Strandspaziergang im Regen

„Die Summe unseres Lebens sind die Stunden, in denen wir liebten.“
(Wilhelm Busch)

Als sich heute die meisten Hamburger vor dem Wetter in ihren Wohnungen versteckt haben, bin ich nach langer Zeit endlich mal wieder zum Elbstrand gefahren. Mein erster und vielleicht auch letzter Besuch dort in diesem Jahr, ich war generell viel zu wenig am Strand in diesem Sommer. Das sah im letzten Sommer etwas anders aus, aber in der Vergangenheit wühlen bringt nicht viel, also lass ich’s. Abgesehen davon, dass letzten Sommer jedes Mal die Sonne auf mich niederbrannte, wenn ich mich in den Sand an der Elbe legte und die vorbeifahrenden Boote und Schiffe betrachtete.

Im Gegensatz zu gutem Wetter war es heute sehr einsam dort. Und still, wenn man den prasselnden Regen und den an mir zerrenden Wind außer Acht lässt. Warum macht man freiwillig einen ausgedehnten Strandspaziergang, wenn es wie aus Eimern schüttet? Ganz einfach: Weil man’s kann. Und weil ich es brauchte. Die Einsamkeit, den Regen, den Wind, den feuchten Sand in meinen Schuhen, das Wasser. Das Gefühl zu leben.

Vergangene Woche habe ich mich sehr hängen lassen. Nicht in der Arbeit, aber danach. Bis auf Montag war ich nicht in der Schule, obwohl ich es wirklich vorhatte, jeden Tag. Aber ich fühle mich ausgelaugt, unmotiviert, runtergezogen, und obwohl ich dieses große Ziel habe, sah ich keinen Grund und keinen Sinn darin, in die Schule zu fahren und mich in den Unterricht zu setzen. Das nervt mich selbst, weil ich im Grunde nur noch knapp ein Jahr vom Abitur entfernt bin und es trotzdem nicht schaffe, mich wieder richtig aufzuraffen und den Kram einfach durchzuziehen. Dabei kann ich nicht mal wirklich sagen, woran das liegt. Das Ziel ist immer noch da. Leicht abgeändert auf Grund der neuen beruflichen Situation, über die ich echt glücklich bin, aber grundsätzlich ist das Ziel immer noch das gleiche. Und ich mach das ja auch nicht, um irgendwem etwas zu beweisen, sondern für mich. Weil ich vorankommen will, weil ich Ziele im Leben wichtig finde, weil mich dieses In-den-Tag-hinein-leben ankotzt.

Aber das war nicht der Grund, weshalb ich die Einsamkeit ganz gezielt gesucht und mich der Macht vom Wetter ausgesetzt habe. Seit einiger Zeit fühlt sich in mir drin alles seltsam taub an, und ich weiß aus Erfahrung, dass das nicht gut ist. Nicht für mich und nicht für meine Umwelt. Ich ziehe mich zurück, halte den zwischenmenschlichen Kontakt sehr gering, vor allem auf persönlicher Ebene, wenn mich nicht gerade ein Rede- bzw. Schreibschwall packt und Mails, die ich nie abschicken werde, in meinem Mailaccount unter den Entwürfen landen. Damit ich jederzeit wieder darauf zugreifen und mich in den Worten verkriechen kann. Jede Mail, jeder Brief, jeder Blog-Post, den ich je schrieb, ist genau zu diesem Zweck da: Zum Erinnern. Zum Wühlen in der Vergangenheit. In alten Gefühlen, Sehnsüchten, Träumen, Wünschen. Um immer wieder festzustellen, dass sich vieles und letztendlich doch nichts geändert hat.

Doch ich erinnere mich gern. An die Gefühle, die Menschen in mir ausgelöst haben. Das Kribbeln im Bauch, das unkontrollierte Lächeln, den Drang, alles und jeden und die ganze Welt umarmen zu wollen. Es gab nicht viele Männer, die das auslösen konnten, die das konstant und dauerhaft ausgelöst haben. Die nach meiner ersten großen Liebe die Chance gehabt hätte, die nächste zu werden. Und es ist wohl auch genau richtig, dass es nicht viele gab. Gibt. Vielleicht sind es auch schon zu viele, denn ist es nicht so, dass es diesen einen besonderen Menschen nur einmal gibt? Irgendwo habe ich mal gelesen, dass es im Leben einer Person mehrere perfekte Partner geben soll. An manchen Tagen glaube ich daran, an anderen glaube ich an das genaue Gegenteil. Daran, dass es nicht mal einen einzigen gibt.

Vor ein paar Tagen wurde ich gefragt, was ich mir unter einer Beziehung vorstelle. Spontan konnte ich sie nicht beantworten und selbst jetzt, nach langem Nachdenken, ist das Thema ein recht komplexes, für das ich noch immer keine klare Antwort habe. Und ist es nicht auch genau das, was im Leben zählt? Dass man sich auf die Suche macht und Antworten finden möchte?

Ich weiß es nicht. Ich bin nur ein Mädchen, das sich das Gefühl wünscht, die ganze Welt umarmen zu können. Das dieses Kribbeln im Bauch genießen können und nie wieder loswerden will. Das sich im Fenster der Bahn lächelnd vorfinden will und dass dieses Lächeln unbewusst ist.

Nur ein Mädchen, das wieder lieben und wiedergeliebt werden möchte.

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=SXlgVUfbBR0] zum Songtext


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