Wenn die eigene Courage Angst macht …

courageKaum bin ich aus Berlin zurück, geht der Trubel in Hamburg weiter. Und weil ich mental noch nicht in der Lage bin, meinen Bericht über die zurückliegenden sechs Tage zu schreiben, obwohl meine Gedanken mich fast wahnsinnig machen, ich aber viel zu sehr damit beschäftigt bin, meine Weinkrämpfe unter Kontrolle zu bringen und zu halten, gibt es jetzt erstmal einen tagesaktuellen Artikel über etwas, das gerade heute Mittag direkt hier vor dem Museum, in dem ich meinem Nebenjob nachgehe, passiert ist.

Grundsätzlich bin ich immer jemand, der versucht, im Rahmen der eigenen Möglichkeiten Zivilcourage zu leisten. Auch heute habe ich dies nach einigen Zweifeln und Überlegungen wieder getan, und obwohl ich weiß, dass dies in jedem Fall richtig war, brauchte ich anschließend ein paar Momente, um mich selbst und meine zittrigen Glieder wieder zu beruhigen. Und da Schreiben mir ja bekanntlich am besten hilft und ich Zivilcourage unglaublich wichtig finde, liegt ja nichts näher, als dass ich einen kleinen Artikel für euch schreibe.

Gegenüber vom Museum gibt es eine Kneipe. Die ist immer – zu jeder Tages- und Nachtzeit – ziemlich gut besucht und gerade an den Wochenenden freut man sich beim Beginn der (Früh-)Schicht so manches Mal über die Überbleibsel der letzten Kieznacht vor der Eingangstür des Museums. Heute blieb ich davon zum Glück verschont, allerdings durfte ich knapp anderthalb Stunden nach Öffnung Zeugin einer ziemlich heftigen und lautstarken Diskussion werden, bei der es um eine unbezahlte Rechnung in besagter Kneipe ging. Der Gast, der nicht in der Lage war, seine Zeche zu bezahlen, wurde dann – mehr oder weniger freundlich – aufgefordert, doch bei dem Geldautomaten vor dem Mini-Casino, das fast direkt ans Museum anschließt, Geld abzuheben und seine Rechnung zu begleichen. Danach wurde es ziemlich ruhig, ich habe allerdings noch mitbekommen, dass direkt vor dem Automaten noch weiter diskutiert wurde.

Schließlich hörte ich nichts mehr. Und mit einem Mal stand ein Polizeiauto vor der Tür, mit Blaulicht, und versuchte, in die Seitenstraße zu fahren. Aufgeschreckt (und natürlich auch ein bisschen neugierig) steckte ich mir eine Zigarette an und warf einen vorsichtigen Blick um die Ecke: Jemand lag mit dem Gesicht nach unten mitten auf der Straße und war ganz offensichtlich nicht ansprechbar. Ein paar Passanten standen daneben und hielten eine Jacke zum Schutz gegen den Regen über den am Boden Liegenden. Schnell gesellte sich auch ein Rettungswagen dazu, bald darauf folgten ein zweiter Polizeiwagen und ein Notarzt – alle mit Blaulicht und Martinshorn. Spätestens hier war mir klar, dass es hier zu einer – sehr leisen und sehr schnellen – Schlägerei gekommen sein muss.

Ich ging zurück an meinen Arbeitsplatz, konnte aber die Szenen vor dem Museum nicht aus dem Kopf bekommen. Schließlich wurde der junge Mann abtransportiert und ein weiterer Blick nach draußen zeigte, dass die Polizei inzwischen den Bereich um den Geldautomaten abgesperrt hatte und Beweise sammelte. Mein Bauchgefühl wurde immer schlechter und ich beschloss nach einigem Hin- und Herwälzen in meinem Kopf, den Polizisten von meinen vorherigen Beobachtungen zu erzählen. Wie sich herausstellte, hatte der Casino-Besitzer – vor dessen Tür all das ja passiert zu sein schien – eine ganz ähnliche Aussage wie ich gemacht, und die Polizisten waren daher sehr überrascht – denn die Leute in der Kneipe hatten zu Protokoll gegeben, dass sie von nichts irgendwas wussten.

Nun sind meine Daten bei der Polizei und ich warte darauf, dass ich eventuell noch mal für eine Zeugenaussage angeschrieben oder angerufen werde. Gleichzeitig habe ich aber auch Angst davor, dass die Inhaber von der Kneipe gegenüber mich hier im Museum besuchen und zur Rede stellen. Oder Schlimmeres. Denn ich weiß natürlich nicht sicher, dass das alles zusammen hängt, aber vom zeitlichen Rahmen würde es einfach passen, und diese Information habe ich an die richtige Stelle weitergegeben. Und das habe ich aus Überzeugung getan, denn natürlich haben diese Leute ein Recht drauf, dass Rechnungen bezahlt werden. Doch einen ganz klar betrunkenen und nicht mehr bei klarem Verstand seienden Menschen deshalb bewusstlos zu schlagen, das geht einfach nicht.

Mir macht das auch jetzt, drei Stunden später, immer noch Angst, aber ich würde jederzeit wieder so handeln. Auch auf die Gefahr hin, dass ich selbst dabei vielleicht zu Schaden kommen könnte.

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eine Kommentar
  1. ClauDia sagt:

    Das war richtig und gut. Vielleicht hat aber auch ein anderer Gast oder Unbeteiligter gehört, dass der Betrunkene Geld abheben wollte und seine Chance auf schnelles Geld gesehen? Vielleicht war es nicht der Kneipier? Ich hoffe, du musst dir keine Sorgen machen.
    Liebe Grüße
    Claudia

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