehe verstehe. Und das ist vielleicht auch der Grund, warum Du das Wort benutzt. Du hast wahrscheinlich genau diese Distanz. (Aus reiner Notwendigkeit aufgrund Deiner Erfahrungen)
Guten Tag.
@David von Schewski:
Mann und Frau passen nicht zusammen?
Ja, du hast Recht. Anatomisch gibt es bereits Unterschiede, die Frauen haben auch eine Quote, Männer nicht. Im Grunde brauchen wir keine Ehe, keine Rituale, auch keine materiellen Dinge, an die wir uns klammern können, wenn wir fern der Heimat sind. Photographien von liebgewonnenen Menschen brauchen wir auch nicht, da wir auch keine liebgewonnenen Menschen finden brauchen. Einzig der Zweck der Fortpflanzung könnte uns antreiben, obwohl das auch mit der Freiheit des Einzelnen kollidiert. Zwanglosigkeit – hatten wir das nicht schon mal?
Ja, wir brauchen das Alles nicht. Mein Zimmer ist kahl, die Wände sind weiß. Ich lebe.
…
@Angel:
Rein subjektiv kann ich Deine Frage nur so beantworten:
Ich habe geheiratet, weil ich meine Frau liebe. Weil Sie mein Vertrauen genießt – und ich Ihres. Weil wir gemeinsam durch (fast) jede Scheiße in diesem Leben gewandelt sind. Weil wir uns in Momenten benachbarter Dunkelheit an die Hand fassen und uns gegenseitig Halt geben können.
Und weil es beruhigend ist, den Ring am Finger zu drehen, sich zu vergewissern, dass da Jemand ist. Auch wenn dieser Jemand hunderte Kilometer und wochenweit entfernt ist.
Ob Ehe oder nicht kann man nur subjektiv entscheiden. Und ‚Wahrheiten‘ … gibt es viele.
LGD.
Es gibt keine Zwanglosigkeit.
@DreadNoughts: Das hast Du so schön geschrieben. :)
Als ich den Titel las, WUSSTE ich, dass Du HDR zitieren würdest *grinst*
Und mein Liebes, warum muss denn das hier eintreten?: Zitat Schattenkämpferin: „Und wer weiß, vielleicht läuft mir auch eines Tages der eine Mann über den Weg, für den ich all diese negativen Gedanken und Bedenken über den Haufen werfe, mich in ein traumhaft schönes weißes Kleid zwänge, in eine blumengeschmückte Kutsche setze und zum Standesamt fahren lasse.“
Vielleicht hast Du ja auch einfach irgendwann Lust drauf und wünschst es Dir, ohne dass etwas besonderes passieren muss? :)
Das Leben nimmt manchmal seltsame Wege, was wir daraus machen liegt an jedem einzelnen von uns selbst!
Drück Dich!
Ich fühle mich auch dazu genötigt noch etwas los zu werden.
Ich bin inzwischen mit meinen jungen Jahren auch schon verheiratet und jetzt so nach dem ersten Jahr würde ich sagen, wenn mich jemand fragen sollte, warum ich verheiratet bin: Ich will das mein Mann abgesichert ist, wenn mir mal etwas passiert. Ich will, dass er versorgt ist.
Das ist aber nicht die Antwort auf die Frage, warum ich geheiratet habe und bei mir war da ehrlich gesagt kein Hintergrund. Für mich war es ein Gefühl. Lange habe ich mich davor gesträubt, mein Mann wollte schon eher, aber in mir hat es nicht gestimmt. Und später … Es war keine Überlegung, keine Planung, dass es jetzt passt, es war einfach ein Gefühl und Dread hat es eigentlich schon einen Teil gut formuliert, dem ich mich nur anschließen kann. Es war das Gefühl der Liebe und vorallem der Wunsch richtig zusammen zu gehören. Dazu gehört bei mir den gleichen Namen zu tragen, was man einfach nur durch Heirat kann, eine gewisse Bindung, die sich deutlich schwerer wieder lösen lässt, als wenn man einfach nur zusammen ist. Einfach der Wunsch etwas gemeinsames zu haben, was man nicht nur im Herzen hat, sondern einfach nach außen hin tragen kann. Für mich hat Hochzeit nichts mit Ritual zu tun, oder weil es in meiner Familie so ist. Ich komme zwar aus einer guten Familie was das angeht (beide Großeltern hatten goldene Hochzeit, meine Eltern haben nächstes Jahr silberne) aber gerade bei meinem Mann ist das ganz und gar nicht der Fall. Für ihn im Gegensatz zu dir vielleicht auch ein Grund, genau das zu leben, was er nie hat erleben dürfen. Aber bei uns beiden war es wirklich auch der Hintergrund für immer zusammen zu sein weil wir uns lieben, also warum das auch nicht auf dem Papier machen?
LG
Shaddow