Schreck der Woche
Die Menschheit läßt sich grob in zwei Gruppen einteilen:
in Katzenliebhaber und in vom Leben Benachteiligte.
(Francesco Petrarca)
Den Schrecken der Woche hat mir das Prachtexemplar auf dem obigen Foto verpasst, mein Tarabas.
Als ich mich Dienstagvormittag zur Spätschicht aufmachte, schien alles normal zu sein. Meine drei Racker begrüßten mich laut maunzend, als ich das Schlafzimmer verließ, und forderten lautstark ihr Fressen ein. Alle drei stürzten sich wie immer auf die gefüllten Näpfe und ich ging meiner Wege. Beim Nachhausekommen stürmten mir jedoch nur Lukarius und Samira entgegen – von Tari keine Spur. Ich stellte den beiden Futter hin, schaute an den üblichen Verstecken nach meinen dunkelgrauen Stubentiger und wurde fündig. Zusammengerollt und kaum auf mich reagierend lag er auf der Couch, röchelte ein wenig vor sich hin und gefiel mir gar nicht. In dem Glauben und der Hoffnung, dass er wieder einmal zu schnell gefressen – darin sind meine drei nämlich echte Profis – und sich den Magen verdorben hatte, ließ ich ihm nach einigen Streicheleinheiten und gutem Zureden schließlich seine Ruhe.
Am nächsten Morgen war jedoch alles unverändert. Luka und Mirchen quickfidel, Tari im Kratzbaumhäuschen. Da ich eh nicht geschlafen hatte, fuhr ich früher in die Arbeit, um dementsprechend früher Feierabend machen und mit dem Schatz zum Tierarzt zu können. Den ganzen Tag über wollte ich immerzu Zuhause anrufen und den Kleinen fragen, wie’s ihm geht. Hab ich natürlich nicht getan, hätte ja eh niemand ans Telefon gehen können.
Nachmittags auf dem Weg zur Tierärztin schrie Tarabas, wie ich ihn noch nie hab schreien hören. Die Ärztin hörte ihn einmal kurz ab, steckte ihn ins Röntgengerät und sagte dann unumwunden, dass ich sofort in die Tierklinik fahren sollte: Tarabas bekäme kaum Luft und müsse umgehend in eine Sauerstoffbox. Das war der Moment, wo ich zum ersten Mal richtig Angst bekam und mich bemühen musste, nicht in Tränen auszubrechen.
Die Fahrt zur Tierklinik bedeutet mit den öffentlichen Verkehrsmitteln eine halbe Weltreise, jede Menge Zeitaufwand und für den kranken Schatz unheimlichen Streß. Ein Taxi konnte ich mir unter keinen Umständen leisten, doch scheinbar hatte mein Baby einen Schutzengel, denn in der Tierarztpraxis fand sich ein netter Katzenpapa mit Auto, der sich auf Nachfragen der Tierärztin dazu bereit erklärte, Tarabas und mich in die Tierklinik zu fahren. Katzenliebhaber unter sich.
Dort waren die Kollegen schon vorab informiert worden, dass ich kommen würde, und so mussten wir keine weitere Wartezeit in Kauf nehmen, sondern kamen nahezu sofort dran. Erneutes Abhören, Anschauen von Augen und Zähnen, Temperaturmessung und neue Röntgenaufnahmen – mein Schatz stand kurz vor einem Kreislaufkollaps und wurde nach Blutabnahme von der Pflegerin sofort in eine Box mit Wärmematte gebracht. In seiner Angst rammte er der Ärztin beim Blutabnehmen seine Krallen in die Hand und schrie dabei in einer Art, die mir im Herzen wehtat. Mehrmals stand ich kurz davor, sowohl Ärztin als auch Pflegerin von ihm wegzustoßen, ihn zu schnappen und wieder nach Hause zu fahren.
Noch am selben Abend, ca. eine Stunde später, konnte mir die Ärztin telefonisch zumindest teilweise Entwarnung geben. Der Kreislauf hatte sich stabilisiert, die Körpertemperatur stieg beständig und Tarabas hatte sich weitestgehend beruhigt. Die Röntgenbilder hatten gezeigt, dass in der Lunge eine Veränderung stattgefunden und sich im Magen Luft angesammelt hatte. Das erklärte das mühevolle Atmen und die offensichtlichen Schmerzen.
Donnerstagmorgen ging es dem Kleinen schon deutlich besser, zumindest war das die Auskunft der Tierärztin, als ich sie nach einer zweiten schlaflosen Nacht anrief. Die Laborergebnisse des Blutes lagen noch nicht vor, ein erschreckend hoher Entzündungwert konnte aber schon am Vorabend direkt vor Ort festgestellt werden. Allerdings bekam ich zu dem Zeitpunkt schon die Info, dass die Lunge und auch der Magen besser aussahen, und wenn der Zustand sich weiter verbessern würde, ich meinen Schatz am Freitag nach Hause holen könnte.
So kam es dann auch. Er sah tatsächlich um einiges besser aus als noch am Mittwochabend, die Atmung war ruhiger und ausgeglichener, die Bluttestergebnisse auf Katzenaids negativ und ich glücklich, dass ich Tarabas wieder mit nach Hause nehmen konnte. Seit Freitagabend wohnt er nun bei mir im Schlafzimmer, damit die anderen beiden ihn nicht in der Ruhe stören, die er noch dringend braucht. Bis Dienstag bekommt er noch Tabletten, die ich ihm irgendwie unterjubeln muss, denn er frisst nicht, sondern schläft fast den ganzen Tag und trinkt zwischendurch. Wenigstens das. Es geht ihm besser, aber immer noch nicht gut. Zwar scheint er aus dem Gröbsten raus zu sein, Sorgen mach ich mir natürlich trotzdem immer noch.
Die Kolleginnen auf der Arbeit haben große Anteilnahme gezeigt. Meine Chefin bot mir sogar an, Freitag freizunehmen, was ich aber ablehnte – ich konnte den Kleinen sowieso erst am Nachmittag abholen, und Zuhause wäre ich durchgedreht. Wenn ich bereits Dienstagabend mit Tarabas in die Tierklinik gefahren wäre, hätte man ihm früher helfen können. Doch das kann man vorher nicht wissen, und momentan bin ich einfach froh, dass er wieder Zuhause ist, und hoffe auf das Beste.
Die kommenden Tage werden wohl noch kritisch bleiben, aber es scheint stetig Tag für Tag etwas besser zu werden. Wenn er erst wieder anfängt zu fressen, ist er auf dem besten Weg über den Berg. Der Kostenfaktor, der schon jetzt bei über einem halben Monatsgehalt liegt, tut dabei zwar etwas weh, spielt aber nur eine nebensächliche Rolle. Viele Leute verstehen nicht, dass so ein Tier zu einem festen Familienmitglied wird und man um dieses genauso viel Angst hat wie um einen Menschen. Aber ich glaube, das können auch nur Menschen verstehen, die selbst Tiere haben oder hatten.
Hoffen wir, dass die nächste Woche etwas besser wird. Einen ruhigen Restabend euch.
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5 Kommentare
Oh Mann…:(. Hoffe dem Kleinen geht es bald besser. Habe selbst erst vor ein paar Monaten „meine“ Katze verloren, nach 14 Jahren. Jeder der ein Tier hat, weiss wie das ist…
Bin ja normalerweise nicht so der Kommentator, aber ich wünsche dem Kleinen alles Gute! Beim Lesen musste ich gerade arg an Rossi denken, der leider nicht so ein Glück hatte. Ich neige dazu, immer sofort zum TA zu fahren, um auf Nummer sicher zu gehen – aber nicht einmal das hat damals etwas genützt.
Ich verdräng den Gedanken mal besser wieder. ;)
Hoffe, es geht Tari bald wieder besser und dass er ganz gesund wird!
Drück dich – ich als Katze-wie-ein-Familienmitglied-Behandler verstehe dich. Sehr gut.
Meine Lil,
ich wusste gar nicht, dass du meinen Blog besuchst. Umso schöner, dich jetzt auch in den Kommentaren zu finden, auch wenn der auslösende Umstand kein so erfreulicher ist.
Du wirst es vielleicht nicht glauben, aber auch ich musste an Rossi und eure kleine Familie denken, als die Tierärztin was von einer Veränderung in der Lunge sagte. Beim nächsten Mal, das es hoffentlich nicht geben wird, werde ich definitiv auch gleich in die Praxis oder Klinik fahren. Die Visitenkarten sind immer greifbar in der Tasche und an der Pinnwand.
Ich hoffe, euch vieren geht es gut. Vielleicht sehen wir uns zu Weihnachten, ich werde wahrscheinlich eine ganze Woche bei meinen Eltern sein.
Deine guten Wünsche werd ich Tari gleich ausrichten.
Ich lasse dir und dem Kleinen auch hier noch ganz liebe Grüße da und drücke ganz fest mit die Daumen. Ich kann das auch alles sehr gut nachvollziehen und bin froh auch einen Tierarzt zu haben, den man selbst mitten in der Nacht aus dem Bett klingeln kann und der auch alles für ein Tier tut, selbst wenn die Chance noch so klein ist.
Ach Du meine Güte… :( Gott sei Dank geht’s wieder bergauf. Katzen sind ein Segen, ein Schatz. Tiere generell, sie geben soviel Ruhe. Gute Besserung…