Verantwortung – responsibility

Dass mein Herzblatt tolle Streams macht, ist für niemanden neu, der ihn und seine Sendungen bzw. Sendeformate kennt. (Wer dies nicht tut, sollte das schleunigst und umgehend ändern! Nächste Chance besteht am kommenden Samstag ab 18:00 Uhr. Den Link zum Radio findet ihr auf seiner Seite – die übrigens komplett in Englisch gehalten ist.)
Seit einigen Wochen nutzt er nicht mehr nur seine alle zwei Wochen stattfindende Sendung Local Love Line, in der sich alles um Liebe, Sex und Beziehungen dreht, für spannende Diskussionen zu sehr interessanten Themen, sondern hat es sich auch für die – in meinen Augen wichtigste – regelmäßig montags laufende Sendung American First Class zur Aufgabe gemacht, ihr eine Art übergeordnetes Thema zu geben.

Als würde ich noch nicht genug in meinem Leben nachdenken, kann ich natürlich gar nicht anders, als meine Gedanken nach den jeweiligen Sendungen weiter zu spinnen. Was ich als positiv erachte, denn die in AFC angesprochenen Themen sind wichtig und sehr umfassend – die Zeit reicht gar nicht aus, um wirklich tiefergehend darüber zu debattieren. Auch weil eine andere Sache, nämlich der Kaddish, während dieser Zeit im Vordergrund steht, auch wenn alles irgendwie zusammen spielt.
Vor einigen Wochen war das große Überthema „Verantwortung“ oder, wie Ariell sagen würde, „responsibility“. Bis heute denke ich immer wieder zwischendurch darüber nach, manchmal völlig zusammenhangslos von einem Moment auf den anderen, manchmal geradezu strukturiert und mit durchgehendem roten Faden. In manchen Augenblicken verliere ich mich dann in meiner Grübelei über den Begriff und was eigentlich dahinter steckt – oder stecken sollte. Zu einem richtigen Ergebnis bin ich nicht gekommen, aber da ich versprochen habe, meine Gedanken diesbezüglich mal festzuhalten, und in den letzten Tagen öfter mal jemand über seine Seite hier landet, versuche ich einfach mal, schriftlich festzuhalten, was mir dazu einfällt.

Anfangen möchte ich dabei mit der Definition, die unser aller Wiki dazu ausspuckt:

Verantwortung bedeutet die Möglichkeit, dass eine Person für die Folgen eigener oder fremder Handlungen Rechenschaft ablegen muss. Sie drückt sich darin aus, bereit und fähig zu sein, später Antwort auf mögliche Fragen zu deren Folgen zu geben. Eine Grundvoraussetzung hierfür ist die Fähigkeit zur bewussten Entscheidung. Eine Verantwortung zieht immer eine Verantwortlichkeit nach sich, d. h. dafür Sorge zu tragen, dass die Entwicklung des Verantwortungsbereichs im gewünschten Rahmen verläuft. Der Begriff kam erst im Mittelhochdeutschen auf.

(der ganze Artikel)

Das ist ja nun wirklich sehr allgemein gehalten und ich glaube, Verantwortung definiert jeder ein bisschen anders. Ich persönlich unterscheide zum Beispiel ganz verschiedene Varianten der Verantwortung – die mir selbst gegenüber, die gegenüber meiner Familie, gegenüber von Freunden … eigentlich hat man, meiner Ansicht nach, jedem einzelnen Menschen, mit dem man im Laufe seines Lebens zu tun hat, gegenüber eine gewisse Verantwortung – völlig egal, wie intensiv oder flüchtig diese Begegnung gewesen sein mag.
Aber ab wann ist man eigentlich selbst verantwortlich? Vor der Geburt ist man sicher im Mutterleib und trägt keinerlei Verantwortung. Bei der Geburt tragen vor allem die Ärzte die Verantwortung dafür, dass alles gut geht und der Mensch gesund zur Welt kommt. Und dann? Ab welchem Alter ist man reif genug, um zumindest für sich selbst die Verantwortung zu übernehmen?

Menschen haben ganz verschiedene Rollen im Leben, die mit Verantwortung in Verbindung stehen. Eltern sind für ihre Kinder verantwortlich, Ärzte für ihre Patienten, Lehrer für ihre Schüler, Chefs für ihre Mitarbeiter, Soldaten für ihre Kameraden und so weiter. Kindern versucht man in jungen Jahren Verantwortung beizubringen, indem man ihnen Haustiere erlaubt. Alten nimmt man in späten Lebensjahren die Entscheidungsgewalt ab, weil sie nicht mehr in der Lage sind, das Richtige zu entscheiden. Aber WAS ist Verantwortung denn nun eigentlich?
Ist das wirklich „nur“ eine Frage der möglichen „Schuldzuweisung“, wenn zum Beispiel in einem Laden was zu Bruch geht? Wenn ein Auftrag schief läuft? Ist Verantwortung nur die Tatsache, dass man für etwas gerade stehen muss, was man selbst gar nicht verbockt hat?

Wenn ihr mich fragt, bedeutet Verantwortung noch viel mehr. Verantwortung gehört zu jeder gesunden Beziehung, zu jeder gesunden Freundschaft, eigentlich zu jedem zwischenmenschlichen Kontakt, welcher Art auch immer. Es bedeutet, dass man nicht nur auf sich selbst achtet, sondern auch auf die Menschen um einen herum. Dass man sich bewusst ist, dass das eigene Handeln nicht nur die eigene Person, sondern viele andere Menschen ebenfalls betrifft. Und auch, dass man in der Lage ist, Verantwortung zu übernehmen.
Besonders letzterer Punkt hat mich ziemlich wenig mit dem Alter zu tun, wie auch der Reifegrad einer Persönlichkeit. Manche Jugendliche haben mit ihren 15, 16, 17 Jahren mehr Verantwortungsgefühl und -bewusstsein als so mancher Erwachsener. Hier ist es, finde ich, außerdem wichtig, dass man für sich selbst auch erkennen kann, dass man schlicht und ergreifend nicht in der Lage ist, die Verantwortung für einen anderen Menschen zu übernehmen.

Verantwortung trägt in erster Linie jeder für sich selbst. Wer dazu nicht schon in der Lage ist, dem sollte auch die Verantwortung für andere Menschen auf keinen Fall übereignet werden. Sicherlich muss man in den einzelnen Fällen differenzieren, doch im Großen und Ganzen gilt – zumindest für mich – genau das. Ich werde nie verstehen können, wie man einer sechzehnjährigen Drogenabhängigen die Verantwortung für ein Kind überlassen kann – um nur mal ein krasses Beispiel zu nennen. Klar, ich kann nicht einschätzen, wie dieses Mädchen als Mutter fungiert und funktioniert, aber ganz ehrlich, sie hat ihr eigenes Leben nicht mal unter Kontrolle und soll dann auch noch das eines kleines Babys kontrollieren? Das nenne ich „unverantwortlich“, und zwar vom Staat, von den Ämtern und auch von eben dieser Sechzehnjährigen.

Diese Gedanken sind mehr als unzureichend und sehr durcheinander. Dafür entschuldige ich mich, denn ich habe dieses Posting auch für mich selbst anders geplant. Zugegebenermaßen beschäftigen mich derzeit viele andere Dinge, die dem einen oder anderen vielleicht unwichtig erscheinen mögen. Aber so setzt jeder seine eigenen Prioritäten, und jeder hat sein eigenes Päckchen zu tragen. Wer nicht weiß, was ein anderer Mensch durchgemacht hat oder durchmacht, sollte sich über den Wichtigkeitsgrad kein Urteil erlauben. Denn man weiß nie, wie man in der gleichen Situation reagieren würde.

In diesem Sinne lasse ich euch zum Nachdenken einen Spruch da, den ich selbst schon einige Male angewendet, aber auch einige Male verurteilt habe:
„Ich bin nur für das verantwortlich, was ich sage. Nicht für das, was du verstehst.“


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