Liebeskummer lohnt sich nicht. Oder doch?
Für C.
Weil man nicht allein ist.
Niemals.
Ein tiefer Fall führt oft zu höherem Glück.
[Shakespeare]
“Liebeskummer lohnt sich nicht, my darling …“ sang Siw Malmkvist im Jahr 1964, und genau das ist wahrscheinlich auch die Liedzeile, die man als junger Mensch neben anderen zahlreichen tollen, aber nutzlosen Sprüchen von Freunden und Familie um die Ohren geworfen bekommt, wenn eine Beziehung zerbricht.
In den letzten Wochen habe ich, auch im Zusammenhang mit anderen Zitaten, viel über diese Zeile nachgedacht, sie ist mir selbst viel im Ohr gewesen und hat sich quasi in meinem Kopf festgesetzt. Dabei wurden dann so manche Gedanken in Gang gebracht und diese wiederrum weckten in mir den Wunsch, mich (wieder) einmal ausführlicher mit diesem Thema auseinander zu setzen. Das konkrete Schreiben dieses Beitrages schiebe ich nun schon seit knapp zwei Wochen vor mir her – Auslöser war die Nachricht einer Freundin über ihre Trennung und dass sie gerade aus meinen Postings hier auf den Schattenwegen viel Kraft und Zuversicht schöpfen kann. Also schreibe ich diesen Liebeskummer-Text in erster Linie für sie, aber auch für mich und alle anderen, die jemals Liebeskummer hatten oder noch haben werden.
Liebeskummer ist ein scheiß Gefühl. Da lässt sich überhaupt nichts schönreden. Es tut ganz schrecklich weh, es raubt einem Kraft und Sinne, alles andere wird noch unwichtiger als vorher und irgendwann nervt es einen selbst so sehr, dass man einfach nur noch will, dass es aufhört. Und dieses Aufhören ist gar nicht so leicht, auch wenn es aus den Mündern von Freunden und Familie immer so einfach klingt – aber die machen das ja in diesen Momenten, wo sie ihre schlauen Sprüche bringen, auch nicht selbst durch. Ich glaube, dass es schwer ist, sich in eine Person mit Liebeskummer hinein zu versetzen, wenn man nicht selbst grad unter Liebeskummer leidet oder das gerade recht zeitnah hinter sich hat. Und wenn man selbst in dieser Krise steckt, ist es ebenfalls schwer, sich für die Sorgen des Gegenübers Zeit zu nehmen, weil der eigene Kopf mit sich selbst fast nicht klar kommt und man an kaum etwas anderen denken kann als daran, die eigenen Probleme von allen Seiten mit jemandem zu beleuchten. Denn egal, wie viel Verständnis einem entgegen gebracht wird: Tief im Inneren fühlt man sich trotzdem unverstanden.
Was hilft also? Es gibt kein Patentrezept gegen Liebeskummer.
Ich persönlich habe mir abgewöhnt, FreundInnen in “dieser Situation“ direkt nach der Trennung zu sagen, dass alles gut wird, dass sie was Besseres verdient haben, dass der sich trennende Partner dumm ist und und und. Denn diese Worte helfen ganz sicher nicht. Was hingegen hilft, sind ein Ohr, eine Schulter, jede Menge Tempos und vor allem Zeit. Nein, Zeit heilt nicht alle Wunden, aber sie verhilft zu anderen Blickwinkeln, wenn Gemüter sich beruhigen und auch das Herz wieder seinen Ruhepol findet, und irgendwann kommt dieser Punkt, wo man zurückdenkt und der Schmerz etwas anderem gewichen ist.
Der Weg bis zu diesem Punkt ist lang und schmerzvoll, doch im Grunde gibt es nichts und niemanden, der dabei wirklich helfen kann. Die Kraft liegt bei einem selbst, die Motivation muss aus dem eigenen Inneren kommen. Und wenn man dann feststellt, wie viel Stärke in einem selbst steckt, dann ist allein das schon ein Punkt auf der Positiv-Seite der Waage. Nicht umsonst heißt es “was uns nicht umbringt, macht uns härter“, und dieses Prinzip darf man gerne auch auf den Liebeskummer anwenden.
Denn jede gescheiterte Beziehung bzw. jedes Scheitern einer Beziehung hat einen Wert, den man anders gar nicht gewinnen kann: Den Erfahrungswert. Man lernt aus Niederlagen, aus Fehlern, aus Enttäuschungen und eben auch aus Erfahrungen dieser Art. Man fällt und man steht wieder auf, man geht weiter und weiß genau, dass man irgendwann wieder an den Punkt des Fallens kommen wird. Und das ist gar nicht schlimm, denn die Kunst des Fallens ist das Wiederaufstehen nach jedem Sturz. Manchmal liegt man länger am Boden, suhlt sich im Schmerz – es ist immer der schlimmste Liebeskummer, den es auf der Welt je gegeben hat, und niemals wieder wird man eine Person im Leben treffen, die das auslösen kann, was der Expartner auslösen konnte – alles Bullshit. Die Erfahrung ist einmalig, ja, der Schmerz hingegen ist immer der gleiche. Er zielt dahin, wo’s am schlimmsten weh tut, und trifft ganz tief. Und dann liegt man halt da, in den Scherben seines Glücks, inmitten des Trümmerhaufens und fragt sich, warum alle Welt um einen herum glücklich ist und man selbst eigentlich immer nur ins Klo greift. Man vergeht in Selbstmitleid, wird von allen missverstanden (aber die haben ja eh keine Ahnung), die Welt ist blasser und grauer und irgendwie scheint es seit der Trennung nur noch zu regnen.
Bis dann ein einziger Sonnenstrahl – in welcher Erscheinungsform auch immer – durch diese mauerähnliche Wolkenfront bricht und man plötzlich feststellt, dass es sich heute ein bisschen weniger schlimm anfühlt. Von diesem winzigen, aber entscheidenden Moment an wird es jeden Tag ein bisschen besser, bis man eines Morgens aufwacht und der erste Gedanke nicht dieser einen Person gilt, die schon lange nicht mehr an einen denkt. Bis man eines Morgens aus dem Fenster schaut und sich ehrlich über die Sonne freuen kann, die nicht nur die Haut, sondern endlich auch wieder das Herz wärmt. Bis man eines Morgens das Radio anmacht und bei den ersten Tönen eines bestimmten Titels nicht in Schockstarre verfällt, sondern die Musik lauter drehen und sich an ihr erfreuen will. Bis man eines Morgens das Haus verlässt und fremden Menschen ohne jeden Grund ein Lächeln schenken kann.
Dieser Morgen kommt immer irgendwann, völlig egal, wie schwer der Sturz vorher war. Man muss dem Herz und dem Kopf die Möglichkeit geben, diese Erfahrung zu verarbeiten, und dazu gehört auch das schmerzvolle Leiden. Nur nicht dabei vergessen, dass es immer irgendwie weitergeht. Man kam vor dieser einen Person mit dem Leben zurecht und man wird auch nach ihr zurechtkommen. Außerdem: Irgendwo da draußen ist der Mensch, der uns eine andere, eine schönere Erfahrung schenken wird. Doch er kann uns nicht sehen, wenn wir uns verstecken – er kann uns nicht finden, wenn wir uns in unserem Selbstmitleid vergraben.
Abschließen möchte ich diesen Artikel mit einem Zitat, das mich sehr lange Zeit beschäftigt hat, weil ich es zu einem Zeitpunkt gelesen habe, zu dem es mir ebenfalls nicht gut ging und ich mich oft gefragt habe, warum ich mir das Ganze eigentlich überhaupt antue. Dieser winzige Ausschnitt hat mir Antworten auf diese Frage geliefert, die sehr viel umfangreicher sind, als es den Anschein haben mag. Doch als Abschluss sind sie genau richtig – wie immer darf hier frei interpretiert werden.
Ich weiß, dass es wehtun wird. Trotzdem. Vielleicht muss man sich wieder und wieder Blasen laufen an der Seele, bis man endlich Hornhaut bekommt.
[Nora Melling, Schattenblüte – Die Wächter, Seite 118]
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