Wasted year?
Das Warten hat ein Ende. Gestern habe ich den letzten Schritt getan, um die bereits vor einiger Zeit getroffene Entscheidung endgültig zu besiegeln. Ich weiß, dass ich euch lange hingehalten habe und einige von euch bereits viele Spekulationen im Kopf haben, aber manche Dinge brauchen eben einfach ihre Zeit, und diese Entscheidung sowie sämtliche Schritte, um sie unwiderruflich werden zu lassen, gehörten zu diesen Dingen.
Kurz und schmerzlos:
Ich habe die Abendschule unterbrochen. Ja, unter-, nicht abge-brochen, denn im Februar starte ich mit der zwölften Klasse noch mal durch. Dass dies keine spontane, sondern eine sich lang angekündigte und ausführlich durchdachte Entscheidung war, sollte jedem, der mich ein wenig besser kennt, klar sein. Leichtgemacht habe ich mir die Entscheidung nämlich mit Sicherheit nicht, und das hat mein Umfeld auch gemerkt.
Seit ich nun beschlossen habe, erstmal aufzuhören und noch mal „neu“ anzufangen, geht es mir um einiges besser – und auch das merkt mein Umfeld. Freunde stellen fest, dass ich entspannter und fröhlicher bin. Kollegen merken, dass ich in der Arbeit aufgehe und nicht mehr mit verkniffenem Gesicht durch die Gegend ziehe, wenn ich an den Abend denke. Und selbst meine Eltern, zu denen ich nur sehr sporadischen Kontakt halte, merken den Unterschied des losgelösten Drucks, der nach dem für mich Feststehen der Entscheidung von mir fiel.
Die Hintergründe des Schulabbruchs haben ihre Ursache an ganz verschiedenen Punkten. Zum einen ist da natürlich die seit Ende April veränderte Situation im Berufsleben. Die Arbeit hier ist toll, ich fühle mich im Team wohl und habe viel Spaß bei dem, was ich tue – mit all der Verantwortung, die ich trage. Durch die Schichten, bei denen ich nun mal nicht um den Spätdienst komme, kam es durchaus öfter vor, dass ich die Schule wegen der Arbeit ausfallen lassen musste, obwohl meine Chefin sich sehr bemüht hat, diese Ausfallquote gering zu halten. Allerdings waren diese Spätschichten auch jedes Mal eine willkommene Ausrede für mich. Denn zum zweiten war da die akute Unlust, wobei ich nie definieren konnte, wo sie herkommt. Ich hatte natürlich immer mein Ziel vor Augen, das auch immer noch aktuell – nach den letzten Tagen aktueller denn je – ist, doch meine persönliche Motivation war verschwunden und ich habe sie nicht wieder gefunden. Mit jedem Tag, den ich aber auch fehlte, ging mehr Unterrichtsstoff verloren. Und schließlich wurde mir irgendwann bewusst, dass ich nicht in der Lage sein würde, diesen ganzen verpassten Stoff nachzuholen, auch wenn ich nun wirklich keine schlechte Schülerin war oder bin. Mit diesem Wissen habe ich mich trotzdem noch weiter in die Schule geschleppt, fühlte mich schlecht und saß im Unterricht, um den Lehrern bei Erläuterungen und Erklärungen zuzuhören, die ich doch nicht verstand, weil mir das ganze Vorwissen fehlte. Als ich dann, was ich als dritte und eigentlich ausschlaggebende Ursache nennen möchte, von gleich zwei Fachlehrern auf in meinen Augen unmögliche und unprofessionelle Art und Weise behandelt wurde, war für mich der Punkt erreicht, eine Änderung vorzunehmen. Es ging mir nicht mehr gut mit dem, was ich tat, und das schon eine ganze Weile.
Manche meiner Leser wissen noch um einen weiteren Grund, der Mitte Mai seinen Ursprung fand. Da mir klar ist, dass ich niemandem außer mir selbst die „Schuld“ für diese die Schule betreffende Entwicklunggeben kann. Doch das, was ich damals – vorher, während und nachher – „durchgemacht“ habe, hat viel damit zu tun, dass es so gekommen ist, wie es eben gekommen ist.
Zusammengefasst war es für mich und meine Ansprüche an mich selbst nicht mehr tragbar, die Schule weiterhin zu besuchen. Schon vor den Sommerferien war diese Entscheidungsfindung in meinem Kopf und auch im Gespräch mit meinem Klassenlehrer, nur die mentale Unterstützung meiner Klasse und mein „Überlebenswille“ haben mich überhaupt noch so lange durchhalten lassen. Um die anstehende Versetzung musste ich mir nie Sorgen machen, doch was nützt mir die Versetzung, wenn in den Abiprüfungen nachher die Hälfte oder mehr des möglicherweise relevanten Stoffes fehlt?
Dass mancher diese Entscheidung „dumm“ findet und nicht nachvollziehen kann, weiß ich. Ich habe inzwischen ganz unterschiedliche Reaktionen darauf erfahren, doch insgesamt betrachtet ist der Tenor positiv und vor allem verständnisvoll. Nicht dass das wichtig wäre, denn es ist schließlich mein Leben, meine Zukunft und damit meine Entscheidung. Und da ich knapp dreiundzwanzig Jahre gebraucht habe, diesen Weg für mich überhaupt zu finden, kommt es auf das eine – in den Augen mancher verschenkte – Jahr auch nicht mehr an.
Schritt für Schritt habe ich in den letzten zwei Wochen alles in die Wege geleitet, damit ich meinen Weg weitergehen kann. Die Info an meinen Klassen- und anschließend an die Fachlehrer, an meine Chefin zwecks freierer Dienstplangestaltung, an meine engsten Leute aus der Schule, die Verantwortlichen im Schulbüro, schließlich die (was mir sehr wichtig war) persönliche Verabschiedung von meiner Klasse und gestern die Abgabe des neuen Profilwahlzettels, von dem die Zuordnung in die neue Oberstufe abhängt. Einiges habe ich rausgezögert, doch im Grunde stand für mich seit meinem Posting zum Thema Stimmungsschwankungen fest, wie es weitergehen würde.
Ich hoffe, ihr könnt verstehen, dass ich mit der konkreten Info über diese Entscheidung warten wollte, bis sich daran wirklich nichts mehr ändern lässt. Wie gesagt war es keine spontane, vielmehr stand ich schon einige Mal vor diesem Schritt. Und nun bin ich ihn gegangen – es geht mir gut damit. Als verschwendet sehe ich diese Zeit nicht an, ganz im Gegenteil. Das zurückliegende Schuljahr hat mir gezeigt, wo meine emotionalen und körperlichen Grenzen liegen, und dass ich zwar in der Lage bin, diese zu überschreiten, jedoch noch nicht immer richtig zu entscheiden weiß, wie viel Überschreitung gut für mich ist. Persönlich haben mich gerade die letzten Monate weit vorangebracht, ich habe mich entwickelt und kann nun mit einem guten Gefühl auf die Zeit bis zum Februar blicken. Denn bis dahin werde ich neue Kraft sammeln und mich mit dem Stoff, den ich noch mal durchnehmen werde, schon ein wenig im Voraus beschäftigen. Und vor allem habe ich wieder etwas mehr Zeit für private Dinge. Die ich wahrscheinlich sehr gut brauchen können werde – doch das ist ein anderes Thema.
In diesem Sinne kann ich wieder einen Punkt meiner To-Write-Liste abhaken, die gleichzeitig um einen gewachsen ist. Aber alles zu seiner Zeit, denn ich habe beschlossen, mich nicht mehr hetzen und unter Druck setzen zu lassen – und mich vor allem selbst nicht mehr so unter Druck zu setzen. Denn nur in den seltensten Fällen bringt das wirklich etwas, meistens geht dabei eher etwas verloren. Und wer verliert schon gern?
Meinungen, Zusprüche, Kopfschüttler, wüste Beschimpfungen – völlig egal, wonach euch ist, tobt euch gern in den Kommentaren aus. Wer das nicht öffentlich machen will, darf mir auch gern eine Mail schreiben. Oder zwei.
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eine Kommentar
Hm, „wüste Beschimpfungen“? Sehr seltsame Reaktion, die du da erwartest.
Ich habe da nicht viel zu sagen und hätte auch nicht das Recht dazu, aber dennoch möchte ich anmerken, dass sowas nicht als verschwendetes Jahr gesehen werden kann. Wie auch, du bist ja nicht zu Hause herumgehockt (mit Ausnahmen :P), sondern warst sicher insgesamt beschäftigter als die Meisten. Und die Gründe sollten für jeden der mal unmotiviert war – und wer war das nicht – nachvollziehbar sein, oder? Jeder davon.
Letztendlich aber ist das alles deine Entscheidung, die du dir sichtlich nicht leicht gemacht hast. Damit sollten Meinungen anderer irrelevant sein. Hoffe deine neue Klasse im Frühjahr wird deinen Ansprüchen gerecht und dich deinem Ziel näher bringen. ;)
Liebe Grüße :)
P.S.: Wie machst du es dann mit der Arbeit, der Umstand bleibt doch bestehen, oder?